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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Der Lcindivucher

in solche Geschäfte einzulassen, so wird man doch nicht leugnen können,
daß hier Wucher vorliegt. Einer Anwendung des Wucherparagraphen 302.1.
des Strafgesetzbuchs steht nur der Umstand entgegen, daß die unter Aus¬
beutung der Notlage, des Leichtsinns und der Unerfahrenheit des Bauern E.
den Geschäftsleuten M. und N. versprochenen Vermögensvorteile, insbesondre
die 1650 Mark Provision sür sie selbst und ihren Uuteragenten D. -- neben
den nach sonstigem Geschästsgebrauche üblichen 2 Prozent und neben der
Verzinsung der baren Vorschüsse mit 4 Prozent -- zwar in einem auf¬
fälligen Mißverhältnis zu den mit gar keinem eignen Risiko verbundenen
Leistungen der Wucherer stehen, aber nicht ausdrücklich für ein Darlehen oder
die Stundung einer Geldfordcrung gewährt worden sind. Trotzdem ist gerade
die dem E. nötige vorübergehende Geldbeschaffung die Ursache gewesen, wes¬
halb er geglaubt hat, seinen Verkaufsplan nicht lediglich mit Hilfe eines wohl¬
wollenden RcchtSanwalts oder des Amtsgerichts zur Ausführung bringen zu
können, obwohl diese die ihm nicht geläufigen Förmlichkeiten doch zu seiner
Zufriedenheit abgewickelt hätte". Darum hat er lieber solchen Leuten wie M.
und N. eine so bedeutende Summe in den Rachen geworfen, wodurch ihm und
seiner Familie ein beträchtlicher Teil seines Vermögens auf Nimmerwieder¬
sehen entzogen worden ist. Stünden in 302^ hinter den Worten "für ein
Darlehen oder im Falle der Stundung einer Geldforderuug" noch die Worte
"oder bei andern Geldgeschäften," so würde sicherlich jedes Gericht einen straf¬
baren Wucher annehmen. Diese Änderung des Gesetzes würde auch die Fälle
mitnmfassen, wo der Wucher bei der Abtretung von Forderungen verübt wird,
wie es auch bei unserm Gntsverkanf nebenher geschehen ist. Ich halte den
Ausdruck "bei andern Geldgeschäften" anch keineswegs für zu unbestimmt, um
die Grundlage eines Strafgesetzes zu bilden. Ob er ausreichen würde, jedem
Landwucher zu steuern, vermag ich nicht zu übersehen. Wenn man ihn aber
noch nicht für ausreichend hielte, so könnte man zunächst noch die auf die
Gütermäkelei besonders sich beziehenden Worte zusetzen: "oder bei Geschäften,
die sich auf die Vermittlung oder Besorgung von Grundstücksverkäufen be¬
ziehen." Dann wären hinter den Worten "den üblichen Zinsfuß" die Worte
zuzusetzen: "oder die übliche Vergütung." Daß ich nicht schon in dem billige"
Kaufe eines Grundstücks mit darauffolgenden teuern Verkauf einen durch das
Gesetz zu verfolgenden Wucher erblicken kann, habe ich schon dargelegt. Im
übrigen ist unserm Richterstande wohl zuzutrauen, daß er unter Berücksichtigung
der Worte "in auffälligen Mißverhältnis" und uach dein Grundsatze in äuvio
xrc" roo nur solche Vorgänge für strafwürdig erklären wird, die das Merkmal
der Ausbeutung ganz klar erkennen lassen, wobei das vom Geldgeber über¬
nommene Wagnis und seine persönlichen Bemühungen Beachtung finden müssen.
Man konnte also weder von drakonischer Strenge eines solchen erweiterten Ge¬
setzes reden, noch behaupten, daß der redliche Geschäftsverkehr und unsre ge-


Greuzbvten UI 1891 21
Der Lcindivucher

in solche Geschäfte einzulassen, so wird man doch nicht leugnen können,
daß hier Wucher vorliegt. Einer Anwendung des Wucherparagraphen 302.1.
des Strafgesetzbuchs steht nur der Umstand entgegen, daß die unter Aus¬
beutung der Notlage, des Leichtsinns und der Unerfahrenheit des Bauern E.
den Geschäftsleuten M. und N. versprochenen Vermögensvorteile, insbesondre
die 1650 Mark Provision sür sie selbst und ihren Uuteragenten D. — neben
den nach sonstigem Geschästsgebrauche üblichen 2 Prozent und neben der
Verzinsung der baren Vorschüsse mit 4 Prozent — zwar in einem auf¬
fälligen Mißverhältnis zu den mit gar keinem eignen Risiko verbundenen
Leistungen der Wucherer stehen, aber nicht ausdrücklich für ein Darlehen oder
die Stundung einer Geldfordcrung gewährt worden sind. Trotzdem ist gerade
die dem E. nötige vorübergehende Geldbeschaffung die Ursache gewesen, wes¬
halb er geglaubt hat, seinen Verkaufsplan nicht lediglich mit Hilfe eines wohl¬
wollenden RcchtSanwalts oder des Amtsgerichts zur Ausführung bringen zu
können, obwohl diese die ihm nicht geläufigen Förmlichkeiten doch zu seiner
Zufriedenheit abgewickelt hätte». Darum hat er lieber solchen Leuten wie M.
und N. eine so bedeutende Summe in den Rachen geworfen, wodurch ihm und
seiner Familie ein beträchtlicher Teil seines Vermögens auf Nimmerwieder¬
sehen entzogen worden ist. Stünden in 302^ hinter den Worten „für ein
Darlehen oder im Falle der Stundung einer Geldforderuug" noch die Worte
„oder bei andern Geldgeschäften," so würde sicherlich jedes Gericht einen straf¬
baren Wucher annehmen. Diese Änderung des Gesetzes würde auch die Fälle
mitnmfassen, wo der Wucher bei der Abtretung von Forderungen verübt wird,
wie es auch bei unserm Gntsverkanf nebenher geschehen ist. Ich halte den
Ausdruck „bei andern Geldgeschäften" anch keineswegs für zu unbestimmt, um
die Grundlage eines Strafgesetzes zu bilden. Ob er ausreichen würde, jedem
Landwucher zu steuern, vermag ich nicht zu übersehen. Wenn man ihn aber
noch nicht für ausreichend hielte, so könnte man zunächst noch die auf die
Gütermäkelei besonders sich beziehenden Worte zusetzen: „oder bei Geschäften,
die sich auf die Vermittlung oder Besorgung von Grundstücksverkäufen be¬
ziehen." Dann wären hinter den Worten „den üblichen Zinsfuß" die Worte
zuzusetzen: „oder die übliche Vergütung." Daß ich nicht schon in dem billige»
Kaufe eines Grundstücks mit darauffolgenden teuern Verkauf einen durch das
Gesetz zu verfolgenden Wucher erblicken kann, habe ich schon dargelegt. Im
übrigen ist unserm Richterstande wohl zuzutrauen, daß er unter Berücksichtigung
der Worte „in auffälligen Mißverhältnis" und uach dein Grundsatze in äuvio
xrc» roo nur solche Vorgänge für strafwürdig erklären wird, die das Merkmal
der Ausbeutung ganz klar erkennen lassen, wobei das vom Geldgeber über¬
nommene Wagnis und seine persönlichen Bemühungen Beachtung finden müssen.
Man konnte also weder von drakonischer Strenge eines solchen erweiterten Ge¬
setzes reden, noch behaupten, daß der redliche Geschäftsverkehr und unsre ge-


Greuzbvten UI 1891 21
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[0169] Der Lcindivucher in solche Geschäfte einzulassen, so wird man doch nicht leugnen können, daß hier Wucher vorliegt. Einer Anwendung des Wucherparagraphen 302.1. des Strafgesetzbuchs steht nur der Umstand entgegen, daß die unter Aus¬ beutung der Notlage, des Leichtsinns und der Unerfahrenheit des Bauern E. den Geschäftsleuten M. und N. versprochenen Vermögensvorteile, insbesondre die 1650 Mark Provision sür sie selbst und ihren Uuteragenten D. — neben den nach sonstigem Geschästsgebrauche üblichen 2 Prozent und neben der Verzinsung der baren Vorschüsse mit 4 Prozent — zwar in einem auf¬ fälligen Mißverhältnis zu den mit gar keinem eignen Risiko verbundenen Leistungen der Wucherer stehen, aber nicht ausdrücklich für ein Darlehen oder die Stundung einer Geldfordcrung gewährt worden sind. Trotzdem ist gerade die dem E. nötige vorübergehende Geldbeschaffung die Ursache gewesen, wes¬ halb er geglaubt hat, seinen Verkaufsplan nicht lediglich mit Hilfe eines wohl¬ wollenden RcchtSanwalts oder des Amtsgerichts zur Ausführung bringen zu können, obwohl diese die ihm nicht geläufigen Förmlichkeiten doch zu seiner Zufriedenheit abgewickelt hätte». Darum hat er lieber solchen Leuten wie M. und N. eine so bedeutende Summe in den Rachen geworfen, wodurch ihm und seiner Familie ein beträchtlicher Teil seines Vermögens auf Nimmerwieder¬ sehen entzogen worden ist. Stünden in 302^ hinter den Worten „für ein Darlehen oder im Falle der Stundung einer Geldforderuug" noch die Worte „oder bei andern Geldgeschäften," so würde sicherlich jedes Gericht einen straf¬ baren Wucher annehmen. Diese Änderung des Gesetzes würde auch die Fälle mitnmfassen, wo der Wucher bei der Abtretung von Forderungen verübt wird, wie es auch bei unserm Gntsverkanf nebenher geschehen ist. Ich halte den Ausdruck „bei andern Geldgeschäften" anch keineswegs für zu unbestimmt, um die Grundlage eines Strafgesetzes zu bilden. Ob er ausreichen würde, jedem Landwucher zu steuern, vermag ich nicht zu übersehen. Wenn man ihn aber noch nicht für ausreichend hielte, so könnte man zunächst noch die auf die Gütermäkelei besonders sich beziehenden Worte zusetzen: „oder bei Geschäften, die sich auf die Vermittlung oder Besorgung von Grundstücksverkäufen be¬ ziehen." Dann wären hinter den Worten „den üblichen Zinsfuß" die Worte zuzusetzen: „oder die übliche Vergütung." Daß ich nicht schon in dem billige» Kaufe eines Grundstücks mit darauffolgenden teuern Verkauf einen durch das Gesetz zu verfolgenden Wucher erblicken kann, habe ich schon dargelegt. Im übrigen ist unserm Richterstande wohl zuzutrauen, daß er unter Berücksichtigung der Worte „in auffälligen Mißverhältnis" und uach dein Grundsatze in äuvio xrc» roo nur solche Vorgänge für strafwürdig erklären wird, die das Merkmal der Ausbeutung ganz klar erkennen lassen, wobei das vom Geldgeber über¬ nommene Wagnis und seine persönlichen Bemühungen Beachtung finden müssen. Man konnte also weder von drakonischer Strenge eines solchen erweiterten Ge¬ setzes reden, noch behaupten, daß der redliche Geschäftsverkehr und unsre ge- Greuzbvten UI 1891 21

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/169>, abgerufen am 26.08.2024.