Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.Ihres Römische Geschichte setzen, an der Forschung selbst teilzunehmen. Er entwickelt daher nicht nur in Die Verschiedenheit in der Anffassnngs- und DarstellnngsN'else Mommsens Ihres Römische Geschichte setzen, an der Forschung selbst teilzunehmen. Er entwickelt daher nicht nur in Die Verschiedenheit in der Anffassnngs- und DarstellnngsN'else Mommsens <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0467" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/210334"/> <fw type="header" place="top"> Ihres Römische Geschichte</fw><lb/> <p xml:id="ID_1303" prev="#ID_1302"> setzen, an der Forschung selbst teilzunehmen. Er entwickelt daher nicht nur in<lb/> der Darstellung selbst die verschiednen Ansichten, um ihnen schließlich seine eigne<lb/> gegenüberzustellen; er giebt anch unter der Darstellung zahlreiche Anmerlniigen,<lb/> in denen schwierigere Stellen oder Widersprüche in unsrer Überlieferung<lb/> besprochen und mit zilnehmender Ausführlichkeit die Beweisstellen selbst mit¬<lb/> geteilt werden, sodaß in den spätern Bünden häufig ein Viertel oder ein<lb/> Drittel, zuweilen die Hälfte der Seite mit Abschriften aus griechischen und<lb/> römischen Schriftstellern gefüllt ist. Diese Belastung des Buches muß unnötig<lb/> genannt werden. Einfache Verweisungen würden genügen, denn wer die Urteile<lb/> des Verfassers nachprüfen will, besitzt die ausgeschriebenen Schriftsteller<lb/> entweder selbst, oder sie steh» ihm mit leichter Mühe zur Verfügung, für ihn<lb/> sind also lange Abschriften überflüssig; wer aber lateinisch und griechisch über¬<lb/> haupt nicht oder nicht mehr recht versteht — und Ihres Buch wendet sich<lb/> „in erster Linie" ans Volk —, für den sind sie nutzlos. Auch die Aus¬<lb/> führlichkeit, mit der die Anmerkungen kleinere Streitfragen behandeln, ist nicht<lb/> zu billigen, trotz des Scharfsinns, womit diese Untersuchungen geführt werden,<lb/> und trotz vieler Anregungen, die darin enthalten sind. Man kauu von einem<lb/> Geschichtsforscher, der fürs Volk schreibt, verlangen, daß er den Stoff völlig<lb/> verarbeite und nicht nötig habe, fein Buch mit Anmerkungen zu überlasten.<lb/> Diese Art des Arbeitens mag bequem sein, aber sie entspricht doch nicht den<lb/> Anforderungen, die wir an ein im besten Sinne „populäres" Buch stelle».</p><lb/> <p xml:id="ID_1304" next="#ID_1305"> Die Verschiedenheit in der Anffassnngs- und DarstellnngsN'else Mommsens<lb/> und Ihres tritt bereits in den ersten Abschnitten deutlich hervor. Beide<lb/> Forscher widmen der Schilderung des Zeitraums von den Anfängen Roms<lb/> bis zum Zusammenstoß der Römer und Karthager gegen fünfhundert Seiten.<lb/> In glänzender und fesselnder Darstellung entwirft Mommsen ein Bild des<lb/> alten Italiens; er führt uus zu dem Stamme der Latiner, als deren Hafen¬<lb/> platz sich Rom erhob; er zeigt, welche Umstände das Übergewicht der Stadt<lb/> über die andern Orte des Stammgebietes beförderten, und welche Thatsachen<lb/> der sagenhaften Überlieferung vou der ältesten Geschichte und Verfassung Roms<lb/> zu Grunde liegen; er schildert die Umwälzung der Verfcisfung und die Aus¬<lb/> dehnung des römischen Gebietes und erweitert den Gesichtskreis von Abschnitt<lb/> zu Abschnitt durch die Erzählung der Kämpfe Roms mit den sabellischen<lb/> Stämmen, den Etruskern und den Hellenen, deren Stndtegrnndnngen in Gro߬<lb/> griechenland das Übergreifen des erobernden Staates über die natürlichen<lb/> Grenzen Italiens herbeiführten. Jhre beginnt seine Darstellung mit den<lb/> Worten: „Als Troja nach dem Rate der Götter von den Griechen bezwungen<lb/> war, floh der edle Alters mit einem Haufen Trojaner aus der brennenden<lb/> Stadt," und giebt nun zunächst auf siebzig Seiten eine kurze Erzählung der<lb/> Sagen von der Gründung Roms, den sieben Königen und dem Sturze der<lb/> Königsherrschaft. Die Aufnahme dieser Sagen wird man nicht tadeln wollen,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0467]
Ihres Römische Geschichte
setzen, an der Forschung selbst teilzunehmen. Er entwickelt daher nicht nur in
der Darstellung selbst die verschiednen Ansichten, um ihnen schließlich seine eigne
gegenüberzustellen; er giebt anch unter der Darstellung zahlreiche Anmerlniigen,
in denen schwierigere Stellen oder Widersprüche in unsrer Überlieferung
besprochen und mit zilnehmender Ausführlichkeit die Beweisstellen selbst mit¬
geteilt werden, sodaß in den spätern Bünden häufig ein Viertel oder ein
Drittel, zuweilen die Hälfte der Seite mit Abschriften aus griechischen und
römischen Schriftstellern gefüllt ist. Diese Belastung des Buches muß unnötig
genannt werden. Einfache Verweisungen würden genügen, denn wer die Urteile
des Verfassers nachprüfen will, besitzt die ausgeschriebenen Schriftsteller
entweder selbst, oder sie steh» ihm mit leichter Mühe zur Verfügung, für ihn
sind also lange Abschriften überflüssig; wer aber lateinisch und griechisch über¬
haupt nicht oder nicht mehr recht versteht — und Ihres Buch wendet sich
„in erster Linie" ans Volk —, für den sind sie nutzlos. Auch die Aus¬
führlichkeit, mit der die Anmerkungen kleinere Streitfragen behandeln, ist nicht
zu billigen, trotz des Scharfsinns, womit diese Untersuchungen geführt werden,
und trotz vieler Anregungen, die darin enthalten sind. Man kauu von einem
Geschichtsforscher, der fürs Volk schreibt, verlangen, daß er den Stoff völlig
verarbeite und nicht nötig habe, fein Buch mit Anmerkungen zu überlasten.
Diese Art des Arbeitens mag bequem sein, aber sie entspricht doch nicht den
Anforderungen, die wir an ein im besten Sinne „populäres" Buch stelle».
Die Verschiedenheit in der Anffassnngs- und DarstellnngsN'else Mommsens
und Ihres tritt bereits in den ersten Abschnitten deutlich hervor. Beide
Forscher widmen der Schilderung des Zeitraums von den Anfängen Roms
bis zum Zusammenstoß der Römer und Karthager gegen fünfhundert Seiten.
In glänzender und fesselnder Darstellung entwirft Mommsen ein Bild des
alten Italiens; er führt uus zu dem Stamme der Latiner, als deren Hafen¬
platz sich Rom erhob; er zeigt, welche Umstände das Übergewicht der Stadt
über die andern Orte des Stammgebietes beförderten, und welche Thatsachen
der sagenhaften Überlieferung vou der ältesten Geschichte und Verfassung Roms
zu Grunde liegen; er schildert die Umwälzung der Verfcisfung und die Aus¬
dehnung des römischen Gebietes und erweitert den Gesichtskreis von Abschnitt
zu Abschnitt durch die Erzählung der Kämpfe Roms mit den sabellischen
Stämmen, den Etruskern und den Hellenen, deren Stndtegrnndnngen in Gro߬
griechenland das Übergreifen des erobernden Staates über die natürlichen
Grenzen Italiens herbeiführten. Jhre beginnt seine Darstellung mit den
Worten: „Als Troja nach dem Rate der Götter von den Griechen bezwungen
war, floh der edle Alters mit einem Haufen Trojaner aus der brennenden
Stadt," und giebt nun zunächst auf siebzig Seiten eine kurze Erzählung der
Sagen von der Gründung Roms, den sieben Königen und dem Sturze der
Königsherrschaft. Die Aufnahme dieser Sagen wird man nicht tadeln wollen,
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