Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Gin vorachtiindvierziger

wie die Bücher vom General Schönhals und von Heisere. benutzt zu haben,
viel öfter spürt man bei Anachronismen die eingeschobenen Sätze oder Ab¬
schnitte. Beispielsweise gebraucht er den für den Mailänder Aufstand ge¬
bräuchlichen Ausdruck lo eimino Ziorimw schon in dessen ersten Tagen, als
hätte er vorausgewußt, daß der Rummel fünf Tage und nicht länger dauern
würde. Darf wegen dieses eigentümlichen Verfahrens auch nicht die Nichtig¬
keit der mitgeteilten Thatsachen angezweifelt werden, so kann sich der Verfasser
doch nicht wundern, wenn die eingestreuten politischen Betrachtungen nut
einigem Mißtrauen angesehen werden. Man steht sozusagen vor einer Anti¬
quität, die eingestandenermaßen "restaurirt" ist. und weiß nicht mehr, wie viel
man für echt halten soll.

Als Schriftsteller zeigt sich Hübner von der liebenswürdigsten Seite, wenn
er Szenerien schildert oder rein menschliche Erlebnisse erzählt. Die Tage des
Stilllebens in Mailand, wo er in halber Verborgenheit von den neuen Macht¬
habern ignorirt wird, gestalten sich unter seiner Feder zu einer Reihe hübscher
Bilder, und ein hervorragendes Talent verrät er in der Beschreibung von
landschaftlichen und Belenchtungsreizen. Leider tritt zu oft ein Zug hervor,
der glauben macht, daß gewisse stehende Figuren in den Romanen des Fräu¬
lein Ossip Schubin doch keine Karrikaturen seien. Es gewährt dem VerWcr
unverkennbar besondre Befriedigung, seinen vertrauten Verkehr mit Personen
der hohen Aristokratie ins Licht zu stellen, und dabei eignet er sich die wenig
geschmackvolle Manier an. sie mit verunstalteten Vornamen zu bezeichnen.
Lori. Dmi. Mucki. Pepi u. s. w.. was die weitere Unart mit sich bringt, Artikel
vor die Eigennamen zu setzen, weil man ja sonst nicht wissen wurde, ob
Toni einen Anton oder eine Antonia bedeuten soll. Auch hat er wemg
Grund, sich gelegentlich über das Deutsch andrer aufzuhalten. Er mengt gern
Redensarten aus fremden Sprachen ein, und während er gewiß untröstlich
sein würde, wenn dabei ein Sprachfehler mit unterliefe, nimmt er sichs acht
übel, begegnen beharrlich mit haben und dem Akkusativ zu konstrmren
und ebenso regelmüßig am für auf dem. in den zu setzen. Wie komisch co
wirkt, wenn "ein Zug am Bahnhof einläuft." ein General sich ..am Schlacht¬
felde" befindet und gar ein Greis ..am Throne" sitzt, scheint ihm ganz zu
entgehen. Bei der Beschießung Wiens im Oktober ist ..der Dach brant der
kaiserlichen Bibliothek einer der klassischen Prachtbauten Fischers von Erlach
und zugleich eine der reichsten Büchersammlungen der Welt." Würde em
gebildeter Franzose oder Engländer sich wohl dergleichen zu schulden kommen
lassen? Doch viel unangenehmer bemerkbar macht sich das Affektiren bin.blutiger
Exklusivität und suffisance (diese bezeichnenden Fremdwörter werden wohl
gestattet sein?). Mit Behagen berichtet er. daß sich Felix Lichnowsky jedesmal
bei Blums Erscheinen auf der Rednerbühne in Frankfurt den kindischen Spaß
gemacht habe, "mit einem sardonischen verächtlichen Lächeln, und indem er


Gin vorachtiindvierziger

wie die Bücher vom General Schönhals und von Heisere. benutzt zu haben,
viel öfter spürt man bei Anachronismen die eingeschobenen Sätze oder Ab¬
schnitte. Beispielsweise gebraucht er den für den Mailänder Aufstand ge¬
bräuchlichen Ausdruck lo eimino Ziorimw schon in dessen ersten Tagen, als
hätte er vorausgewußt, daß der Rummel fünf Tage und nicht länger dauern
würde. Darf wegen dieses eigentümlichen Verfahrens auch nicht die Nichtig¬
keit der mitgeteilten Thatsachen angezweifelt werden, so kann sich der Verfasser
doch nicht wundern, wenn die eingestreuten politischen Betrachtungen nut
einigem Mißtrauen angesehen werden. Man steht sozusagen vor einer Anti¬
quität, die eingestandenermaßen „restaurirt" ist. und weiß nicht mehr, wie viel
man für echt halten soll.

Als Schriftsteller zeigt sich Hübner von der liebenswürdigsten Seite, wenn
er Szenerien schildert oder rein menschliche Erlebnisse erzählt. Die Tage des
Stilllebens in Mailand, wo er in halber Verborgenheit von den neuen Macht¬
habern ignorirt wird, gestalten sich unter seiner Feder zu einer Reihe hübscher
Bilder, und ein hervorragendes Talent verrät er in der Beschreibung von
landschaftlichen und Belenchtungsreizen. Leider tritt zu oft ein Zug hervor,
der glauben macht, daß gewisse stehende Figuren in den Romanen des Fräu¬
lein Ossip Schubin doch keine Karrikaturen seien. Es gewährt dem VerWcr
unverkennbar besondre Befriedigung, seinen vertrauten Verkehr mit Personen
der hohen Aristokratie ins Licht zu stellen, und dabei eignet er sich die wenig
geschmackvolle Manier an. sie mit verunstalteten Vornamen zu bezeichnen.
Lori. Dmi. Mucki. Pepi u. s. w.. was die weitere Unart mit sich bringt, Artikel
vor die Eigennamen zu setzen, weil man ja sonst nicht wissen wurde, ob
Toni einen Anton oder eine Antonia bedeuten soll. Auch hat er wemg
Grund, sich gelegentlich über das Deutsch andrer aufzuhalten. Er mengt gern
Redensarten aus fremden Sprachen ein, und während er gewiß untröstlich
sein würde, wenn dabei ein Sprachfehler mit unterliefe, nimmt er sichs acht
übel, begegnen beharrlich mit haben und dem Akkusativ zu konstrmren
und ebenso regelmüßig am für auf dem. in den zu setzen. Wie komisch co
wirkt, wenn „ein Zug am Bahnhof einläuft." ein General sich ..am Schlacht¬
felde" befindet und gar ein Greis ..am Throne" sitzt, scheint ihm ganz zu
entgehen. Bei der Beschießung Wiens im Oktober ist ..der Dach brant der
kaiserlichen Bibliothek einer der klassischen Prachtbauten Fischers von Erlach
und zugleich eine der reichsten Büchersammlungen der Welt." Würde em
gebildeter Franzose oder Engländer sich wohl dergleichen zu schulden kommen
lassen? Doch viel unangenehmer bemerkbar macht sich das Affektiren bin.blutiger
Exklusivität und suffisance (diese bezeichnenden Fremdwörter werden wohl
gestattet sein?). Mit Behagen berichtet er. daß sich Felix Lichnowsky jedesmal
bei Blums Erscheinen auf der Rednerbühne in Frankfurt den kindischen Spaß
gemacht habe, „mit einem sardonischen verächtlichen Lächeln, und indem er


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0067" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/209934"/>
          <fw type="header" place="top"> Gin vorachtiindvierziger</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_174" prev="#ID_173"> wie die Bücher vom General Schönhals und von Heisere. benutzt zu haben,<lb/>
viel öfter spürt man bei Anachronismen die eingeschobenen Sätze oder Ab¬<lb/>
schnitte. Beispielsweise gebraucht er den für den Mailänder Aufstand ge¬<lb/>
bräuchlichen Ausdruck lo eimino Ziorimw schon in dessen ersten Tagen, als<lb/>
hätte er vorausgewußt, daß der Rummel fünf Tage und nicht länger dauern<lb/>
würde. Darf wegen dieses eigentümlichen Verfahrens auch nicht die Nichtig¬<lb/>
keit der mitgeteilten Thatsachen angezweifelt werden, so kann sich der Verfasser<lb/>
doch nicht wundern, wenn die eingestreuten politischen Betrachtungen nut<lb/>
einigem Mißtrauen angesehen werden. Man steht sozusagen vor einer Anti¬<lb/>
quität, die eingestandenermaßen &#x201E;restaurirt" ist. und weiß nicht mehr, wie viel<lb/>
man für echt halten soll.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_175" next="#ID_176"> Als Schriftsteller zeigt sich Hübner von der liebenswürdigsten Seite, wenn<lb/>
er Szenerien schildert oder rein menschliche Erlebnisse erzählt. Die Tage des<lb/>
Stilllebens in Mailand, wo er in halber Verborgenheit von den neuen Macht¬<lb/>
habern ignorirt wird, gestalten sich unter seiner Feder zu einer Reihe hübscher<lb/>
Bilder, und ein hervorragendes Talent verrät er in der Beschreibung von<lb/>
landschaftlichen und Belenchtungsreizen. Leider tritt zu oft ein Zug hervor,<lb/>
der glauben macht, daß gewisse stehende Figuren in den Romanen des Fräu¬<lb/>
lein Ossip Schubin doch keine Karrikaturen seien. Es gewährt dem VerWcr<lb/>
unverkennbar besondre Befriedigung, seinen vertrauten Verkehr mit Personen<lb/>
der hohen Aristokratie ins Licht zu stellen, und dabei eignet er sich die wenig<lb/>
geschmackvolle Manier an. sie mit verunstalteten Vornamen zu bezeichnen.<lb/>
Lori. Dmi. Mucki. Pepi u. s. w.. was die weitere Unart mit sich bringt, Artikel<lb/>
vor die Eigennamen zu setzen, weil man ja sonst nicht wissen wurde, ob<lb/>
Toni einen Anton oder eine Antonia bedeuten soll. Auch hat er wemg<lb/>
Grund, sich gelegentlich über das Deutsch andrer aufzuhalten. Er mengt gern<lb/>
Redensarten aus fremden Sprachen ein, und während er gewiß untröstlich<lb/>
sein würde, wenn dabei ein Sprachfehler mit unterliefe, nimmt er sichs acht<lb/>
übel, begegnen beharrlich mit haben und dem Akkusativ zu konstrmren<lb/>
und ebenso regelmüßig am für auf dem. in den zu setzen. Wie komisch co<lb/>
wirkt, wenn &#x201E;ein Zug am Bahnhof einläuft." ein General sich ..am Schlacht¬<lb/>
felde" befindet und gar ein Greis ..am Throne" sitzt, scheint ihm ganz zu<lb/>
entgehen. Bei der Beschießung Wiens im Oktober ist ..der Dach brant der<lb/>
kaiserlichen Bibliothek einer der klassischen Prachtbauten Fischers von Erlach<lb/>
und zugleich eine der reichsten Büchersammlungen der Welt." Würde em<lb/>
gebildeter Franzose oder Engländer sich wohl dergleichen zu schulden kommen<lb/>
lassen? Doch viel unangenehmer bemerkbar macht sich das Affektiren bin.blutiger<lb/>
Exklusivität und suffisance (diese bezeichnenden Fremdwörter werden wohl<lb/>
gestattet sein?). Mit Behagen berichtet er. daß sich Felix Lichnowsky jedesmal<lb/>
bei Blums Erscheinen auf der Rednerbühne in Frankfurt den kindischen Spaß<lb/>
gemacht habe, &#x201E;mit einem sardonischen verächtlichen Lächeln, und indem er</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0067] Gin vorachtiindvierziger wie die Bücher vom General Schönhals und von Heisere. benutzt zu haben, viel öfter spürt man bei Anachronismen die eingeschobenen Sätze oder Ab¬ schnitte. Beispielsweise gebraucht er den für den Mailänder Aufstand ge¬ bräuchlichen Ausdruck lo eimino Ziorimw schon in dessen ersten Tagen, als hätte er vorausgewußt, daß der Rummel fünf Tage und nicht länger dauern würde. Darf wegen dieses eigentümlichen Verfahrens auch nicht die Nichtig¬ keit der mitgeteilten Thatsachen angezweifelt werden, so kann sich der Verfasser doch nicht wundern, wenn die eingestreuten politischen Betrachtungen nut einigem Mißtrauen angesehen werden. Man steht sozusagen vor einer Anti¬ quität, die eingestandenermaßen „restaurirt" ist. und weiß nicht mehr, wie viel man für echt halten soll. Als Schriftsteller zeigt sich Hübner von der liebenswürdigsten Seite, wenn er Szenerien schildert oder rein menschliche Erlebnisse erzählt. Die Tage des Stilllebens in Mailand, wo er in halber Verborgenheit von den neuen Macht¬ habern ignorirt wird, gestalten sich unter seiner Feder zu einer Reihe hübscher Bilder, und ein hervorragendes Talent verrät er in der Beschreibung von landschaftlichen und Belenchtungsreizen. Leider tritt zu oft ein Zug hervor, der glauben macht, daß gewisse stehende Figuren in den Romanen des Fräu¬ lein Ossip Schubin doch keine Karrikaturen seien. Es gewährt dem VerWcr unverkennbar besondre Befriedigung, seinen vertrauten Verkehr mit Personen der hohen Aristokratie ins Licht zu stellen, und dabei eignet er sich die wenig geschmackvolle Manier an. sie mit verunstalteten Vornamen zu bezeichnen. Lori. Dmi. Mucki. Pepi u. s. w.. was die weitere Unart mit sich bringt, Artikel vor die Eigennamen zu setzen, weil man ja sonst nicht wissen wurde, ob Toni einen Anton oder eine Antonia bedeuten soll. Auch hat er wemg Grund, sich gelegentlich über das Deutsch andrer aufzuhalten. Er mengt gern Redensarten aus fremden Sprachen ein, und während er gewiß untröstlich sein würde, wenn dabei ein Sprachfehler mit unterliefe, nimmt er sichs acht übel, begegnen beharrlich mit haben und dem Akkusativ zu konstrmren und ebenso regelmüßig am für auf dem. in den zu setzen. Wie komisch co wirkt, wenn „ein Zug am Bahnhof einläuft." ein General sich ..am Schlacht¬ felde" befindet und gar ein Greis ..am Throne" sitzt, scheint ihm ganz zu entgehen. Bei der Beschießung Wiens im Oktober ist ..der Dach brant der kaiserlichen Bibliothek einer der klassischen Prachtbauten Fischers von Erlach und zugleich eine der reichsten Büchersammlungen der Welt." Würde em gebildeter Franzose oder Engländer sich wohl dergleichen zu schulden kommen lassen? Doch viel unangenehmer bemerkbar macht sich das Affektiren bin.blutiger Exklusivität und suffisance (diese bezeichnenden Fremdwörter werden wohl gestattet sein?). Mit Behagen berichtet er. daß sich Felix Lichnowsky jedesmal bei Blums Erscheinen auf der Rednerbühne in Frankfurt den kindischen Spaß gemacht habe, „mit einem sardonischen verächtlichen Lächeln, und indem er

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/67
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/67>, abgerufen am 24.07.2024.