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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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und Klagen, die um so leichter Boden fanden, als natürlich Nachrichten
aus Afrika stets nur langsam zu haben sind, und die menschliche Natur, wenn
sie einmal zum Mißtrauen geneigt ist, nur schwer ihren Pessimismus fallen laßt.

Es erscheint uns uun geradezu bewunderungswürdig, was trotzdem im
Laufe dieses einen Jahres geschehen ist. Vor allem: Ostafrika ist jetzt Reichs-
lvlonie und steht finanziell auf gesichertem Boden. Das Zagen, mit dem in
allen wirtschaftlichen Fragen unser deutsches Kapital zurückhielt, hat aufgehört,
und das Organ der deutschen Kolonialgesellschaft hat bereits in seiner Nummer
vom 10. Januar 1891 dieser veränderten Stimmung Ausdruck gegeben. "Als
ein günstiges Omen -- schreibt die Redaktion -- betrachten wir es, daß am
1. Januar die Reichsflagge, das Symbol deutscher Macht und Stärke, als
Zeichen der unmittelbaren und ausschließlichen Herrschaft Deutschlands über
die ostafrikanische Küste aufgezogen worden ist. Aber der in die Zukunft
schauende Kolvuialfreund sieht des deutschen Reiches Flagge, unter dessen Schutz
und Schirm ein reges wirtschaftliches Leben sich entfalten wird, von des Meeres
umbrandeten Küsten in das noch unbekannte Junere getragen. Denn das
Interesse für überseeische Unternehmungen Deutschlands, welches früher als
Kolonialchanvinismns verspottet wurde, ist jetzt Gemeingut der gebildeten
Klasse der Nation geworden. Über die Mittel und Wege, zu diesem Ziele
zu gelangen, mögen, wie das ja natürlich ist, verschiedne Ansichten herrschen,
aber darin sind alle einig, daß die wirtschaftliche Entwicklung eines der wich¬
tigsten Mittel, und daß es notwendig ist, mit aller Macht eine solche herbei¬
zuführe". Die Ansätze dazu sind überall vorhanden, das Kapital zeigt sich
heute bereiter als früher, sich in Unternehmungen in den deutschen Kolonien
einzulassen, und die von Jahr zu Jahr wachsende Erfahrung macht das Risiko
geringer."

Das wurde vor bald sechs Monate" geschrieben; seitdem aber haben sich
die Verhältnisse in Ostafrika noch wesentlich gebessert. Die Schutztruppe ist end-
giltig organisirt, und zwar so, daß sie, wie der Erfolg bewiesen hat, allen
billigen Anforderungen genügt und uns noch neuerdings die Überraschung
bereite" konnte, daß die räuberischen Massais, die unsre .KaraU'anenstraßeu
verlegten, aus unserm Territorium verdrängt wurden. Die Verwaltung der
gesamten Kolonie ist in die erprobten Hände des Freiherr" von Soden gelegt,
das Arbeitsfeld von Emin, Peters und Wißmann, die bisher durch die Un¬
bestimmtheit ihrer Aufgaben in unerquickliche Kompetenzstreitigteiten zu geraten
Gefahr liefe", ist so bestimmt umgrenzt, daß sich ihre Kreise nicht mehr gegen¬
seitig störe" to""e". Es ist sicher, daß uns die Erfahrinig und Tüchtigkeit
dieser bewährten Pioniere erhalten bleibt, n"d jeder vo" ih"e" führt i" seiner
Weise die deutsche Sache ihrem Ziele näher. Ans den Seen werden bald
deutsche Dampfer Verkehr und Handel sichern, die erste Eisenbahnlinie ist ge¬
sichert, Plantagen erstehen in immer weiterem Umfange, und die eingeborene


und Klagen, die um so leichter Boden fanden, als natürlich Nachrichten
aus Afrika stets nur langsam zu haben sind, und die menschliche Natur, wenn
sie einmal zum Mißtrauen geneigt ist, nur schwer ihren Pessimismus fallen laßt.

Es erscheint uns uun geradezu bewunderungswürdig, was trotzdem im
Laufe dieses einen Jahres geschehen ist. Vor allem: Ostafrika ist jetzt Reichs-
lvlonie und steht finanziell auf gesichertem Boden. Das Zagen, mit dem in
allen wirtschaftlichen Fragen unser deutsches Kapital zurückhielt, hat aufgehört,
und das Organ der deutschen Kolonialgesellschaft hat bereits in seiner Nummer
vom 10. Januar 1891 dieser veränderten Stimmung Ausdruck gegeben. „Als
ein günstiges Omen — schreibt die Redaktion — betrachten wir es, daß am
1. Januar die Reichsflagge, das Symbol deutscher Macht und Stärke, als
Zeichen der unmittelbaren und ausschließlichen Herrschaft Deutschlands über
die ostafrikanische Küste aufgezogen worden ist. Aber der in die Zukunft
schauende Kolvuialfreund sieht des deutschen Reiches Flagge, unter dessen Schutz
und Schirm ein reges wirtschaftliches Leben sich entfalten wird, von des Meeres
umbrandeten Küsten in das noch unbekannte Junere getragen. Denn das
Interesse für überseeische Unternehmungen Deutschlands, welches früher als
Kolonialchanvinismns verspottet wurde, ist jetzt Gemeingut der gebildeten
Klasse der Nation geworden. Über die Mittel und Wege, zu diesem Ziele
zu gelangen, mögen, wie das ja natürlich ist, verschiedne Ansichten herrschen,
aber darin sind alle einig, daß die wirtschaftliche Entwicklung eines der wich¬
tigsten Mittel, und daß es notwendig ist, mit aller Macht eine solche herbei¬
zuführe». Die Ansätze dazu sind überall vorhanden, das Kapital zeigt sich
heute bereiter als früher, sich in Unternehmungen in den deutschen Kolonien
einzulassen, und die von Jahr zu Jahr wachsende Erfahrung macht das Risiko
geringer."

Das wurde vor bald sechs Monate» geschrieben; seitdem aber haben sich
die Verhältnisse in Ostafrika noch wesentlich gebessert. Die Schutztruppe ist end-
giltig organisirt, und zwar so, daß sie, wie der Erfolg bewiesen hat, allen
billigen Anforderungen genügt und uns noch neuerdings die Überraschung
bereite» konnte, daß die räuberischen Massais, die unsre .KaraU'anenstraßeu
verlegten, aus unserm Territorium verdrängt wurden. Die Verwaltung der
gesamten Kolonie ist in die erprobten Hände des Freiherr» von Soden gelegt,
das Arbeitsfeld von Emin, Peters und Wißmann, die bisher durch die Un¬
bestimmtheit ihrer Aufgaben in unerquickliche Kompetenzstreitigteiten zu geraten
Gefahr liefe», ist so bestimmt umgrenzt, daß sich ihre Kreise nicht mehr gegen¬
seitig störe» to»»e». Es ist sicher, daß uns die Erfahrinig und Tüchtigkeit
dieser bewährten Pioniere erhalten bleibt, n»d jeder vo» ih»e» führt i» seiner
Weise die deutsche Sache ihrem Ziele näher. Ans den Seen werden bald
deutsche Dampfer Verkehr und Handel sichern, die erste Eisenbahnlinie ist ge¬
sichert, Plantagen erstehen in immer weiterem Umfange, und die eingeborene


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/460>, abgerufen am 04.07.2024.