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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Die Rechtsveifolamig wider den Staat

zu Verlagen sei. Was schließlich aus der Sache geworden ist, ist mir nicht
bekannt. Aber ist eS nicht traurig, wenn einer armen Witwe, die ihr Recht
verfolgen will, solche Schwierigkeiten bereitet werden?

Maiiche Ansprache wider den Staat sind überdies an eine ganz kurze
Verjährungsfrist geknüpft. Ist nnn während des ""richtig angestellte" Pro¬
zesses diese Verjährnngsfrist abgelaufen, so kann der Kläger nicht einmal mehr
eine neue Klage erheben, und dann ist er also durch die zweifelhafte Behördcn-
kompetenz geradezu um sei" Recht gebracht. So bildet diese an die mannich-
faltige Gliederung der Behörden geknüpfte ZnstnndigteitSfrage ein Mittel,
durch das sich der Staat proteusartig der Rechtsprechung entzieht.

Wer noch nicht eine vollkommene Anschauung von den Schwierigkeiten
haben sollte, die die Auffindung der in jedem Einzelfalle zu belangenden Be¬
hörde in Preußen wie im Reiche darbietet, der erhält diese Anschauung in
vollem Maße aus einer jüngst erschienenen Schrift: Zusammenstellung
der Behörden, welche den Preußischen Landes- und den deutschen
Neichsfiskns im Prozesse zu vertreten befugt sind. Bon Ulrich
Fritze, Gerichtsasscssvr in Kassel. (Berlin, bei Franz Vahlen.) Zugleich
gewährt diese Schrift in höchst dankenswerter Weise die Mittel, die gedachten
Schwierigkeiten, so gut wie es eben möglich ist, zu überwinden, indem sie alle
über die Vertretung des Staates im Prozeß vorhandenen Bestimmungen ge¬
sammelt und zusammengestellt hat. Dein Vernehmen nach hat der Verfasser,
während er zeitweise im preußischen Justizministerium beschäftigt war, auf höhere
Veranlassung diese Schrift zu bearbeiten unternommen, und es ist höchst er¬
freulich, daß man endlich auch an höherer Stelle dieser Angelegenheit, die in
der That eine schwere Anklage gegen die bestehende Gesetzgebung begründet,
Aufmerksamkeit zuwendet.

Das Material zu der Schrift hat der Verfasser aus einer großen Anzahl
an sehr verschiedenen Stellen abgedruckter Gesetze, Verordnungen, Erlasse,
Verfügungen, Bekanntmachungen, Urteile und sonstiger Hilfsmittel zusammen¬
suchen müssen. Von der Vertretung des Preußischen Lnndesfiskns handeln
Seite 1 bis 150, von der Vertretung des Reichsfiskns Seite 151 bis 191.
Schon ans diesem Umfange der Schrift ersieht man, daß die Lehre von der
Vertretung des Fiskus eine ganze kleine Wissenschaft umfaßt, die jeder Anwalt
sich aneignen muß, wenn er es vermeiden will, seiner Partei die Kohle" eines
vergeblichen Prozesses aufzuladen. Gerade die große Gründlichkeit und Ge¬
wissenhaftigkeit, mit der der Verfasser alles auf die Lehre bezügliche Material
aufgesucht und zusammengestellt hat, ergiebt um aber anch, wie viele Zweifel
und Lücken noch in der Lehre vorhanden sind, und wie selbst uuter Benutzung
dieser fleißigen Arbeit die Prozeßparteien bei einem gegen den Fiskus zu er¬
hebenden Rechtsstreit noch keineswegs sicher gestellt sind vor der Gefahr, eine
unrichtige Behörde zu verklagen.


Die Rechtsveifolamig wider den Staat

zu Verlagen sei. Was schließlich aus der Sache geworden ist, ist mir nicht
bekannt. Aber ist eS nicht traurig, wenn einer armen Witwe, die ihr Recht
verfolgen will, solche Schwierigkeiten bereitet werden?

Maiiche Ansprache wider den Staat sind überdies an eine ganz kurze
Verjährungsfrist geknüpft. Ist nnn während des »»richtig angestellte» Pro¬
zesses diese Verjährnngsfrist abgelaufen, so kann der Kläger nicht einmal mehr
eine neue Klage erheben, und dann ist er also durch die zweifelhafte Behördcn-
kompetenz geradezu um sei» Recht gebracht. So bildet diese an die mannich-
faltige Gliederung der Behörden geknüpfte ZnstnndigteitSfrage ein Mittel,
durch das sich der Staat proteusartig der Rechtsprechung entzieht.

Wer noch nicht eine vollkommene Anschauung von den Schwierigkeiten
haben sollte, die die Auffindung der in jedem Einzelfalle zu belangenden Be¬
hörde in Preußen wie im Reiche darbietet, der erhält diese Anschauung in
vollem Maße aus einer jüngst erschienenen Schrift: Zusammenstellung
der Behörden, welche den Preußischen Landes- und den deutschen
Neichsfiskns im Prozesse zu vertreten befugt sind. Bon Ulrich
Fritze, Gerichtsasscssvr in Kassel. (Berlin, bei Franz Vahlen.) Zugleich
gewährt diese Schrift in höchst dankenswerter Weise die Mittel, die gedachten
Schwierigkeiten, so gut wie es eben möglich ist, zu überwinden, indem sie alle
über die Vertretung des Staates im Prozeß vorhandenen Bestimmungen ge¬
sammelt und zusammengestellt hat. Dein Vernehmen nach hat der Verfasser,
während er zeitweise im preußischen Justizministerium beschäftigt war, auf höhere
Veranlassung diese Schrift zu bearbeiten unternommen, und es ist höchst er¬
freulich, daß man endlich auch an höherer Stelle dieser Angelegenheit, die in
der That eine schwere Anklage gegen die bestehende Gesetzgebung begründet,
Aufmerksamkeit zuwendet.

Das Material zu der Schrift hat der Verfasser aus einer großen Anzahl
an sehr verschiedenen Stellen abgedruckter Gesetze, Verordnungen, Erlasse,
Verfügungen, Bekanntmachungen, Urteile und sonstiger Hilfsmittel zusammen¬
suchen müssen. Von der Vertretung des Preußischen Lnndesfiskns handeln
Seite 1 bis 150, von der Vertretung des Reichsfiskns Seite 151 bis 191.
Schon ans diesem Umfange der Schrift ersieht man, daß die Lehre von der
Vertretung des Fiskus eine ganze kleine Wissenschaft umfaßt, die jeder Anwalt
sich aneignen muß, wenn er es vermeiden will, seiner Partei die Kohle» eines
vergeblichen Prozesses aufzuladen. Gerade die große Gründlichkeit und Ge¬
wissenhaftigkeit, mit der der Verfasser alles auf die Lehre bezügliche Material
aufgesucht und zusammengestellt hat, ergiebt um aber anch, wie viele Zweifel
und Lücken noch in der Lehre vorhanden sind, und wie selbst uuter Benutzung
dieser fleißigen Arbeit die Prozeßparteien bei einem gegen den Fiskus zu er¬
hebenden Rechtsstreit noch keineswegs sicher gestellt sind vor der Gefahr, eine
unrichtige Behörde zu verklagen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/514>, abgerufen am 24.07.2024.