Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Korruption am Theater

gelegentlich seinen Besuch zu wiederholen, um sich nach dein Befinden des
"gnädigen Fräuleins" zu erkundigen. Die junge Dame sagt ebenso natürlich,
daß sie keine fremden Herrn zum Besuch empfangen dürfe, worauf sich der
Verehrer entfernt, nicht ohne vorher noch einmal um Entschuldigung für die
Freiheit seines Besuches gebeten zu haben. Das Mädchen glaubt nnn, die
Sache sei abgethan, und freut sich, einen so sichern und allem Anscheine nach
anständigen Verehrer ihrer Kunst nicht vor den Kopf gestoßen zu haben. Der
"anständige" Verehrer aber hat alles, was er braucht, nur dem armen Mädchen
nun eine Schlinge nach der andern um den Hals werfen zu können. Er hat
einen Briefumschlag, ans dem von der Hand der Dame seine Adresse geschrieben
steht; er besitzt die Photographie, auf die die Dame eigenhändig die Worte
"Zum fr. Andenken" und ihren Namen geschrieben hat; er ist persönlich von
ihr in ihrem Zimmer empfangen und freundlich entlassen worden -- was
branches noch mehr? Das nächste ist ein Strauß mit beigelegter Visitenkarte.
Selbstverständlich sendet die Dame ihre eigne Visitenkarte als Zeichen des
Dankes zurück. Daun kommt eine Begegnung auf der Straße. Der Knnst-
schwärmer tritt respektvoll heran und fragt, in welcher Richtung die Dame
gehe, und bittet um die Erlaubnis, sie einige Schritte begleiten zu dürfen.
Aus deu paar Schritte" wird ein Spaziergang von eiuer halben Stunde, und
diese halbe Stunde wird weidlich ausgenutzt, durch Komplimente aller Art
dem ausersehenen Opfer den Kopf zu verdrehen. Ein solcher Spaziergang
bleibt aber nicht unbemerkt. Beiderseitige Bekannte begegnen dein Paar, und
des Abends wird die Dame in der Garderobe und der Herr nach der Vor¬
stellung beim Glase Wein oder Bier, jedes von seinen Bekannten zu der "Er¬
oberung" beglückwünscht, die es an dein andern gemacht hat. Das Mädchen
bestreitet natürlich jedes Vorhandensein einer nähern Beziehung, aber der flotte
"Kavalier" läßt seine Bekannten nicht ungern merken, daß ihm ein kleines
Techtelmechtel mit der niedlichen "Krabbe" für eine Saison einen ganz an¬
genehmen Zeitvertreib gewähren würde. "Die Kleine ist wirklich allerliebst
und noch so naiv, sie ist köstlich; habe lange kein so nettes Mädel gesehen,
habe einstweilen Beschlag drauf gelegt, daß mir kein andrer zuvorkommt.
Gefahr ist keine dabei, denn sie hat mir selbst erzählt, daß sie für nächste
Saison bereits an ein andres Theater eine" Vertrag abgeschlossen hat, also
wenn das Theater hier zu Ende ist, geht sie wieder weg, und da hat mau
doch keine Last davon." So ungefähr ist der Standpunkt der beiden Parteien,
und nun mag sich der Leser selber ausmalen, wie die Geschichte weitergeht.

Aber es find nicht allein die "Kavaliere" aus dem Publikum, die deu
Schönen vom Theater nachstellen. Es thun das auch die Kollegen, und
diese habe:? leichteres Spiel. Zunächst schlagen sie meist einen Ton gemeiner
Vertraulichkeit an, namentlich gegen Neuaukommeude. Ist erst die persönliche
Bekanntschaft gemacht, so pflegen die ältern Kollegen, d. h. die Herren, als-


Die Korruption am Theater

gelegentlich seinen Besuch zu wiederholen, um sich nach dein Befinden des
„gnädigen Fräuleins" zu erkundigen. Die junge Dame sagt ebenso natürlich,
daß sie keine fremden Herrn zum Besuch empfangen dürfe, worauf sich der
Verehrer entfernt, nicht ohne vorher noch einmal um Entschuldigung für die
Freiheit seines Besuches gebeten zu haben. Das Mädchen glaubt nnn, die
Sache sei abgethan, und freut sich, einen so sichern und allem Anscheine nach
anständigen Verehrer ihrer Kunst nicht vor den Kopf gestoßen zu haben. Der
„anständige" Verehrer aber hat alles, was er braucht, nur dem armen Mädchen
nun eine Schlinge nach der andern um den Hals werfen zu können. Er hat
einen Briefumschlag, ans dem von der Hand der Dame seine Adresse geschrieben
steht; er besitzt die Photographie, auf die die Dame eigenhändig die Worte
„Zum fr. Andenken" und ihren Namen geschrieben hat; er ist persönlich von
ihr in ihrem Zimmer empfangen und freundlich entlassen worden — was
branches noch mehr? Das nächste ist ein Strauß mit beigelegter Visitenkarte.
Selbstverständlich sendet die Dame ihre eigne Visitenkarte als Zeichen des
Dankes zurück. Daun kommt eine Begegnung auf der Straße. Der Knnst-
schwärmer tritt respektvoll heran und fragt, in welcher Richtung die Dame
gehe, und bittet um die Erlaubnis, sie einige Schritte begleiten zu dürfen.
Aus deu paar Schritte» wird ein Spaziergang von eiuer halben Stunde, und
diese halbe Stunde wird weidlich ausgenutzt, durch Komplimente aller Art
dem ausersehenen Opfer den Kopf zu verdrehen. Ein solcher Spaziergang
bleibt aber nicht unbemerkt. Beiderseitige Bekannte begegnen dein Paar, und
des Abends wird die Dame in der Garderobe und der Herr nach der Vor¬
stellung beim Glase Wein oder Bier, jedes von seinen Bekannten zu der „Er¬
oberung" beglückwünscht, die es an dein andern gemacht hat. Das Mädchen
bestreitet natürlich jedes Vorhandensein einer nähern Beziehung, aber der flotte
„Kavalier" läßt seine Bekannten nicht ungern merken, daß ihm ein kleines
Techtelmechtel mit der niedlichen „Krabbe" für eine Saison einen ganz an¬
genehmen Zeitvertreib gewähren würde. „Die Kleine ist wirklich allerliebst
und noch so naiv, sie ist köstlich; habe lange kein so nettes Mädel gesehen,
habe einstweilen Beschlag drauf gelegt, daß mir kein andrer zuvorkommt.
Gefahr ist keine dabei, denn sie hat mir selbst erzählt, daß sie für nächste
Saison bereits an ein andres Theater eine» Vertrag abgeschlossen hat, also
wenn das Theater hier zu Ende ist, geht sie wieder weg, und da hat mau
doch keine Last davon." So ungefähr ist der Standpunkt der beiden Parteien,
und nun mag sich der Leser selber ausmalen, wie die Geschichte weitergeht.

Aber es find nicht allein die „Kavaliere" aus dem Publikum, die deu
Schönen vom Theater nachstellen. Es thun das auch die Kollegen, und
diese habe:? leichteres Spiel. Zunächst schlagen sie meist einen Ton gemeiner
Vertraulichkeit an, namentlich gegen Neuaukommeude. Ist erst die persönliche
Bekanntschaft gemacht, so pflegen die ältern Kollegen, d. h. die Herren, als-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0182" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/289950"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Korruption am Theater</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_502" prev="#ID_501"> gelegentlich seinen Besuch zu wiederholen, um sich nach dein Befinden des<lb/>
&#x201E;gnädigen Fräuleins" zu erkundigen. Die junge Dame sagt ebenso natürlich,<lb/>
daß sie keine fremden Herrn zum Besuch empfangen dürfe, worauf sich der<lb/>
Verehrer entfernt, nicht ohne vorher noch einmal um Entschuldigung für die<lb/>
Freiheit seines Besuches gebeten zu haben. Das Mädchen glaubt nnn, die<lb/>
Sache sei abgethan, und freut sich, einen so sichern und allem Anscheine nach<lb/>
anständigen Verehrer ihrer Kunst nicht vor den Kopf gestoßen zu haben. Der<lb/>
&#x201E;anständige" Verehrer aber hat alles, was er braucht, nur dem armen Mädchen<lb/>
nun eine Schlinge nach der andern um den Hals werfen zu können. Er hat<lb/>
einen Briefumschlag, ans dem von der Hand der Dame seine Adresse geschrieben<lb/>
steht; er besitzt die Photographie, auf die die Dame eigenhändig die Worte<lb/>
&#x201E;Zum fr. Andenken" und ihren Namen geschrieben hat; er ist persönlich von<lb/>
ihr in ihrem Zimmer empfangen und freundlich entlassen worden &#x2014; was<lb/>
branches noch mehr? Das nächste ist ein Strauß mit beigelegter Visitenkarte.<lb/>
Selbstverständlich sendet die Dame ihre eigne Visitenkarte als Zeichen des<lb/>
Dankes zurück. Daun kommt eine Begegnung auf der Straße. Der Knnst-<lb/>
schwärmer tritt respektvoll heran und fragt, in welcher Richtung die Dame<lb/>
gehe, und bittet um die Erlaubnis, sie einige Schritte begleiten zu dürfen.<lb/>
Aus deu paar Schritte» wird ein Spaziergang von eiuer halben Stunde, und<lb/>
diese halbe Stunde wird weidlich ausgenutzt, durch Komplimente aller Art<lb/>
dem ausersehenen Opfer den Kopf zu verdrehen. Ein solcher Spaziergang<lb/>
bleibt aber nicht unbemerkt. Beiderseitige Bekannte begegnen dein Paar, und<lb/>
des Abends wird die Dame in der Garderobe und der Herr nach der Vor¬<lb/>
stellung beim Glase Wein oder Bier, jedes von seinen Bekannten zu der &#x201E;Er¬<lb/>
oberung" beglückwünscht, die es an dein andern gemacht hat. Das Mädchen<lb/>
bestreitet natürlich jedes Vorhandensein einer nähern Beziehung, aber der flotte<lb/>
&#x201E;Kavalier" läßt seine Bekannten nicht ungern merken, daß ihm ein kleines<lb/>
Techtelmechtel mit der niedlichen &#x201E;Krabbe" für eine Saison einen ganz an¬<lb/>
genehmen Zeitvertreib gewähren würde. &#x201E;Die Kleine ist wirklich allerliebst<lb/>
und noch so naiv, sie ist köstlich; habe lange kein so nettes Mädel gesehen,<lb/>
habe einstweilen Beschlag drauf gelegt, daß mir kein andrer zuvorkommt.<lb/>
Gefahr ist keine dabei, denn sie hat mir selbst erzählt, daß sie für nächste<lb/>
Saison bereits an ein andres Theater eine» Vertrag abgeschlossen hat, also<lb/>
wenn das Theater hier zu Ende ist, geht sie wieder weg, und da hat mau<lb/>
doch keine Last davon." So ungefähr ist der Standpunkt der beiden Parteien,<lb/>
und nun mag sich der Leser selber ausmalen, wie die Geschichte weitergeht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_503" next="#ID_504"> Aber es find nicht allein die &#x201E;Kavaliere" aus dem Publikum, die deu<lb/>
Schönen vom Theater nachstellen. Es thun das auch die Kollegen, und<lb/>
diese habe:? leichteres Spiel. Zunächst schlagen sie meist einen Ton gemeiner<lb/>
Vertraulichkeit an, namentlich gegen Neuaukommeude. Ist erst die persönliche<lb/>
Bekanntschaft gemacht, so pflegen die ältern Kollegen, d. h. die Herren, als-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0182] Die Korruption am Theater gelegentlich seinen Besuch zu wiederholen, um sich nach dein Befinden des „gnädigen Fräuleins" zu erkundigen. Die junge Dame sagt ebenso natürlich, daß sie keine fremden Herrn zum Besuch empfangen dürfe, worauf sich der Verehrer entfernt, nicht ohne vorher noch einmal um Entschuldigung für die Freiheit seines Besuches gebeten zu haben. Das Mädchen glaubt nnn, die Sache sei abgethan, und freut sich, einen so sichern und allem Anscheine nach anständigen Verehrer ihrer Kunst nicht vor den Kopf gestoßen zu haben. Der „anständige" Verehrer aber hat alles, was er braucht, nur dem armen Mädchen nun eine Schlinge nach der andern um den Hals werfen zu können. Er hat einen Briefumschlag, ans dem von der Hand der Dame seine Adresse geschrieben steht; er besitzt die Photographie, auf die die Dame eigenhändig die Worte „Zum fr. Andenken" und ihren Namen geschrieben hat; er ist persönlich von ihr in ihrem Zimmer empfangen und freundlich entlassen worden — was branches noch mehr? Das nächste ist ein Strauß mit beigelegter Visitenkarte. Selbstverständlich sendet die Dame ihre eigne Visitenkarte als Zeichen des Dankes zurück. Daun kommt eine Begegnung auf der Straße. Der Knnst- schwärmer tritt respektvoll heran und fragt, in welcher Richtung die Dame gehe, und bittet um die Erlaubnis, sie einige Schritte begleiten zu dürfen. Aus deu paar Schritte» wird ein Spaziergang von eiuer halben Stunde, und diese halbe Stunde wird weidlich ausgenutzt, durch Komplimente aller Art dem ausersehenen Opfer den Kopf zu verdrehen. Ein solcher Spaziergang bleibt aber nicht unbemerkt. Beiderseitige Bekannte begegnen dein Paar, und des Abends wird die Dame in der Garderobe und der Herr nach der Vor¬ stellung beim Glase Wein oder Bier, jedes von seinen Bekannten zu der „Er¬ oberung" beglückwünscht, die es an dein andern gemacht hat. Das Mädchen bestreitet natürlich jedes Vorhandensein einer nähern Beziehung, aber der flotte „Kavalier" läßt seine Bekannten nicht ungern merken, daß ihm ein kleines Techtelmechtel mit der niedlichen „Krabbe" für eine Saison einen ganz an¬ genehmen Zeitvertreib gewähren würde. „Die Kleine ist wirklich allerliebst und noch so naiv, sie ist köstlich; habe lange kein so nettes Mädel gesehen, habe einstweilen Beschlag drauf gelegt, daß mir kein andrer zuvorkommt. Gefahr ist keine dabei, denn sie hat mir selbst erzählt, daß sie für nächste Saison bereits an ein andres Theater eine» Vertrag abgeschlossen hat, also wenn das Theater hier zu Ende ist, geht sie wieder weg, und da hat mau doch keine Last davon." So ungefähr ist der Standpunkt der beiden Parteien, und nun mag sich der Leser selber ausmalen, wie die Geschichte weitergeht. Aber es find nicht allein die „Kavaliere" aus dem Publikum, die deu Schönen vom Theater nachstellen. Es thun das auch die Kollegen, und diese habe:? leichteres Spiel. Zunächst schlagen sie meist einen Ton gemeiner Vertraulichkeit an, namentlich gegen Neuaukommeude. Ist erst die persönliche Bekanntschaft gemacht, so pflegen die ältern Kollegen, d. h. die Herren, als-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/182
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/182>, abgerufen am 26.08.2024.