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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Aus dänischer Zeit

Wen" ich mich bloß denke, was Ehlers mich für bar Geld gekostet hat; erst
seine Schulden, und denn das Trauung und denn das Krankheit und denn
die Begräbnis, denn kaun ich rein swindlig werden! Ja, die Müuncrs, da
ist kein Verlaß auf! Und meinen ehrlichen Namen, der mich angetraut is
und der in Kirchenbuch steht, den krieg ich erst, wenn ich tot bin, da paß
man auf!"

Tante Feddersen hat Recht gehabt. Neulich war ich auf dem Kirchhof
der kleine" Stadt und suchte ihr Grab. Ich konnte es uicht finden und
wandte mich an den Totengräber. "Tante Feddersen liegt hier!" sagte er,
indem er mir einen Stein zeigte, auf dem stand: "Hier ruhet in Gott die
christliche Ehefrau und Witwe Dorothea Ehlers geb. Feddersen." Es that
mir doch leid, daß sie es uicht selber lesen konnte. Aber so ist es immer
mit der Erfüllung unsrer Wünsche. "Da ist kein Verlaß auf!" sagte Tante
Feddersen.


S. Was Mahlmann erzählte

"Is da was Gutes ein? Dann stell das Korb man hierhin und geh "ach
Hause!" So wurden wir von dem alten Mahlmann begrüßt, wenn wir ihm
einige Lebensmittel brachten. Er war steinalt und lag meistens im Bett, und
nur an besonders wariueu Sommertagen saß er auf der Bank vor seinem
winzigen Häuschen und ließ sich von der Sonue bescheinen. Hätte sich mich
unserm langweiligen Städtchen einmal ein Maler verirrt, so hätte er sicherlich
den scharfgeschnittenen Charakterkvpf des alten Mühlmann auf seine Leinwand
gebracht. Es war ein kluges Greisengesicht mit festgeschlossenen Lippen und
funkelnden Augen, deren Ausdruck so finster und beobachtend war, daß wir Kinder
sogar deu Eindruck gewannen, der alte Mahlmann sei anders als alle andern
Leute. Und das war er auch. Erstens bedankte er sich niemals, wenn man
ihm etwas Gutes zu essen brachte; er machte sogar noch seine Bemerkungen
über die empfangenen Wohlthaten. Wenn man ihm etwas brachte, was er
nicht mochte, so sagte er: "Geh man wieder nach Hause und sag dein Mutter,
der alte Mahlmann wäre kein Drangtvnne,") wo man alles einsmeist, was
"ich mehr zu essen ist. Brauchst auch nich wiederzukommen!"

Auf diese Weise verdarb es der alte Mahlmnun mit mancher braven
Hausfrau, sie verschwor sich hoch und heilig, dein abscheulichen alten Sünder
nichts mehr zu schicken. Aber Mahlmann machte sich nichts daraus, hier und
dort in Ungnade zu fallen. Er brauchte wenig zu seinem Leben, und was er
brauchte, wurde ihm noch immer gebracht.

Für mich hatte der alte Mann mit deu finstern Augen eine ganz besondre
'lnziehuugskraft. Ich glaube, es kam das daher, daß er mir einmal eine



Das Gcfnß, in das der Abfall für die Schweine geschüttet wird.
Aus dänischer Zeit

Wen» ich mich bloß denke, was Ehlers mich für bar Geld gekostet hat; erst
seine Schulden, und denn das Trauung und denn das Krankheit und denn
die Begräbnis, denn kaun ich rein swindlig werden! Ja, die Müuncrs, da
ist kein Verlaß auf! Und meinen ehrlichen Namen, der mich angetraut is
und der in Kirchenbuch steht, den krieg ich erst, wenn ich tot bin, da paß
man auf!"

Tante Feddersen hat Recht gehabt. Neulich war ich auf dem Kirchhof
der kleine» Stadt und suchte ihr Grab. Ich konnte es uicht finden und
wandte mich an den Totengräber. „Tante Feddersen liegt hier!" sagte er,
indem er mir einen Stein zeigte, auf dem stand: „Hier ruhet in Gott die
christliche Ehefrau und Witwe Dorothea Ehlers geb. Feddersen." Es that
mir doch leid, daß sie es uicht selber lesen konnte. Aber so ist es immer
mit der Erfüllung unsrer Wünsche. „Da ist kein Verlaß auf!" sagte Tante
Feddersen.


S. Was Mahlmann erzählte

„Is da was Gutes ein? Dann stell das Korb man hierhin und geh »ach
Hause!" So wurden wir von dem alten Mahlmann begrüßt, wenn wir ihm
einige Lebensmittel brachten. Er war steinalt und lag meistens im Bett, und
nur an besonders wariueu Sommertagen saß er auf der Bank vor seinem
winzigen Häuschen und ließ sich von der Sonue bescheinen. Hätte sich mich
unserm langweiligen Städtchen einmal ein Maler verirrt, so hätte er sicherlich
den scharfgeschnittenen Charakterkvpf des alten Mühlmann auf seine Leinwand
gebracht. Es war ein kluges Greisengesicht mit festgeschlossenen Lippen und
funkelnden Augen, deren Ausdruck so finster und beobachtend war, daß wir Kinder
sogar deu Eindruck gewannen, der alte Mahlmann sei anders als alle andern
Leute. Und das war er auch. Erstens bedankte er sich niemals, wenn man
ihm etwas Gutes zu essen brachte; er machte sogar noch seine Bemerkungen
über die empfangenen Wohlthaten. Wenn man ihm etwas brachte, was er
nicht mochte, so sagte er: „Geh man wieder nach Hause und sag dein Mutter,
der alte Mahlmann wäre kein Drangtvnne,") wo man alles einsmeist, was
»ich mehr zu essen ist. Brauchst auch nich wiederzukommen!"

Auf diese Weise verdarb es der alte Mahlmnun mit mancher braven
Hausfrau, sie verschwor sich hoch und heilig, dein abscheulichen alten Sünder
nichts mehr zu schicken. Aber Mahlmann machte sich nichts daraus, hier und
dort in Ungnade zu fallen. Er brauchte wenig zu seinem Leben, und was er
brauchte, wurde ihm noch immer gebracht.

Für mich hatte der alte Mann mit deu finstern Augen eine ganz besondre
'lnziehuugskraft. Ich glaube, es kam das daher, daß er mir einmal eine



Das Gcfnß, in das der Abfall für die Schweine geschüttet wird.
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[0141] Aus dänischer Zeit Wen» ich mich bloß denke, was Ehlers mich für bar Geld gekostet hat; erst seine Schulden, und denn das Trauung und denn das Krankheit und denn die Begräbnis, denn kaun ich rein swindlig werden! Ja, die Müuncrs, da ist kein Verlaß auf! Und meinen ehrlichen Namen, der mich angetraut is und der in Kirchenbuch steht, den krieg ich erst, wenn ich tot bin, da paß man auf!" Tante Feddersen hat Recht gehabt. Neulich war ich auf dem Kirchhof der kleine» Stadt und suchte ihr Grab. Ich konnte es uicht finden und wandte mich an den Totengräber. „Tante Feddersen liegt hier!" sagte er, indem er mir einen Stein zeigte, auf dem stand: „Hier ruhet in Gott die christliche Ehefrau und Witwe Dorothea Ehlers geb. Feddersen." Es that mir doch leid, daß sie es uicht selber lesen konnte. Aber so ist es immer mit der Erfüllung unsrer Wünsche. „Da ist kein Verlaß auf!" sagte Tante Feddersen. S. Was Mahlmann erzählte „Is da was Gutes ein? Dann stell das Korb man hierhin und geh »ach Hause!" So wurden wir von dem alten Mahlmann begrüßt, wenn wir ihm einige Lebensmittel brachten. Er war steinalt und lag meistens im Bett, und nur an besonders wariueu Sommertagen saß er auf der Bank vor seinem winzigen Häuschen und ließ sich von der Sonue bescheinen. Hätte sich mich unserm langweiligen Städtchen einmal ein Maler verirrt, so hätte er sicherlich den scharfgeschnittenen Charakterkvpf des alten Mühlmann auf seine Leinwand gebracht. Es war ein kluges Greisengesicht mit festgeschlossenen Lippen und funkelnden Augen, deren Ausdruck so finster und beobachtend war, daß wir Kinder sogar deu Eindruck gewannen, der alte Mahlmann sei anders als alle andern Leute. Und das war er auch. Erstens bedankte er sich niemals, wenn man ihm etwas Gutes zu essen brachte; er machte sogar noch seine Bemerkungen über die empfangenen Wohlthaten. Wenn man ihm etwas brachte, was er nicht mochte, so sagte er: „Geh man wieder nach Hause und sag dein Mutter, der alte Mahlmann wäre kein Drangtvnne,") wo man alles einsmeist, was »ich mehr zu essen ist. Brauchst auch nich wiederzukommen!" Auf diese Weise verdarb es der alte Mahlmnun mit mancher braven Hausfrau, sie verschwor sich hoch und heilig, dein abscheulichen alten Sünder nichts mehr zu schicken. Aber Mahlmann machte sich nichts daraus, hier und dort in Ungnade zu fallen. Er brauchte wenig zu seinem Leben, und was er brauchte, wurde ihm noch immer gebracht. Für mich hatte der alte Mann mit deu finstern Augen eine ganz besondre 'lnziehuugskraft. Ich glaube, es kam das daher, daß er mir einmal eine Das Gcfnß, in das der Abfall für die Schweine geschüttet wird.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/141>, abgerufen am 13.11.2024.