Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.trüge bedürfen entschieden einer Abänderung dahin, daß der Übersetzer sich und Auch sonst ist die Übersetzung von A. Ebeling keineswegs tadellos. Nach¬ Kehren wir nach dieser Abschweifung zu Talleyrand zurück. Einige Jahre Wir wollen an einigen Beispielen zeigen, wie er kitzliche Dinge behandelt. renzboten II 1891 16
trüge bedürfen entschieden einer Abänderung dahin, daß der Übersetzer sich und Auch sonst ist die Übersetzung von A. Ebeling keineswegs tadellos. Nach¬ Kehren wir nach dieser Abschweifung zu Talleyrand zurück. Einige Jahre Wir wollen an einigen Beispielen zeigen, wie er kitzliche Dinge behandelt. renzboten II 1891 16
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0081" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/209948"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_208" prev="#ID_207"> trüge bedürfen entschieden einer Abänderung dahin, daß der Übersetzer sich und<lb/> dem rechtmäßigen Eigentümer des Originals abzufinden hätte, ohne jedoch ein<lb/> ausschließliches Recht zu erwerben. Dabei würden wahrscheinlich alle Teile<lb/> besser fahren.</p><lb/> <p xml:id="ID_209"> Auch sonst ist die Übersetzung von A. Ebeling keineswegs tadellos. Nach¬<lb/> lässigkeiten wie: „Man speiste fast niemals beim Grafen Vaudrenil . . . ohne<lb/> nicht die Hochzeit des (!) Figaro . . . mit in den Kauf nehmen zu müssen" —<lb/> „das Zerwürfnis hatte darin seinen Grund, weil. . ." und ähnliches find<lb/> gar nicht selten, und der „unwiederbringliche Stoß," deu uach S. 70 Anm.<lb/> der Ruf der Königin Marie Antoinette durch die Halsbaudgeschichte erlitten<lb/> hat, verdiente einen Ehrenplatz in Sammlungen von — Zeitungsdeutsch.</p><lb/> <p xml:id="ID_210"> Kehren wir nach dieser Abschweifung zu Talleyrand zurück. Einige Jahre<lb/> vor seinem Tode hat er ein Glaubensbekenntnis aufgesetzt, das der Herzog von<lb/> Broglie seiner Vorrede zu deu Memoiren einverleibt hat, und das als Leit¬<lb/> motiv der Memorien bezeichnet werden darf. „Nach reiflicher Überlegung<lb/> beschloß ich, meinem Vaterlande Frankreich zu dienen, gleichviel in welcher<lb/> Lage es sich befinden möge; in jeder Lage konnte man Gutes fördern und sich<lb/> nützlich macheu. Aus diesem Grunde habe ich auch niemals Bedenken gehabt,<lb/> allen Regierungen zu dienen, vom Direktorium bis zu der Epoche, wo ich dies<lb/> schreibe____Keine Megierungj habe ich früher verlasse», als sie selbst sich<lb/> verlassen hat." Diese Sätze, deren letzter zugleich in sich schließt, daß alle<lb/> Fehler der Regierungen Frankreichs von der Revolution bis zu seinem Tode<lb/> vermieden worden wären, wenn sie sich an seine Ratschläge gehalten hätten,<lb/> sucht er in der Darstellung seines Wirkens zu erhärten. Allerdings ist sein<lb/> langes Leben ziemlich reich an Einzelheiten, die mit diesen Sätzen in Wider¬<lb/> spruch stehe». Er hat jedoch dreierlei Arten, sich solche lustigen Einwürfe vom<lb/> Halse zu schaffe». Entweder bringt er eine Ausrede vor, die beweist, wie<lb/> gering er von dem Verstände und von dem Gedächtnisse seiner künftigen Leser<lb/> denkt, oder er murmelt sozusagen etwas unverständlich zwischen den Zähnen,<lb/> oder er stellt sich mit der größten Unbefangenheit an, als hörte er die<lb/> Frage nicht.</p><lb/> <p xml:id="ID_211" next="#ID_212"> Wir wollen an einigen Beispielen zeigen, wie er kitzliche Dinge behandelt.<lb/> Bekanntlich leistete er 1791 den Eid auf die Verfassung, weihte zwei konstitu¬<lb/> tionelle Bischöfe, die dann andern Priestern die Weihe erteilten, und wurde<lb/> dafür exkommunizirt; erst ans die Fürsprache des ersten Konsuls hob der Nach¬<lb/> folger des Papstes den Bann ans. Nun erfahren wir die Beweggründe seines<lb/> Handelns. „Fast sämtliche Bischöfe verweigerten den Eid und wurden deshalb<lb/> abgesetzt. Die Wahlkollcgicn ernannten ihre Nachfolger, die sich leider über<lb/> die Nichtbestätigung von Rom hinwegsetzten, aber doch von einem rechtmüßigen<lb/> katholischen Bischof geweiht werden mußten. Hätte sich dazu niemand gefunden,<lb/> so stand (!) sehr zu befürchten, daß der gesamte Kultus, wenn er auch noch<lb/> G</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> renzboten II 1891 16</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0081]
trüge bedürfen entschieden einer Abänderung dahin, daß der Übersetzer sich und
dem rechtmäßigen Eigentümer des Originals abzufinden hätte, ohne jedoch ein
ausschließliches Recht zu erwerben. Dabei würden wahrscheinlich alle Teile
besser fahren.
Auch sonst ist die Übersetzung von A. Ebeling keineswegs tadellos. Nach¬
lässigkeiten wie: „Man speiste fast niemals beim Grafen Vaudrenil . . . ohne
nicht die Hochzeit des (!) Figaro . . . mit in den Kauf nehmen zu müssen" —
„das Zerwürfnis hatte darin seinen Grund, weil. . ." und ähnliches find
gar nicht selten, und der „unwiederbringliche Stoß," deu uach S. 70 Anm.
der Ruf der Königin Marie Antoinette durch die Halsbaudgeschichte erlitten
hat, verdiente einen Ehrenplatz in Sammlungen von — Zeitungsdeutsch.
Kehren wir nach dieser Abschweifung zu Talleyrand zurück. Einige Jahre
vor seinem Tode hat er ein Glaubensbekenntnis aufgesetzt, das der Herzog von
Broglie seiner Vorrede zu deu Memoiren einverleibt hat, und das als Leit¬
motiv der Memorien bezeichnet werden darf. „Nach reiflicher Überlegung
beschloß ich, meinem Vaterlande Frankreich zu dienen, gleichviel in welcher
Lage es sich befinden möge; in jeder Lage konnte man Gutes fördern und sich
nützlich macheu. Aus diesem Grunde habe ich auch niemals Bedenken gehabt,
allen Regierungen zu dienen, vom Direktorium bis zu der Epoche, wo ich dies
schreibe____Keine Megierungj habe ich früher verlasse», als sie selbst sich
verlassen hat." Diese Sätze, deren letzter zugleich in sich schließt, daß alle
Fehler der Regierungen Frankreichs von der Revolution bis zu seinem Tode
vermieden worden wären, wenn sie sich an seine Ratschläge gehalten hätten,
sucht er in der Darstellung seines Wirkens zu erhärten. Allerdings ist sein
langes Leben ziemlich reich an Einzelheiten, die mit diesen Sätzen in Wider¬
spruch stehe». Er hat jedoch dreierlei Arten, sich solche lustigen Einwürfe vom
Halse zu schaffe». Entweder bringt er eine Ausrede vor, die beweist, wie
gering er von dem Verstände und von dem Gedächtnisse seiner künftigen Leser
denkt, oder er murmelt sozusagen etwas unverständlich zwischen den Zähnen,
oder er stellt sich mit der größten Unbefangenheit an, als hörte er die
Frage nicht.
Wir wollen an einigen Beispielen zeigen, wie er kitzliche Dinge behandelt.
Bekanntlich leistete er 1791 den Eid auf die Verfassung, weihte zwei konstitu¬
tionelle Bischöfe, die dann andern Priestern die Weihe erteilten, und wurde
dafür exkommunizirt; erst ans die Fürsprache des ersten Konsuls hob der Nach¬
folger des Papstes den Bann ans. Nun erfahren wir die Beweggründe seines
Handelns. „Fast sämtliche Bischöfe verweigerten den Eid und wurden deshalb
abgesetzt. Die Wahlkollcgicn ernannten ihre Nachfolger, die sich leider über
die Nichtbestätigung von Rom hinwegsetzten, aber doch von einem rechtmüßigen
katholischen Bischof geweiht werden mußten. Hätte sich dazu niemand gefunden,
so stand (!) sehr zu befürchten, daß der gesamte Kultus, wenn er auch noch
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