Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
wer hat Recht?

Reihen irgend welchen Schaden anzurichten imstande wären, wird er sich wohl
nicht einreden.

Sollen nun die Arbeiterscharen als Feinde angesehen und behandelt, dem¬
nach unterdrückt werden -- sie auszurotten, geht nicht gut, sintemalen wir die
Maschinen noch nicht dazu gebracht haben, uns ohne Beihilfe von Menschen¬
hand alle Arbeiten zu leisten -- so wird die Wiederherstellung des Sozialisten¬
gesetzes uoch nicht hinreichen. Denn erstens hat dieses, wie niemand leugnen
kaun, die beabsichtigte Wirkung nicht gehabt, und zweitens ist es unmöglich,
den fünften bis vierten Teil der Bevölkerung dauernd unter ein Ausnahme¬
gesetz zu stelle". Man wird gründlicher verfahren müssen. Man wird sich
sagen müssen: der liberale Traum von der Gleichberechtigung aller Meuscheu
und von der Möglichkeit, alle Einwohner eines Landes zu Staatsbürgern zu
machen, war eben nur ein Traum. Freie Menschen wählen sich zu ihrem
Lebensberuf keine niedern Verrichtungen. Sollen die knechtischen Arbeiten
nicht angethan bleiben, so müssen eben Knechte da sein, die dazu gezwungen
werden können, und solche Knechte können weder Staatsbürger sein, noch eine
Partei im Staate bilden. Räumen wir also auf mit dein liberalen Aber¬
glauben und stellen wir die Knechtschaft wieder her! Knechte sind aber stets
zur Rebellion geneigt. Sollen sie nicht gefährlich werden, so muß ihnen der
Gedankenallstausch, der gegenseitige Verkehr unmöglich gemacht werden. Das
mächtigste Verkehrsmittel unsrer Zeit ist das gedruckte Wort; Knechte dürfen
daher weder lesen uoch schreiben lernen. Ans also, schließen wir die Volks¬
schule! Noch weniger darf man den Knechten im Schießen Unterricht geben
oder sie gar zur Vaterlandsverteidigung verwenden. Weg also mit der all¬
gemeinen Wehrpflicht, kehren wir zum Ritter- oder Söldnerheere zurück!

Wenn der Verfasser das gemeint hat, dann verstehe ich ihn, und dann
läßt sich mit ihm reden; denn ich weiß die Vorteile der Sklavenarbeit vor
der heutigen "freien" Arbeit zu schätzen und halte die heutige Antisklaverei-
bewegung für die dümmste aller Komödien, da doch alle Kenner von Land
Ulld Leuten darin einig sind, daß an die Bewirtschaftung unsrer neuen Be-
sitzungen in Afrika gar nicht zu denken ist, wenn wir die Neger nicht zwangs¬
weise zur Arbeit anhalte", d. h. also, wenn wir nicht irgend eine Art von
Leibeigenschaft einführen. Wie gesagt, falls der Verfasser das meint, dann
verstehe ich ihn, sonst aber nicht. Denn wenn die Arbeiter, die sozialdeinv-
lratisch wählen, persönlich frei und mit uus gleichberechtigte Staatsbürger
bleiben sollen, dann wird uns doch nichts andres übrig bleiben, als uns bald
über diesen, bald über jenen Streitpunkt mit ihnen auseinanderzusetzen. Wo
es sich um Parteien in einem Staate, um Glieder eiuunddesselben Volkes
handelt, da ist ein Kampf bis aufs Messer, ein Kampf auf Leben und Tod
ohne deu Versuch einer Verständigung ein Ding der Unmöglichkeit, jeder
Versuch aber, einen solche" heraufzubeschwören, Wahnsinn und Verbreche".


wer hat Recht?

Reihen irgend welchen Schaden anzurichten imstande wären, wird er sich wohl
nicht einreden.

Sollen nun die Arbeiterscharen als Feinde angesehen und behandelt, dem¬
nach unterdrückt werden — sie auszurotten, geht nicht gut, sintemalen wir die
Maschinen noch nicht dazu gebracht haben, uns ohne Beihilfe von Menschen¬
hand alle Arbeiten zu leisten — so wird die Wiederherstellung des Sozialisten¬
gesetzes uoch nicht hinreichen. Denn erstens hat dieses, wie niemand leugnen
kaun, die beabsichtigte Wirkung nicht gehabt, und zweitens ist es unmöglich,
den fünften bis vierten Teil der Bevölkerung dauernd unter ein Ausnahme¬
gesetz zu stelle«. Man wird gründlicher verfahren müssen. Man wird sich
sagen müssen: der liberale Traum von der Gleichberechtigung aller Meuscheu
und von der Möglichkeit, alle Einwohner eines Landes zu Staatsbürgern zu
machen, war eben nur ein Traum. Freie Menschen wählen sich zu ihrem
Lebensberuf keine niedern Verrichtungen. Sollen die knechtischen Arbeiten
nicht angethan bleiben, so müssen eben Knechte da sein, die dazu gezwungen
werden können, und solche Knechte können weder Staatsbürger sein, noch eine
Partei im Staate bilden. Räumen wir also auf mit dein liberalen Aber¬
glauben und stellen wir die Knechtschaft wieder her! Knechte sind aber stets
zur Rebellion geneigt. Sollen sie nicht gefährlich werden, so muß ihnen der
Gedankenallstausch, der gegenseitige Verkehr unmöglich gemacht werden. Das
mächtigste Verkehrsmittel unsrer Zeit ist das gedruckte Wort; Knechte dürfen
daher weder lesen uoch schreiben lernen. Ans also, schließen wir die Volks¬
schule! Noch weniger darf man den Knechten im Schießen Unterricht geben
oder sie gar zur Vaterlandsverteidigung verwenden. Weg also mit der all¬
gemeinen Wehrpflicht, kehren wir zum Ritter- oder Söldnerheere zurück!

Wenn der Verfasser das gemeint hat, dann verstehe ich ihn, und dann
läßt sich mit ihm reden; denn ich weiß die Vorteile der Sklavenarbeit vor
der heutigen „freien" Arbeit zu schätzen und halte die heutige Antisklaverei-
bewegung für die dümmste aller Komödien, da doch alle Kenner von Land
Ulld Leuten darin einig sind, daß an die Bewirtschaftung unsrer neuen Be-
sitzungen in Afrika gar nicht zu denken ist, wenn wir die Neger nicht zwangs¬
weise zur Arbeit anhalte», d. h. also, wenn wir nicht irgend eine Art von
Leibeigenschaft einführen. Wie gesagt, falls der Verfasser das meint, dann
verstehe ich ihn, sonst aber nicht. Denn wenn die Arbeiter, die sozialdeinv-
lratisch wählen, persönlich frei und mit uus gleichberechtigte Staatsbürger
bleiben sollen, dann wird uns doch nichts andres übrig bleiben, als uns bald
über diesen, bald über jenen Streitpunkt mit ihnen auseinanderzusetzen. Wo
es sich um Parteien in einem Staate, um Glieder eiuunddesselben Volkes
handelt, da ist ein Kampf bis aufs Messer, ein Kampf auf Leben und Tod
ohne deu Versuch einer Verständigung ein Ding der Unmöglichkeit, jeder
Versuch aber, einen solche» heraufzubeschwören, Wahnsinn und Verbreche».


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0118" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/289886"/>
            <fw type="header" place="top"> wer hat Recht?</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_339" prev="#ID_338"> Reihen irgend welchen Schaden anzurichten imstande wären, wird er sich wohl<lb/>
nicht einreden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_340"> Sollen nun die Arbeiterscharen als Feinde angesehen und behandelt, dem¬<lb/>
nach unterdrückt werden &#x2014; sie auszurotten, geht nicht gut, sintemalen wir die<lb/>
Maschinen noch nicht dazu gebracht haben, uns ohne Beihilfe von Menschen¬<lb/>
hand alle Arbeiten zu leisten &#x2014; so wird die Wiederherstellung des Sozialisten¬<lb/>
gesetzes uoch nicht hinreichen. Denn erstens hat dieses, wie niemand leugnen<lb/>
kaun, die beabsichtigte Wirkung nicht gehabt, und zweitens ist es unmöglich,<lb/>
den fünften bis vierten Teil der Bevölkerung dauernd unter ein Ausnahme¬<lb/>
gesetz zu stelle«. Man wird gründlicher verfahren müssen. Man wird sich<lb/>
sagen müssen: der liberale Traum von der Gleichberechtigung aller Meuscheu<lb/>
und von der Möglichkeit, alle Einwohner eines Landes zu Staatsbürgern zu<lb/>
machen, war eben nur ein Traum. Freie Menschen wählen sich zu ihrem<lb/>
Lebensberuf keine niedern Verrichtungen. Sollen die knechtischen Arbeiten<lb/>
nicht angethan bleiben, so müssen eben Knechte da sein, die dazu gezwungen<lb/>
werden können, und solche Knechte können weder Staatsbürger sein, noch eine<lb/>
Partei im Staate bilden. Räumen wir also auf mit dein liberalen Aber¬<lb/>
glauben und stellen wir die Knechtschaft wieder her! Knechte sind aber stets<lb/>
zur Rebellion geneigt. Sollen sie nicht gefährlich werden, so muß ihnen der<lb/>
Gedankenallstausch, der gegenseitige Verkehr unmöglich gemacht werden. Das<lb/>
mächtigste Verkehrsmittel unsrer Zeit ist das gedruckte Wort; Knechte dürfen<lb/>
daher weder lesen uoch schreiben lernen. Ans also, schließen wir die Volks¬<lb/>
schule! Noch weniger darf man den Knechten im Schießen Unterricht geben<lb/>
oder sie gar zur Vaterlandsverteidigung verwenden. Weg also mit der all¬<lb/>
gemeinen Wehrpflicht, kehren wir zum Ritter- oder Söldnerheere zurück!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_341" next="#ID_342"> Wenn der Verfasser das gemeint hat, dann verstehe ich ihn, und dann<lb/>
läßt sich mit ihm reden; denn ich weiß die Vorteile der Sklavenarbeit vor<lb/>
der heutigen &#x201E;freien" Arbeit zu schätzen und halte die heutige Antisklaverei-<lb/>
bewegung für die dümmste aller Komödien, da doch alle Kenner von Land<lb/>
Ulld Leuten darin einig sind, daß an die Bewirtschaftung unsrer neuen Be-<lb/>
sitzungen in Afrika gar nicht zu denken ist, wenn wir die Neger nicht zwangs¬<lb/>
weise zur Arbeit anhalte», d. h. also, wenn wir nicht irgend eine Art von<lb/>
Leibeigenschaft einführen. Wie gesagt, falls der Verfasser das meint, dann<lb/>
verstehe ich ihn, sonst aber nicht. Denn wenn die Arbeiter, die sozialdeinv-<lb/>
lratisch wählen, persönlich frei und mit uus gleichberechtigte Staatsbürger<lb/>
bleiben sollen, dann wird uns doch nichts andres übrig bleiben, als uns bald<lb/>
über diesen, bald über jenen Streitpunkt mit ihnen auseinanderzusetzen. Wo<lb/>
es sich um Parteien in einem Staate, um Glieder eiuunddesselben Volkes<lb/>
handelt, da ist ein Kampf bis aufs Messer, ein Kampf auf Leben und Tod<lb/>
ohne deu Versuch einer Verständigung ein Ding der Unmöglichkeit, jeder<lb/>
Versuch aber, einen solche» heraufzubeschwören, Wahnsinn und Verbreche».</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0118] wer hat Recht? Reihen irgend welchen Schaden anzurichten imstande wären, wird er sich wohl nicht einreden. Sollen nun die Arbeiterscharen als Feinde angesehen und behandelt, dem¬ nach unterdrückt werden — sie auszurotten, geht nicht gut, sintemalen wir die Maschinen noch nicht dazu gebracht haben, uns ohne Beihilfe von Menschen¬ hand alle Arbeiten zu leisten — so wird die Wiederherstellung des Sozialisten¬ gesetzes uoch nicht hinreichen. Denn erstens hat dieses, wie niemand leugnen kaun, die beabsichtigte Wirkung nicht gehabt, und zweitens ist es unmöglich, den fünften bis vierten Teil der Bevölkerung dauernd unter ein Ausnahme¬ gesetz zu stelle«. Man wird gründlicher verfahren müssen. Man wird sich sagen müssen: der liberale Traum von der Gleichberechtigung aller Meuscheu und von der Möglichkeit, alle Einwohner eines Landes zu Staatsbürgern zu machen, war eben nur ein Traum. Freie Menschen wählen sich zu ihrem Lebensberuf keine niedern Verrichtungen. Sollen die knechtischen Arbeiten nicht angethan bleiben, so müssen eben Knechte da sein, die dazu gezwungen werden können, und solche Knechte können weder Staatsbürger sein, noch eine Partei im Staate bilden. Räumen wir also auf mit dein liberalen Aber¬ glauben und stellen wir die Knechtschaft wieder her! Knechte sind aber stets zur Rebellion geneigt. Sollen sie nicht gefährlich werden, so muß ihnen der Gedankenallstausch, der gegenseitige Verkehr unmöglich gemacht werden. Das mächtigste Verkehrsmittel unsrer Zeit ist das gedruckte Wort; Knechte dürfen daher weder lesen uoch schreiben lernen. Ans also, schließen wir die Volks¬ schule! Noch weniger darf man den Knechten im Schießen Unterricht geben oder sie gar zur Vaterlandsverteidigung verwenden. Weg also mit der all¬ gemeinen Wehrpflicht, kehren wir zum Ritter- oder Söldnerheere zurück! Wenn der Verfasser das gemeint hat, dann verstehe ich ihn, und dann läßt sich mit ihm reden; denn ich weiß die Vorteile der Sklavenarbeit vor der heutigen „freien" Arbeit zu schätzen und halte die heutige Antisklaverei- bewegung für die dümmste aller Komödien, da doch alle Kenner von Land Ulld Leuten darin einig sind, daß an die Bewirtschaftung unsrer neuen Be- sitzungen in Afrika gar nicht zu denken ist, wenn wir die Neger nicht zwangs¬ weise zur Arbeit anhalte», d. h. also, wenn wir nicht irgend eine Art von Leibeigenschaft einführen. Wie gesagt, falls der Verfasser das meint, dann verstehe ich ihn, sonst aber nicht. Denn wenn die Arbeiter, die sozialdeinv- lratisch wählen, persönlich frei und mit uus gleichberechtigte Staatsbürger bleiben sollen, dann wird uns doch nichts andres übrig bleiben, als uns bald über diesen, bald über jenen Streitpunkt mit ihnen auseinanderzusetzen. Wo es sich um Parteien in einem Staate, um Glieder eiuunddesselben Volkes handelt, da ist ein Kampf bis aufs Messer, ein Kampf auf Leben und Tod ohne deu Versuch einer Verständigung ein Ding der Unmöglichkeit, jeder Versuch aber, einen solche» heraufzubeschwören, Wahnsinn und Verbreche».

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/118
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/118>, abgerufen am 26.08.2024.