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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Lust war, bei den Soldaten geblieben und hatte seinem König Weiler gedient
und Hütte jedes Jahr Urlaub genommen und wäre dann mit dein Hirschfänger
und dem Tschako durch die Dorfstrnße gegangen, und alles Hütte gegrüßt und
sich über ihn gefreut. "Um all das hat er mich gebracht, weil er mirs mi߬
gönnte, weil er nicht wollte, daß ich neben ihm stünde. Ja, er ist schuld, er
allein. Um das Kreuz hat er mich gebracht, aber mein Haus- und Lebens-
lrenz war er von Anfang an und hat mich geschunden und gequält, und wie
damals, so thut ers anch heute uoch. Er hat mir das Leben verdorben und
mein Glück und meine Seligkeit."

In dieser gefährlichen Stimmung und nnter dem Einfluß dieses Selbst¬
betruges geht er höher ins Gebirge hinauf und holt aus einem Versteck
seine Doppelflinte. Es soll ihm ein Gottesurteil sein, ob er dein Förster
Opitz begegnen wird oder nicht. Trifft er ihn, so wird sich zeigen, wer den
andern niederschießt, trifft er ihn nicht, so muß er in die weite Welt. Und
ehe eine Stunde vergangen ist, steht der Verhaßte vor ihm, ruft ihn
an: "Gewehr weg!" schlägt auf ihn um, aber das Zündhütchen versagt,
und nnn schlägt Lehnert Menz an, streckt mit zwei Schüssen Opitz nieder
und läßt den Gestürzten liegen, ohne sich zu überzeugen, ob er noch lebe oder
tot sei. Er lehrt, nachdem er in der Hampelbaude übernachtet hat, nach
Hanse zurück, wo der Förster bereits vermißt wird. Aber es treibt ihn unruhig
umher, und auf dem Wege nach der Schenke zur Schneekoppe hört er gegen
Abend des andern Tages einen Schuß und einen deutlichen Hilferuf vom
Walde herab. Er weiß, wer dort oben hilflos liegt die Furcht, daß Opitz
noch lebe, erschüttert zum erstenmal seine Selbstgerechtigkeit, und er hält sich
wenigstens sür verpflichtet, dem GerichtSmann Klose, der im Kretscham Karte
spielt, Mitteilung von dem Gehörten zu machen. Da dieser aber dem Hilfe¬
ruf keine Bedeutung beilegt, versucht er sich auch wieder zu beruhigen --
er allein kaun doch nicht gehen, um zu helfen, und damit den Verdacht, den
er ohnehin gegen sich heranziehen sieht, vollends bekräftigen.

Am andern Morgen wird der tote Förster gefunden, und obschon dieser
uach deu Aufzeichnungen in seinem blutbefleckte" Notizbuche seinen Gegner
nicht erkannt hat, so sind doch sofort alle, die das Verhältnis zwischen Lehnert
Menz und Opitz gekannt haben, darüber im klaren, daß Lehnert seinen Feind
hinweggeräumt habe, und da sich die Verdachtsgründe häufen, so folgt eine
rasche Haussuchung bei dein Stellmacher. Während dieser weiß Menz, der
sich schon überführt sieht, ans seinem Hause zu verschwinden und entkommt
der drohenden Verhaftung.

Hier schließt sich nnn die zweite Hälfte des Romans an; sieben Jahre
später finden wir den Flüchtling wieder, wie er nach mancherlei Erlebnissen
in Dakota und Kalifornien durch einen Zufall, deu er "Bestimmung" nennt,
mit dem Sohne eines deutscheu Meuuouitenpredigers auf der Eisenbahn zu-


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Lust war, bei den Soldaten geblieben und hatte seinem König Weiler gedient
und Hütte jedes Jahr Urlaub genommen und wäre dann mit dein Hirschfänger
und dem Tschako durch die Dorfstrnße gegangen, und alles Hütte gegrüßt und
sich über ihn gefreut. „Um all das hat er mich gebracht, weil er mirs mi߬
gönnte, weil er nicht wollte, daß ich neben ihm stünde. Ja, er ist schuld, er
allein. Um das Kreuz hat er mich gebracht, aber mein Haus- und Lebens-
lrenz war er von Anfang an und hat mich geschunden und gequält, und wie
damals, so thut ers anch heute uoch. Er hat mir das Leben verdorben und
mein Glück und meine Seligkeit."

In dieser gefährlichen Stimmung und nnter dem Einfluß dieses Selbst¬
betruges geht er höher ins Gebirge hinauf und holt aus einem Versteck
seine Doppelflinte. Es soll ihm ein Gottesurteil sein, ob er dein Förster
Opitz begegnen wird oder nicht. Trifft er ihn, so wird sich zeigen, wer den
andern niederschießt, trifft er ihn nicht, so muß er in die weite Welt. Und
ehe eine Stunde vergangen ist, steht der Verhaßte vor ihm, ruft ihn
an: „Gewehr weg!" schlägt auf ihn um, aber das Zündhütchen versagt,
und nnn schlägt Lehnert Menz an, streckt mit zwei Schüssen Opitz nieder
und läßt den Gestürzten liegen, ohne sich zu überzeugen, ob er noch lebe oder
tot sei. Er lehrt, nachdem er in der Hampelbaude übernachtet hat, nach
Hanse zurück, wo der Förster bereits vermißt wird. Aber es treibt ihn unruhig
umher, und auf dem Wege nach der Schenke zur Schneekoppe hört er gegen
Abend des andern Tages einen Schuß und einen deutlichen Hilferuf vom
Walde herab. Er weiß, wer dort oben hilflos liegt die Furcht, daß Opitz
noch lebe, erschüttert zum erstenmal seine Selbstgerechtigkeit, und er hält sich
wenigstens sür verpflichtet, dem GerichtSmann Klose, der im Kretscham Karte
spielt, Mitteilung von dem Gehörten zu machen. Da dieser aber dem Hilfe¬
ruf keine Bedeutung beilegt, versucht er sich auch wieder zu beruhigen —
er allein kaun doch nicht gehen, um zu helfen, und damit den Verdacht, den
er ohnehin gegen sich heranziehen sieht, vollends bekräftigen.

Am andern Morgen wird der tote Förster gefunden, und obschon dieser
uach deu Aufzeichnungen in seinem blutbefleckte« Notizbuche seinen Gegner
nicht erkannt hat, so sind doch sofort alle, die das Verhältnis zwischen Lehnert
Menz und Opitz gekannt haben, darüber im klaren, daß Lehnert seinen Feind
hinweggeräumt habe, und da sich die Verdachtsgründe häufen, so folgt eine
rasche Haussuchung bei dein Stellmacher. Während dieser weiß Menz, der
sich schon überführt sieht, ans seinem Hause zu verschwinden und entkommt
der drohenden Verhaftung.

Hier schließt sich nnn die zweite Hälfte des Romans an; sieben Jahre
später finden wir den Flüchtling wieder, wie er nach mancherlei Erlebnissen
in Dakota und Kalifornien durch einen Zufall, deu er „Bestimmung" nennt,
mit dem Sohne eines deutscheu Meuuouitenpredigers auf der Eisenbahn zu-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/630>, abgerufen am 24.07.2024.