Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

malie. Vor allein wird eine neue Welfenliga der tuscischen Städte begründet
und ein Heer aufgestellt. Unaufhörlich gehen Boten und Briefe mit Mah¬
nungen an die Städte Lombardiens und der Trevisaner Mark, sich dem Bunde
anzuschließen, und mit Geldunterstützuugen; die Florentiner werden nicht müde,
den schwankenden uuter den Städten klar zu machen, daß die deutsche Herr¬
schaft mit der Eigenart und dem Gedeihen der italienischen Städte unverträg¬
lich sei, und vor der Verführung durch die schönen Versprechungen des Kaisers
zu warnen, der sein Wort nicht halten werde. Sie werden nicht müde, die
Bundesgenossen zu beaufsichtigen, bei inneren Streitigkeiten zu mahnen, daß
jetzt jede andre Rücksicht der Pflicht, die bedrohte Freiheit zu retten, weichen
müsse, Säumige anzutreiben, Mutlose zu ermuntern, auf Einheit und Plan
in den militärischen Unternehmungen zu dringen; päpstliche Gesandte, schreiben
sie, die Welsen, dürften um keinen Preis in eine Stadt des Bundes eingelassen
werden. Gleichzeitig schließen sie ein Bündnis mit Robert, dem Könige von
Sizilien (wie damals der König von Neapel genannt wurde). Und während
sie dem Papste schmeicheln, ihn von der Kirchenfeindlichkeit des in Wirklich¬
keit aufrichtig frommen Kaisers zu überzeugen und ihn so mit diesem zu ent¬
zweien suchen, schreiben sie dem König Robert, an die päpstlichen Mahnungen
zur Freundschaft mit Heinrich dürfe er sich nicht kehren. Gleichzeitig Hetzen
sie den König von Frankreich gegen Heinrich auf und suchen durch Bestechung
im Kardinalskvllegium die französische Partei zu stärken. Dem König Robert
liegen sie fortwährend mit der Bitte um Hilfe und mit der Mahnung zu
energischen Schritten in den Ohren, und als sie Briefe aufgefangen haben,
aus denen hervorgeht, daß Heinrich und Robert in Unterhandlungen mit
einander stehen, suchen sie letzteren davon abzubringen, indem sie in ihrem
Schreiben ihre Erbitterung verbergen lind ihre Mahnungen stets in eine so
liebenswürdige Form kleiden, daß sich der König nicht beleidigt fühlen kann..
Ganz geuau überwache" sie, nachdem Heinrich in Rom angelangt ist, die
Schritte ihrer dorthin geschickten Truppen, auch das finanzielle Interesse in
den Anweisungen zur Soldznhlnng u. dergl. sorglich wahrend. Als dann
Heinrich in Tuscien stand und ihre Stadt unmittelbar bedrohte, überwachten
sie mit größter Umsicht die Verteidigungsmaßregeln; jeden militärisch wichtigen
Punkt, das Benehmen jeder Dorfgemeinde, jedes Fleckens behielten sie im
Auge, keine Bewegung entging ihrer Aufmerksamkeit, wohin immer es nötig
schien, erging sofort eine Weisung, eine Mahnung oder Drohung oder ein
Strafbefehl. Auch in den Tagen der höchsten Gefahr und der tiefsten Er¬
schöpfung wollten sie von der Vermittelung, die der Papst anbot, nichts wissen;
lieber wollten sie allesamt sterben, als ihre Unabhängigkeit preisgeben. So
hielten sie drei Jahre laug aus, bis der unerwartete und gar nicht zu er¬
wartende Tod des Kaisers ihre Beharrlichkeit krönte.

Um diese Korrespondenz würdigen zu können, muß man bedenken, daß


malie. Vor allein wird eine neue Welfenliga der tuscischen Städte begründet
und ein Heer aufgestellt. Unaufhörlich gehen Boten und Briefe mit Mah¬
nungen an die Städte Lombardiens und der Trevisaner Mark, sich dem Bunde
anzuschließen, und mit Geldunterstützuugen; die Florentiner werden nicht müde,
den schwankenden uuter den Städten klar zu machen, daß die deutsche Herr¬
schaft mit der Eigenart und dem Gedeihen der italienischen Städte unverträg¬
lich sei, und vor der Verführung durch die schönen Versprechungen des Kaisers
zu warnen, der sein Wort nicht halten werde. Sie werden nicht müde, die
Bundesgenossen zu beaufsichtigen, bei inneren Streitigkeiten zu mahnen, daß
jetzt jede andre Rücksicht der Pflicht, die bedrohte Freiheit zu retten, weichen
müsse, Säumige anzutreiben, Mutlose zu ermuntern, auf Einheit und Plan
in den militärischen Unternehmungen zu dringen; päpstliche Gesandte, schreiben
sie, die Welsen, dürften um keinen Preis in eine Stadt des Bundes eingelassen
werden. Gleichzeitig schließen sie ein Bündnis mit Robert, dem Könige von
Sizilien (wie damals der König von Neapel genannt wurde). Und während
sie dem Papste schmeicheln, ihn von der Kirchenfeindlichkeit des in Wirklich¬
keit aufrichtig frommen Kaisers zu überzeugen und ihn so mit diesem zu ent¬
zweien suchen, schreiben sie dem König Robert, an die päpstlichen Mahnungen
zur Freundschaft mit Heinrich dürfe er sich nicht kehren. Gleichzeitig Hetzen
sie den König von Frankreich gegen Heinrich auf und suchen durch Bestechung
im Kardinalskvllegium die französische Partei zu stärken. Dem König Robert
liegen sie fortwährend mit der Bitte um Hilfe und mit der Mahnung zu
energischen Schritten in den Ohren, und als sie Briefe aufgefangen haben,
aus denen hervorgeht, daß Heinrich und Robert in Unterhandlungen mit
einander stehen, suchen sie letzteren davon abzubringen, indem sie in ihrem
Schreiben ihre Erbitterung verbergen lind ihre Mahnungen stets in eine so
liebenswürdige Form kleiden, daß sich der König nicht beleidigt fühlen kann..
Ganz geuau überwache» sie, nachdem Heinrich in Rom angelangt ist, die
Schritte ihrer dorthin geschickten Truppen, auch das finanzielle Interesse in
den Anweisungen zur Soldznhlnng u. dergl. sorglich wahrend. Als dann
Heinrich in Tuscien stand und ihre Stadt unmittelbar bedrohte, überwachten
sie mit größter Umsicht die Verteidigungsmaßregeln; jeden militärisch wichtigen
Punkt, das Benehmen jeder Dorfgemeinde, jedes Fleckens behielten sie im
Auge, keine Bewegung entging ihrer Aufmerksamkeit, wohin immer es nötig
schien, erging sofort eine Weisung, eine Mahnung oder Drohung oder ein
Strafbefehl. Auch in den Tagen der höchsten Gefahr und der tiefsten Er¬
schöpfung wollten sie von der Vermittelung, die der Papst anbot, nichts wissen;
lieber wollten sie allesamt sterben, als ihre Unabhängigkeit preisgeben. So
hielten sie drei Jahre laug aus, bis der unerwartete und gar nicht zu er¬
wartende Tod des Kaisers ihre Beharrlichkeit krönte.

Um diese Korrespondenz würdigen zu können, muß man bedenken, daß


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0609" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/210476"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_1709" prev="#ID_1708"> malie. Vor allein wird eine neue Welfenliga der tuscischen Städte begründet<lb/>
und ein Heer aufgestellt. Unaufhörlich gehen Boten und Briefe mit Mah¬<lb/>
nungen an die Städte Lombardiens und der Trevisaner Mark, sich dem Bunde<lb/>
anzuschließen, und mit Geldunterstützuugen; die Florentiner werden nicht müde,<lb/>
den schwankenden uuter den Städten klar zu machen, daß die deutsche Herr¬<lb/>
schaft mit der Eigenart und dem Gedeihen der italienischen Städte unverträg¬<lb/>
lich sei, und vor der Verführung durch die schönen Versprechungen des Kaisers<lb/>
zu warnen, der sein Wort nicht halten werde. Sie werden nicht müde, die<lb/>
Bundesgenossen zu beaufsichtigen, bei inneren Streitigkeiten zu mahnen, daß<lb/>
jetzt jede andre Rücksicht der Pflicht, die bedrohte Freiheit zu retten, weichen<lb/>
müsse, Säumige anzutreiben, Mutlose zu ermuntern, auf Einheit und Plan<lb/>
in den militärischen Unternehmungen zu dringen; päpstliche Gesandte, schreiben<lb/>
sie, die Welsen, dürften um keinen Preis in eine Stadt des Bundes eingelassen<lb/>
werden. Gleichzeitig schließen sie ein Bündnis mit Robert, dem Könige von<lb/>
Sizilien (wie damals der König von Neapel genannt wurde). Und während<lb/>
sie dem Papste schmeicheln, ihn von der Kirchenfeindlichkeit des in Wirklich¬<lb/>
keit aufrichtig frommen Kaisers zu überzeugen und ihn so mit diesem zu ent¬<lb/>
zweien suchen, schreiben sie dem König Robert, an die päpstlichen Mahnungen<lb/>
zur Freundschaft mit Heinrich dürfe er sich nicht kehren. Gleichzeitig Hetzen<lb/>
sie den König von Frankreich gegen Heinrich auf und suchen durch Bestechung<lb/>
im Kardinalskvllegium die französische Partei zu stärken. Dem König Robert<lb/>
liegen sie fortwährend mit der Bitte um Hilfe und mit der Mahnung zu<lb/>
energischen Schritten in den Ohren, und als sie Briefe aufgefangen haben,<lb/>
aus denen hervorgeht, daß Heinrich und Robert in Unterhandlungen mit<lb/>
einander stehen, suchen sie letzteren davon abzubringen, indem sie in ihrem<lb/>
Schreiben ihre Erbitterung verbergen lind ihre Mahnungen stets in eine so<lb/>
liebenswürdige Form kleiden, daß sich der König nicht beleidigt fühlen kann..<lb/>
Ganz geuau überwache» sie, nachdem Heinrich in Rom angelangt ist, die<lb/>
Schritte ihrer dorthin geschickten Truppen, auch das finanzielle Interesse in<lb/>
den Anweisungen zur Soldznhlnng u. dergl. sorglich wahrend. Als dann<lb/>
Heinrich in Tuscien stand und ihre Stadt unmittelbar bedrohte, überwachten<lb/>
sie mit größter Umsicht die Verteidigungsmaßregeln; jeden militärisch wichtigen<lb/>
Punkt, das Benehmen jeder Dorfgemeinde, jedes Fleckens behielten sie im<lb/>
Auge, keine Bewegung entging ihrer Aufmerksamkeit, wohin immer es nötig<lb/>
schien, erging sofort eine Weisung, eine Mahnung oder Drohung oder ein<lb/>
Strafbefehl. Auch in den Tagen der höchsten Gefahr und der tiefsten Er¬<lb/>
schöpfung wollten sie von der Vermittelung, die der Papst anbot, nichts wissen;<lb/>
lieber wollten sie allesamt sterben, als ihre Unabhängigkeit preisgeben. So<lb/>
hielten sie drei Jahre laug aus, bis der unerwartete und gar nicht zu er¬<lb/>
wartende Tod des Kaisers ihre Beharrlichkeit krönte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1710" next="#ID_1711"> Um diese Korrespondenz würdigen zu können, muß man bedenken, daß</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0609] malie. Vor allein wird eine neue Welfenliga der tuscischen Städte begründet und ein Heer aufgestellt. Unaufhörlich gehen Boten und Briefe mit Mah¬ nungen an die Städte Lombardiens und der Trevisaner Mark, sich dem Bunde anzuschließen, und mit Geldunterstützuugen; die Florentiner werden nicht müde, den schwankenden uuter den Städten klar zu machen, daß die deutsche Herr¬ schaft mit der Eigenart und dem Gedeihen der italienischen Städte unverträg¬ lich sei, und vor der Verführung durch die schönen Versprechungen des Kaisers zu warnen, der sein Wort nicht halten werde. Sie werden nicht müde, die Bundesgenossen zu beaufsichtigen, bei inneren Streitigkeiten zu mahnen, daß jetzt jede andre Rücksicht der Pflicht, die bedrohte Freiheit zu retten, weichen müsse, Säumige anzutreiben, Mutlose zu ermuntern, auf Einheit und Plan in den militärischen Unternehmungen zu dringen; päpstliche Gesandte, schreiben sie, die Welsen, dürften um keinen Preis in eine Stadt des Bundes eingelassen werden. Gleichzeitig schließen sie ein Bündnis mit Robert, dem Könige von Sizilien (wie damals der König von Neapel genannt wurde). Und während sie dem Papste schmeicheln, ihn von der Kirchenfeindlichkeit des in Wirklich¬ keit aufrichtig frommen Kaisers zu überzeugen und ihn so mit diesem zu ent¬ zweien suchen, schreiben sie dem König Robert, an die päpstlichen Mahnungen zur Freundschaft mit Heinrich dürfe er sich nicht kehren. Gleichzeitig Hetzen sie den König von Frankreich gegen Heinrich auf und suchen durch Bestechung im Kardinalskvllegium die französische Partei zu stärken. Dem König Robert liegen sie fortwährend mit der Bitte um Hilfe und mit der Mahnung zu energischen Schritten in den Ohren, und als sie Briefe aufgefangen haben, aus denen hervorgeht, daß Heinrich und Robert in Unterhandlungen mit einander stehen, suchen sie letzteren davon abzubringen, indem sie in ihrem Schreiben ihre Erbitterung verbergen lind ihre Mahnungen stets in eine so liebenswürdige Form kleiden, daß sich der König nicht beleidigt fühlen kann.. Ganz geuau überwache» sie, nachdem Heinrich in Rom angelangt ist, die Schritte ihrer dorthin geschickten Truppen, auch das finanzielle Interesse in den Anweisungen zur Soldznhlnng u. dergl. sorglich wahrend. Als dann Heinrich in Tuscien stand und ihre Stadt unmittelbar bedrohte, überwachten sie mit größter Umsicht die Verteidigungsmaßregeln; jeden militärisch wichtigen Punkt, das Benehmen jeder Dorfgemeinde, jedes Fleckens behielten sie im Auge, keine Bewegung entging ihrer Aufmerksamkeit, wohin immer es nötig schien, erging sofort eine Weisung, eine Mahnung oder Drohung oder ein Strafbefehl. Auch in den Tagen der höchsten Gefahr und der tiefsten Er¬ schöpfung wollten sie von der Vermittelung, die der Papst anbot, nichts wissen; lieber wollten sie allesamt sterben, als ihre Unabhängigkeit preisgeben. So hielten sie drei Jahre laug aus, bis der unerwartete und gar nicht zu er¬ wartende Tod des Kaisers ihre Beharrlichkeit krönte. Um diese Korrespondenz würdigen zu können, muß man bedenken, daß

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/609
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/609>, abgerufen am 24.07.2024.