Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
wünsche für die Statistik

Schaffung statistischer Zentralstellen "ach Art der Oberrechniingskammern er¬
scheine, während die statistischen Ämter nicht bloß Zahlen erheben, sondern
auch Thatsachen ermitteln, Einrichtungen und Zustände beschreiben und in
dieser der Wissenschaft und Praxis gewidmeten Thätigkeit ihre Antriebe zwar
zunächst von den Regierungen und Behörden, gleichzeitig aber auch von den
Parlamenten und vom Volke selbst erhalten sollen. Das ist ein gesunder.
Praktischer Vorschlag. Wenn Zahlen der Deutung bedürfen, so sind doch die
statistischen Ämter/die der Sache zunächst stehen, die Entstehung der Zahlen
kennen und deren Gruppirung veranstaltet haben, in erster Linie berufen,
wenigstens die Erläuterungen zu liefern, die zur richtigen Deutung der Ziffern
unerläßlich scheinen, z, B. für die Ursachen der Schwankungen im Verkehre
der Waren und in der Benutzung der Bahnen und Wasserstraßen, für die
Erscheinungen, die sich bei der Ein- und Auswanderung bieten -- nach Zielen
und Beweggründen --, für Umstände, von denen die Erträgnisse von Steuern,
Zöllen und Abgaben abhängen, und für hundert andre Dinge, die ein Augeu-
blicksbild oder einen Entwicklungsgang der Dinge in Zahlen darstellen. Auf
diese Weise wird die Entstehung einer Menge von Irrtümern verhindert, in
die eine den Dingen fernstehende Zeitschrift geraten könnte, die lediglich
aus Ziffern ohne Text Schlüsse zu ziehen in der Lage wäre. Ebenso der
Beherzigung wert ist der Vorschlag, daß die statistischen Ämter Einrichtungen
und Zustände beschreibe" und nicht nnr Zahlen dafür bringen sollen. Wenn
nur mir Zahlen erfahren über die in einem Lande bestehenden Lehranstalten,
Krankenhäuser, über Bergwerke, Salinen, Steinbrüche, über Bewässerungen
oder Entwässerungen. Aufforstungen n. s. w., so bleibt dabei die verzeihliche
Neugierde des Laien, wo denn solche Anstalten, Einrichtungen, Natur¬
erscheinungen n. s. w. zu finden siud. wo sich dieses oder jeues im Lande ge¬
bessert haben soll, selbst dann unbefriedigt, wenn Nur Verhültuiszahleu zum
Kopfe der Bevölkerung, zur Fläche, über die Kosten und deren Deckung er¬
halten. Was soll da für den Leser im Gedächtnisse haften bleiben? welche
Vorstellungen werden dadurch geschaffen? ^cmünÄ si ngsviu, psritzt, vognitio
rvrum. Wenn aber Namen und Örtlichkeiten beigegeben werden, dann
gewinnt die Zifferndarstellnng Gestalt und Farben, dann wird auch das
Interesse allgemeiner geweckt werden. Die deutschen statistischen Ämter würden
z. B. eine große Aufgabe erfüllen, wenn sie durch Verbindung von Zahlen
und Text unter Einhaltung eines durch gemeinschaftliche Beratung gewonnenen
einheitlichen Musters eine Beschreibung des deutschen Reiches veranstalteten
und zu diesem Zwecke auch andre Kräfte heranzögen. Böhmert hat durch
seine Hinweisungen auf die eigentlichen Aufgaben der statistischen Ämter den
Kern der bestehenden Mißstände getroffen. Wir müssen uns erinnern, wie
den" eigentlich die Wissenschaft der Statistik als solche entstanden ist. An¬
fänglich, als die Statistik noch einfache Landes- und Volkskunde war. brachte


wünsche für die Statistik

Schaffung statistischer Zentralstellen »ach Art der Oberrechniingskammern er¬
scheine, während die statistischen Ämter nicht bloß Zahlen erheben, sondern
auch Thatsachen ermitteln, Einrichtungen und Zustände beschreiben und in
dieser der Wissenschaft und Praxis gewidmeten Thätigkeit ihre Antriebe zwar
zunächst von den Regierungen und Behörden, gleichzeitig aber auch von den
Parlamenten und vom Volke selbst erhalten sollen. Das ist ein gesunder.
Praktischer Vorschlag. Wenn Zahlen der Deutung bedürfen, so sind doch die
statistischen Ämter/die der Sache zunächst stehen, die Entstehung der Zahlen
kennen und deren Gruppirung veranstaltet haben, in erster Linie berufen,
wenigstens die Erläuterungen zu liefern, die zur richtigen Deutung der Ziffern
unerläßlich scheinen, z, B. für die Ursachen der Schwankungen im Verkehre
der Waren und in der Benutzung der Bahnen und Wasserstraßen, für die
Erscheinungen, die sich bei der Ein- und Auswanderung bieten — nach Zielen
und Beweggründen —, für Umstände, von denen die Erträgnisse von Steuern,
Zöllen und Abgaben abhängen, und für hundert andre Dinge, die ein Augeu-
blicksbild oder einen Entwicklungsgang der Dinge in Zahlen darstellen. Auf
diese Weise wird die Entstehung einer Menge von Irrtümern verhindert, in
die eine den Dingen fernstehende Zeitschrift geraten könnte, die lediglich
aus Ziffern ohne Text Schlüsse zu ziehen in der Lage wäre. Ebenso der
Beherzigung wert ist der Vorschlag, daß die statistischen Ämter Einrichtungen
und Zustände beschreibe» und nicht nnr Zahlen dafür bringen sollen. Wenn
nur mir Zahlen erfahren über die in einem Lande bestehenden Lehranstalten,
Krankenhäuser, über Bergwerke, Salinen, Steinbrüche, über Bewässerungen
oder Entwässerungen. Aufforstungen n. s. w., so bleibt dabei die verzeihliche
Neugierde des Laien, wo denn solche Anstalten, Einrichtungen, Natur¬
erscheinungen n. s. w. zu finden siud. wo sich dieses oder jeues im Lande ge¬
bessert haben soll, selbst dann unbefriedigt, wenn Nur Verhültuiszahleu zum
Kopfe der Bevölkerung, zur Fläche, über die Kosten und deren Deckung er¬
halten. Was soll da für den Leser im Gedächtnisse haften bleiben? welche
Vorstellungen werden dadurch geschaffen? ^cmünÄ si ngsviu, psritzt, vognitio
rvrum. Wenn aber Namen und Örtlichkeiten beigegeben werden, dann
gewinnt die Zifferndarstellnng Gestalt und Farben, dann wird auch das
Interesse allgemeiner geweckt werden. Die deutschen statistischen Ämter würden
z. B. eine große Aufgabe erfüllen, wenn sie durch Verbindung von Zahlen
und Text unter Einhaltung eines durch gemeinschaftliche Beratung gewonnenen
einheitlichen Musters eine Beschreibung des deutschen Reiches veranstalteten
und zu diesem Zwecke auch andre Kräfte heranzögen. Böhmert hat durch
seine Hinweisungen auf die eigentlichen Aufgaben der statistischen Ämter den
Kern der bestehenden Mißstände getroffen. Wir müssen uns erinnern, wie
den» eigentlich die Wissenschaft der Statistik als solche entstanden ist. An¬
fänglich, als die Statistik noch einfache Landes- und Volkskunde war. brachte


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0503" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/210370"/>
          <fw type="header" place="top"> wünsche für die Statistik</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1390" prev="#ID_1389" next="#ID_1391"> Schaffung statistischer Zentralstellen »ach Art der Oberrechniingskammern er¬<lb/>
scheine, während die statistischen Ämter nicht bloß Zahlen erheben, sondern<lb/>
auch Thatsachen ermitteln, Einrichtungen und Zustände beschreiben und in<lb/>
dieser der Wissenschaft und Praxis gewidmeten Thätigkeit ihre Antriebe zwar<lb/>
zunächst von den Regierungen und Behörden, gleichzeitig aber auch von den<lb/>
Parlamenten und vom Volke selbst erhalten sollen. Das ist ein gesunder.<lb/>
Praktischer Vorschlag. Wenn Zahlen der Deutung bedürfen, so sind doch die<lb/>
statistischen Ämter/die der Sache zunächst stehen, die Entstehung der Zahlen<lb/>
kennen und deren Gruppirung veranstaltet haben, in erster Linie berufen,<lb/>
wenigstens die Erläuterungen zu liefern, die zur richtigen Deutung der Ziffern<lb/>
unerläßlich scheinen, z, B. für die Ursachen der Schwankungen im Verkehre<lb/>
der Waren und in der Benutzung der Bahnen und Wasserstraßen, für die<lb/>
Erscheinungen, die sich bei der Ein- und Auswanderung bieten &#x2014; nach Zielen<lb/>
und Beweggründen &#x2014;, für Umstände, von denen die Erträgnisse von Steuern,<lb/>
Zöllen und Abgaben abhängen, und für hundert andre Dinge, die ein Augeu-<lb/>
blicksbild oder einen Entwicklungsgang der Dinge in Zahlen darstellen. Auf<lb/>
diese Weise wird die Entstehung einer Menge von Irrtümern verhindert, in<lb/>
die eine den Dingen fernstehende Zeitschrift geraten könnte, die lediglich<lb/>
aus Ziffern ohne Text Schlüsse zu ziehen in der Lage wäre. Ebenso der<lb/>
Beherzigung wert ist der Vorschlag, daß die statistischen Ämter Einrichtungen<lb/>
und Zustände beschreibe» und nicht nnr Zahlen dafür bringen sollen. Wenn<lb/>
nur mir Zahlen erfahren über die in einem Lande bestehenden Lehranstalten,<lb/>
Krankenhäuser, über Bergwerke, Salinen, Steinbrüche, über Bewässerungen<lb/>
oder Entwässerungen. Aufforstungen n. s. w., so bleibt dabei die verzeihliche<lb/>
Neugierde des Laien, wo denn solche Anstalten, Einrichtungen, Natur¬<lb/>
erscheinungen n. s. w. zu finden siud. wo sich dieses oder jeues im Lande ge¬<lb/>
bessert haben soll, selbst dann unbefriedigt, wenn Nur Verhültuiszahleu zum<lb/>
Kopfe der Bevölkerung, zur Fläche, über die Kosten und deren Deckung er¬<lb/>
halten. Was soll da für den Leser im Gedächtnisse haften bleiben? welche<lb/>
Vorstellungen werden dadurch geschaffen? ^cmünÄ si ngsviu, psritzt, vognitio<lb/>
rvrum. Wenn aber Namen und Örtlichkeiten beigegeben werden, dann<lb/>
gewinnt die Zifferndarstellnng Gestalt und Farben, dann wird auch das<lb/>
Interesse allgemeiner geweckt werden. Die deutschen statistischen Ämter würden<lb/>
z. B. eine große Aufgabe erfüllen, wenn sie durch Verbindung von Zahlen<lb/>
und Text unter Einhaltung eines durch gemeinschaftliche Beratung gewonnenen<lb/>
einheitlichen Musters eine Beschreibung des deutschen Reiches veranstalteten<lb/>
und zu diesem Zwecke auch andre Kräfte heranzögen. Böhmert hat durch<lb/>
seine Hinweisungen auf die eigentlichen Aufgaben der statistischen Ämter den<lb/>
Kern der bestehenden Mißstände getroffen. Wir müssen uns erinnern, wie<lb/>
den» eigentlich die Wissenschaft der Statistik als solche entstanden ist. An¬<lb/>
fänglich, als die Statistik noch einfache Landes- und Volkskunde war. brachte</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0503] wünsche für die Statistik Schaffung statistischer Zentralstellen »ach Art der Oberrechniingskammern er¬ scheine, während die statistischen Ämter nicht bloß Zahlen erheben, sondern auch Thatsachen ermitteln, Einrichtungen und Zustände beschreiben und in dieser der Wissenschaft und Praxis gewidmeten Thätigkeit ihre Antriebe zwar zunächst von den Regierungen und Behörden, gleichzeitig aber auch von den Parlamenten und vom Volke selbst erhalten sollen. Das ist ein gesunder. Praktischer Vorschlag. Wenn Zahlen der Deutung bedürfen, so sind doch die statistischen Ämter/die der Sache zunächst stehen, die Entstehung der Zahlen kennen und deren Gruppirung veranstaltet haben, in erster Linie berufen, wenigstens die Erläuterungen zu liefern, die zur richtigen Deutung der Ziffern unerläßlich scheinen, z, B. für die Ursachen der Schwankungen im Verkehre der Waren und in der Benutzung der Bahnen und Wasserstraßen, für die Erscheinungen, die sich bei der Ein- und Auswanderung bieten — nach Zielen und Beweggründen —, für Umstände, von denen die Erträgnisse von Steuern, Zöllen und Abgaben abhängen, und für hundert andre Dinge, die ein Augeu- blicksbild oder einen Entwicklungsgang der Dinge in Zahlen darstellen. Auf diese Weise wird die Entstehung einer Menge von Irrtümern verhindert, in die eine den Dingen fernstehende Zeitschrift geraten könnte, die lediglich aus Ziffern ohne Text Schlüsse zu ziehen in der Lage wäre. Ebenso der Beherzigung wert ist der Vorschlag, daß die statistischen Ämter Einrichtungen und Zustände beschreibe» und nicht nnr Zahlen dafür bringen sollen. Wenn nur mir Zahlen erfahren über die in einem Lande bestehenden Lehranstalten, Krankenhäuser, über Bergwerke, Salinen, Steinbrüche, über Bewässerungen oder Entwässerungen. Aufforstungen n. s. w., so bleibt dabei die verzeihliche Neugierde des Laien, wo denn solche Anstalten, Einrichtungen, Natur¬ erscheinungen n. s. w. zu finden siud. wo sich dieses oder jeues im Lande ge¬ bessert haben soll, selbst dann unbefriedigt, wenn Nur Verhültuiszahleu zum Kopfe der Bevölkerung, zur Fläche, über die Kosten und deren Deckung er¬ halten. Was soll da für den Leser im Gedächtnisse haften bleiben? welche Vorstellungen werden dadurch geschaffen? ^cmünÄ si ngsviu, psritzt, vognitio rvrum. Wenn aber Namen und Örtlichkeiten beigegeben werden, dann gewinnt die Zifferndarstellnng Gestalt und Farben, dann wird auch das Interesse allgemeiner geweckt werden. Die deutschen statistischen Ämter würden z. B. eine große Aufgabe erfüllen, wenn sie durch Verbindung von Zahlen und Text unter Einhaltung eines durch gemeinschaftliche Beratung gewonnenen einheitlichen Musters eine Beschreibung des deutschen Reiches veranstalteten und zu diesem Zwecke auch andre Kräfte heranzögen. Böhmert hat durch seine Hinweisungen auf die eigentlichen Aufgaben der statistischen Ämter den Kern der bestehenden Mißstände getroffen. Wir müssen uns erinnern, wie den» eigentlich die Wissenschaft der Statistik als solche entstanden ist. An¬ fänglich, als die Statistik noch einfache Landes- und Volkskunde war. brachte

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/503
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/503>, abgerufen am 24.07.2024.