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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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über -- allens, und wenn ich morgens in mein Bett liege und nich mehr
steifen kann, dann muß ich mcinnichmal an die klein Manon denken, die in
meinen swarzen Anzug gestorben is, mitten mang die Aristokraten, wo sie doch
gar nich hingehörte, und mein swarzen Anzug gehörte da auch nich hin. Aber
es kommt allens anders, als man denkt."




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Zum Bochumer Prozeß.

Zu dem Aufsatz: "Das Verleumduugsprivilcgium
des Angeklagten" in Ur. 28 der Grenzboten schreibt uns ein Leser! In seiner
Verurteilung der angeführten Bestimmungen der Strafprozeßordnung ist dem Ver¬
fasser sicherlich beizustimmen. Aber er hat sich kein glückliches Beispiel gewählt.
Herr Waare und Genossen -- das sollen doch wohl die "anständigen Männer"
sein, die Fußangel, "der hergelaufene Zeitungsschreiber," öffentlich beschimpft hat --
verdienen sie noch nach dem wider sie festgestellten uneingeschränkt die Bezeichnung
anständige Leute? Diese Dinge einmal beim rechten Namen genannt zu haben,
wenn auch in ausschreitender Form und aus sittlich nicht unanfechtbaren, ja be¬
denklichen Beweggründen, das sieht doch jeder Unbefangene als ein Verdienst des
Herrn Fußangel an. Und es ist recht und gut und eine Genugthuung für das
beleidigte Rechtsbewußtsein des Volkes, daß aus den Herren "Nebenklägern" in
Bochum im Laufe der Verhandlung die eigentlichen Angeklagten geworden sind.
Sie noch unmittelbar in Schuh zu nehmen, ist ein befremdliches Beginnen, das
wohl besser unterblieben wäre.

Wir haben darauf folgendes zu erwidern: Der Aufsah "Das Verleumdungs-
privilcgium des Angeklagten" hat Herrn Waare und Genossen nicht in Schuh ge¬
nommen; die betreffenden Personen sind dem Verfasser ebenso vollständig unbekannt
wie der Redakteur Fußangel, und ein Urteil darüber, ob sie in der Steuerfrage
korrekt gehandelt haben oder nicht, lag dem Aufsahe durchaus fern. Daß das
bisher in Preußen übliche Stcnereinschätzungsverfahren mangelhaft gewesen ist,
wird allseitig anerkannt; die von der Negierung befürwortete Änderung dieses
Verfahrens ist aus dieser Erkenntnis hervorgegangen. In dein Bochnmer Prozeß
war von dem Angeklagte" den Mitglieder" der Einschähungskvmmission der
Vorwurf gemacht wordeu, sie hätten wider besseres Wisse" ans politischer und
konfessioneller Parteilichkeit ihre Partei- und Konfessionsgcnossen zu niedrig ein¬
geschäht, während die Beweisaufnahme ergeben hat, daß ebensowohl Personen der
Gegenpartei zu niedrig eingeschätzt worden sind. Auch diesen ist es nicht eiuge-
fnlleu, gegen ihre Überschätzung zu Prvtestircn, ebensowenig aber dem Herrn Fu߬
angel, dem es nicht zu seinen Angriffe" Paßt, diese Thatsache zu erwähnen. Nicht
dagegen wandte sich der Aufsatz, daß eine in allen Beziehungen gerechte Besteue¬
rung mit den richtigen Mittel" herbeizuführe" nicht ein lobenswertes Unternehmen


Grenzboten III 1891 24

über — allens, und wenn ich morgens in mein Bett liege und nich mehr
steifen kann, dann muß ich mcinnichmal an die klein Manon denken, die in
meinen swarzen Anzug gestorben is, mitten mang die Aristokraten, wo sie doch
gar nich hingehörte, und mein swarzen Anzug gehörte da auch nich hin. Aber
es kommt allens anders, als man denkt."




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Zum Bochumer Prozeß.

Zu dem Aufsatz: „Das Verleumduugsprivilcgium
des Angeklagten" in Ur. 28 der Grenzboten schreibt uns ein Leser! In seiner
Verurteilung der angeführten Bestimmungen der Strafprozeßordnung ist dem Ver¬
fasser sicherlich beizustimmen. Aber er hat sich kein glückliches Beispiel gewählt.
Herr Waare und Genossen — das sollen doch wohl die „anständigen Männer"
sein, die Fußangel, „der hergelaufene Zeitungsschreiber," öffentlich beschimpft hat —
verdienen sie noch nach dem wider sie festgestellten uneingeschränkt die Bezeichnung
anständige Leute? Diese Dinge einmal beim rechten Namen genannt zu haben,
wenn auch in ausschreitender Form und aus sittlich nicht unanfechtbaren, ja be¬
denklichen Beweggründen, das sieht doch jeder Unbefangene als ein Verdienst des
Herrn Fußangel an. Und es ist recht und gut und eine Genugthuung für das
beleidigte Rechtsbewußtsein des Volkes, daß aus den Herren „Nebenklägern" in
Bochum im Laufe der Verhandlung die eigentlichen Angeklagten geworden sind.
Sie noch unmittelbar in Schuh zu nehmen, ist ein befremdliches Beginnen, das
wohl besser unterblieben wäre.

Wir haben darauf folgendes zu erwidern: Der Aufsah „Das Verleumdungs-
privilcgium des Angeklagten" hat Herrn Waare und Genossen nicht in Schuh ge¬
nommen; die betreffenden Personen sind dem Verfasser ebenso vollständig unbekannt
wie der Redakteur Fußangel, und ein Urteil darüber, ob sie in der Steuerfrage
korrekt gehandelt haben oder nicht, lag dem Aufsahe durchaus fern. Daß das
bisher in Preußen übliche Stcnereinschätzungsverfahren mangelhaft gewesen ist,
wird allseitig anerkannt; die von der Negierung befürwortete Änderung dieses
Verfahrens ist aus dieser Erkenntnis hervorgegangen. In dein Bochnmer Prozeß
war von dem Angeklagte« den Mitglieder» der Einschähungskvmmission der
Vorwurf gemacht wordeu, sie hätten wider besseres Wisse» ans politischer und
konfessioneller Parteilichkeit ihre Partei- und Konfessionsgcnossen zu niedrig ein¬
geschäht, während die Beweisaufnahme ergeben hat, daß ebensowohl Personen der
Gegenpartei zu niedrig eingeschätzt worden sind. Auch diesen ist es nicht eiuge-
fnlleu, gegen ihre Überschätzung zu Prvtestircn, ebensowenig aber dem Herrn Fu߬
angel, dem es nicht zu seinen Angriffe» Paßt, diese Thatsache zu erwähnen. Nicht
dagegen wandte sich der Aufsatz, daß eine in allen Beziehungen gerechte Besteue¬
rung mit den richtigen Mittel» herbeizuführe» nicht ein lobenswertes Unternehmen


Grenzboten III 1891 24
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/193>, abgerufen am 13.11.2024.