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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Der Landwncher

sollten die Parzclleulaufer sich nicht an sie halte" können, sondern nnr "IN E.
selbst, der die Verträge mit ihnen geschlossen hatte, während M. und N.
doch noch den Vertrag in der Tasche hatten, nach dem sie selbst das ganze
Gut beanspruchen konnten. Zwei Stricke hatte man also dem Opferticr um
den Hals gelegt, den einen durch Erwerbung der Gutsschuldfvrderuugeu, den
andern durch den Vertrag. Daß bei dessen eigentümlicher Bedeutung nicht
M. und N., sondern vielmehr E. alle Kosten für die Regelung des Hypotheken-
Wesens zu tragen hatte -- man kam dabei nachher ans etwa 87 Mark -- war
nichts besonders Auffälliges. Aber auch für den Zutreiber D. mußte noch
1 Prozent von dem Gewinn der eigentlichen Macher, also 150 Mark, abfallen,
zu deren Gewährung sich E. much verpflichtete. D. mußte ja auch, da M.
und N. ihren Wohnsitz ziemlich weit entfernt in ihrer Großstadt hatten, als
Aufpasser darüber wachen, daß "nichts Passire."

Nachdem sich E. dnrch den "Kaufvertrag" gebunden hatte, war das
nächste: Verkauf des sämtlichen toten und lebenden Wirtschaftsbeilasses dnrch
öffentliche Versteigerung, die M. und N. selbst besorgten. Bevor also fest¬
stand, ob nicht das ganze Gut mit Inventar an einen geeigneten Landwirt
verkauft werden könnte oder ob, wenn auch in Parzellen, überhaupt das ganze
Besitztum an den Mann zu bringen wäre oder nicht, bevor also Sicherheit
darüber bestand, daß nicht E. einen Teil der Wirtschaft behalten und zunächst
doch als Landwirt noch fvrtwirtschaften müßte, beraubte man ihn, mit seiner
Zustimmung, der Möglichkeit dazu oder erschwerte es wenigstens. Die
Schiffe wurden verbrannt, indem Schiff und Geschirr vom Gut herunter¬
gebracht wurden. Auch hier ließen sich übrigens die "jüdischen Mitbürger"
schlankweg von den Käufern der Wirtschaftssachen, die etwa 1300 Mark ein¬
brachten, 3^ Prozent vom Kaufpreis als Zählgroschen (zehn Pfennige auf
drei Mark) für diese besondre Mühewaltung zulegen. Den Erlös erhielt
natürlich nicht der Besitzer, sondern er verblieb unter Vorbehalt der immer
als Zukunftsbild, vorläufig in den Wolken, sich zeigenden endgiltigen Abrech¬
nung in den Händen der Mittelsmänner, die dem Bauer nur vorschußweise
so viel auszahlten, als er und die Familie zum Leben brauchten. Denn die
Kuh, die noch genutzt werden soll, muß bis zum Schlachten gefüttert werden.

Endlich wurde auch an die Losschlagung des Landbesitzes gegangen.
Aber trotz aller Bemühungen, die angeblich von der Gegenseite angestellt
wurden, glückte es den Geschäftsmännern nur, zwei größere Teilstücke ange¬
messen zu verkaufe", während E. selbst noch für zwei kleinere zwei Käufer
fand, sodaß im ganzen etwa mir die Hälfte des Grundbesitzes ohne die Hof¬
stelle veräußert und dafür im ganzen (einschließlich der Zählgroschen von
zwei Prozent und der von den Käufern bis zur Auflassung zu zahlenden
Kaufschillingszinsen) 14170 Mark gelöst wurden. Es paßte den Mittelsmänner"
offenbar nicht in den Kram, so viel Land zu verkaufen, daß ihre sämtlichen


Der Landwncher

sollten die Parzclleulaufer sich nicht an sie halte» können, sondern nnr «IN E.
selbst, der die Verträge mit ihnen geschlossen hatte, während M. und N.
doch noch den Vertrag in der Tasche hatten, nach dem sie selbst das ganze
Gut beanspruchen konnten. Zwei Stricke hatte man also dem Opferticr um
den Hals gelegt, den einen durch Erwerbung der Gutsschuldfvrderuugeu, den
andern durch den Vertrag. Daß bei dessen eigentümlicher Bedeutung nicht
M. und N., sondern vielmehr E. alle Kosten für die Regelung des Hypotheken-
Wesens zu tragen hatte — man kam dabei nachher ans etwa 87 Mark — war
nichts besonders Auffälliges. Aber auch für den Zutreiber D. mußte noch
1 Prozent von dem Gewinn der eigentlichen Macher, also 150 Mark, abfallen,
zu deren Gewährung sich E. much verpflichtete. D. mußte ja auch, da M.
und N. ihren Wohnsitz ziemlich weit entfernt in ihrer Großstadt hatten, als
Aufpasser darüber wachen, daß „nichts Passire."

Nachdem sich E. dnrch den „Kaufvertrag" gebunden hatte, war das
nächste: Verkauf des sämtlichen toten und lebenden Wirtschaftsbeilasses dnrch
öffentliche Versteigerung, die M. und N. selbst besorgten. Bevor also fest¬
stand, ob nicht das ganze Gut mit Inventar an einen geeigneten Landwirt
verkauft werden könnte oder ob, wenn auch in Parzellen, überhaupt das ganze
Besitztum an den Mann zu bringen wäre oder nicht, bevor also Sicherheit
darüber bestand, daß nicht E. einen Teil der Wirtschaft behalten und zunächst
doch als Landwirt noch fvrtwirtschaften müßte, beraubte man ihn, mit seiner
Zustimmung, der Möglichkeit dazu oder erschwerte es wenigstens. Die
Schiffe wurden verbrannt, indem Schiff und Geschirr vom Gut herunter¬
gebracht wurden. Auch hier ließen sich übrigens die „jüdischen Mitbürger"
schlankweg von den Käufern der Wirtschaftssachen, die etwa 1300 Mark ein¬
brachten, 3^ Prozent vom Kaufpreis als Zählgroschen (zehn Pfennige auf
drei Mark) für diese besondre Mühewaltung zulegen. Den Erlös erhielt
natürlich nicht der Besitzer, sondern er verblieb unter Vorbehalt der immer
als Zukunftsbild, vorläufig in den Wolken, sich zeigenden endgiltigen Abrech¬
nung in den Händen der Mittelsmänner, die dem Bauer nur vorschußweise
so viel auszahlten, als er und die Familie zum Leben brauchten. Denn die
Kuh, die noch genutzt werden soll, muß bis zum Schlachten gefüttert werden.

Endlich wurde auch an die Losschlagung des Landbesitzes gegangen.
Aber trotz aller Bemühungen, die angeblich von der Gegenseite angestellt
wurden, glückte es den Geschäftsmännern nur, zwei größere Teilstücke ange¬
messen zu verkaufe», während E. selbst noch für zwei kleinere zwei Käufer
fand, sodaß im ganzen etwa mir die Hälfte des Grundbesitzes ohne die Hof¬
stelle veräußert und dafür im ganzen (einschließlich der Zählgroschen von
zwei Prozent und der von den Käufern bis zur Auflassung zu zahlenden
Kaufschillingszinsen) 14170 Mark gelöst wurden. Es paßte den Mittelsmänner»
offenbar nicht in den Kram, so viel Land zu verkaufen, daß ihre sämtlichen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/166>, abgerufen am 26.08.2024.