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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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nicht gänzlich aufgehoben wurde, was übrigens einige Jahre später geschah,
doch den Doktrinen des Kalvinismus anheim gefallen wäre, der ohnehin der
damaligen allgemeinen Geistesströmung sehr gut entsprach. Dadurch wäre
Frankreich vielleicht für den Katholizismus verloren gegangen, der in seiner
Hierarchie und in allen seinen kirchlichen Formen sich der monarchischen Staats¬
form am besten anpaßt. Ich verstand mich also als rechtmäßiger Bischof von
Antun dazu, einen (!) der neuerwählten Bischöfe zu weihen, der dann an den
übrigen die heilige Handlung vollzog." Also um Frankreich vor dem Pro¬
testantismus zu bewahren, um Altar und Thron zu schütze", hat er sich dem
Bannfluch ausgesetzt, er war ein Märtyrer, der heiliggesprochen zu werden
verdiente! In dem erwähnten Glaubensbekenntnisse gleitet er über diese ganze
Angelegenheit folgendermaßen hinweg: "Ich hatte schon früher auf mein Amt
und meine Würde als Bischof von Autun verzichtet: meine Demission wurde
vom Papst angenommen, der mich dem weltlichen Stande zurückgab" -- nach
zehn Jahren nämlich. Daß er sogar das Opfer gebracht hatte, als Exkom-
mnnizirter eine reiche Frau zu heiraten, erwähnt er nicht einmal.

Als Moreau und Macdonald von Suwarow geschlagen worden waren, "er¬
ging es dem Direktorium, wie allen despotischen Regierungen: so lauge ihre
Armeen siegreich sind, haßt man sie wohl, aber mau fürchtet sie zugleich.
Wendet sich das Kriegsglück, so werden sie geschmäht und verachtet. Rück¬
sichtslos wurde selbst das Direktorium in den Zeitungen, in Flugschriften und
von allen Seiten angegriffen. Die Minister wurden natürlich auch nicht ge¬
schont, was mir speziell meinen Rücktritt erleichterte. Schon längst hatte
ich nämlich eingesehen, daß ich im Grnnde doch nur sehr wenig Schlechtes
verhindern konnte, und daß die Zeit noch nicht gekommen war, um (!) Gutes
zu leisten. Deshalb hatte ich auch schon bei Zeiten (!) meine Vorkehrungen
getroffen und mich mit dem General Bonaparte vor seiner Abreise nach Ägypten
darüber verständigt." Bonaparte hatte vorgeschlagen, ihn nach Konstantinopel
zu schicken, das geschah aber nicht; Talleyrand reichte am 20. Juli 1799 sein
Entlassungsgesuch ein und bezog ein Landhaus in der Nähe von Paris "um
den weitern Gang der Ereignisse abzuwarten." Was warf man ihm vor?
Weshalb wurde er nicht Botschafter? Er erinnert sich offenbar nicht
daran. Schlagen wir also nach. Da finden wir, daß unter dem 25>. Mes-
sidor des Jahres VII (13. Juli 1799) sehr interessante "Aufklärungen des
Bürgers Talleyrand an seine Mitbürger" erschienen sind. Es ist ihm peinlich,
daran erinnern zu müssen, mit welcher Freude er sich 1789 den ersten und
aufrichtigsten Freunden der Freiheit angeschlossen hat. Er wäre unwürdig,
einer so schönen Sache gedient zu haben, wenn er wagen wollte, das, was er
zu ihrem Triumph beigetragen habe, als ein Opfer anzusehen. Aber sein
Staunen dürfe er wohl darüber ausdrücken, sich neuen Angriffen ausgesetzt zu
sehen, nachdem er sich den unversöhnlichen Haß der Geistlichkeit und des Adels


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nicht gänzlich aufgehoben wurde, was übrigens einige Jahre später geschah,
doch den Doktrinen des Kalvinismus anheim gefallen wäre, der ohnehin der
damaligen allgemeinen Geistesströmung sehr gut entsprach. Dadurch wäre
Frankreich vielleicht für den Katholizismus verloren gegangen, der in seiner
Hierarchie und in allen seinen kirchlichen Formen sich der monarchischen Staats¬
form am besten anpaßt. Ich verstand mich also als rechtmäßiger Bischof von
Antun dazu, einen (!) der neuerwählten Bischöfe zu weihen, der dann an den
übrigen die heilige Handlung vollzog." Also um Frankreich vor dem Pro¬
testantismus zu bewahren, um Altar und Thron zu schütze», hat er sich dem
Bannfluch ausgesetzt, er war ein Märtyrer, der heiliggesprochen zu werden
verdiente! In dem erwähnten Glaubensbekenntnisse gleitet er über diese ganze
Angelegenheit folgendermaßen hinweg: „Ich hatte schon früher auf mein Amt
und meine Würde als Bischof von Autun verzichtet: meine Demission wurde
vom Papst angenommen, der mich dem weltlichen Stande zurückgab" — nach
zehn Jahren nämlich. Daß er sogar das Opfer gebracht hatte, als Exkom-
mnnizirter eine reiche Frau zu heiraten, erwähnt er nicht einmal.

Als Moreau und Macdonald von Suwarow geschlagen worden waren, „er¬
ging es dem Direktorium, wie allen despotischen Regierungen: so lauge ihre
Armeen siegreich sind, haßt man sie wohl, aber mau fürchtet sie zugleich.
Wendet sich das Kriegsglück, so werden sie geschmäht und verachtet. Rück¬
sichtslos wurde selbst das Direktorium in den Zeitungen, in Flugschriften und
von allen Seiten angegriffen. Die Minister wurden natürlich auch nicht ge¬
schont, was mir speziell meinen Rücktritt erleichterte. Schon längst hatte
ich nämlich eingesehen, daß ich im Grnnde doch nur sehr wenig Schlechtes
verhindern konnte, und daß die Zeit noch nicht gekommen war, um (!) Gutes
zu leisten. Deshalb hatte ich auch schon bei Zeiten (!) meine Vorkehrungen
getroffen und mich mit dem General Bonaparte vor seiner Abreise nach Ägypten
darüber verständigt." Bonaparte hatte vorgeschlagen, ihn nach Konstantinopel
zu schicken, das geschah aber nicht; Talleyrand reichte am 20. Juli 1799 sein
Entlassungsgesuch ein und bezog ein Landhaus in der Nähe von Paris „um
den weitern Gang der Ereignisse abzuwarten." Was warf man ihm vor?
Weshalb wurde er nicht Botschafter? Er erinnert sich offenbar nicht
daran. Schlagen wir also nach. Da finden wir, daß unter dem 25>. Mes-
sidor des Jahres VII (13. Juli 1799) sehr interessante „Aufklärungen des
Bürgers Talleyrand an seine Mitbürger" erschienen sind. Es ist ihm peinlich,
daran erinnern zu müssen, mit welcher Freude er sich 1789 den ersten und
aufrichtigsten Freunden der Freiheit angeschlossen hat. Er wäre unwürdig,
einer so schönen Sache gedient zu haben, wenn er wagen wollte, das, was er
zu ihrem Triumph beigetragen habe, als ein Opfer anzusehen. Aber sein
Staunen dürfe er wohl darüber ausdrücken, sich neuen Angriffen ausgesetzt zu
sehen, nachdem er sich den unversöhnlichen Haß der Geistlichkeit und des Adels


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/82>, abgerufen am 04.07.2024.