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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Die französische Ausstellung in Moskau

vollem Ornat erschienen waren, die Waldrebe. Die Rede selbst begnügte
sich mit allgemeinen Betrachtungen über das Verhältnis von Mensch und
Natur, ging dann zu dem Gedanken über, daß alle menschliche Kunst und
Arbeit des göttlichen Segens bedürfe, um zu gedeihen, und schloß mit folgen-
den Worten: "Wir hoffen, daß die Veranstalter dieser Ausstellung durchdrungen
sind von diesen Gedanken und von Demut gegen Gott, denn sie haben sich
entschlossen, den Segen des Herrn durch uns zu erbitten, die wir Diener der
rechtgläubigen Kirche sind. So soll feder Christ handeln. Alles, was er
thut, soll er zur Ehre Gottes thun, ihm für alles danken und seinen Segen
zu allem erbitten. Und so soll denn der Segen Gottes ans der hier
eröffneten Ausstellung ruhen, durch seinen Segen soll das hohe Ziel der
Ausstellung erreicht werde" -- zwei Nationen einander nahe zu bringen
auf dem Gebiete von Handel und Gewerbe und dadurch die freundschaftlichen
und friedlichen Beziehungen zwischen ihnen zu kräftigen."

Diese Äußerungen sind weniger harmlos, als sie vielleicht scheinen.
Sie sind ein wesentliches Glied in der immer stärker geknüpften Kette russisch-
französischer Freundschaft. Sie geben dieser Freundschaft in den Augen des
russische" Volkes die religiöse Bekräftigung und Billigung und müssen als
das Gegenstück zu einer andern Kundgebung betrachtet werden, die zu Anfang
unsers Jahrhunderts, im Jahre 1806, vou der obersten geistlichen Behörde
Rußlands ausging. Damals wurden die Franzosen als Fremdgläubige und
Ungläubige verflucht und als Freunde der Juden, die eben zu einem großen
Sanhedrin in Paris versammelt waren, dem Haß des Volkes preisgegeben.
1812 flammte dieser Haß zum zweitenmale auf, und dieselben Töne sind
1853 und 1854 angeschlagen wordeu. Die "gottlosen Franzosen" von da¬
mals sind jetzt dnrch den Segen des Bischofs in dein heiligen Moskau, das
durch ihre Schuld in Flammen aufgegangen war, entsühnt worden. Die
Mutter Gottes vou Zwerski hat ihren Segen dazu gegeben, und Frankreich
selbst ist nach Moskau gekommen, um Verzeihung und Segen zu erbitten.
Alle diese Dinge sind nicht gering anzuschlagen; schon die Bedeutung, die in
der gesamten russischen Presse diesen Eröffnungsfeierlichkeiten beigelegt wird,
sollte zur richtigen Wertschätzung führen. Die ^Imvojö ^Vromsg, erläutert
das überall in den Ausstellungsräumen angebrachte ki ? (RvxubliPuz
?rM<)iÜ8ö) als: Il.u88is?rime,6, und die Franzosen werden gewiß nicht dagegen
Protestiren. Hand in Hand damit aber gehen bösartige Angriffe gegen
Deutschland und die Deutschen in Rußland. Mail möge, so führt der Lvet
aus, doch endlich die Franzosen an die Stelle der Deutschen setzen. Der
nach Rußland einwandernde Franzose kehre nach Frankreich zurück, wenn er
reich geworden sei, oder aber er werde schon in der zweiten Generation
russisch. "Dagegen führt jeder Deutsche, der hier einwandert, eine ganze
Plejade andrer Deutschen mit sich, die sich durch jüdische Fruchtbarkeit aus-


Die französische Ausstellung in Moskau

vollem Ornat erschienen waren, die Waldrebe. Die Rede selbst begnügte
sich mit allgemeinen Betrachtungen über das Verhältnis von Mensch und
Natur, ging dann zu dem Gedanken über, daß alle menschliche Kunst und
Arbeit des göttlichen Segens bedürfe, um zu gedeihen, und schloß mit folgen-
den Worten: „Wir hoffen, daß die Veranstalter dieser Ausstellung durchdrungen
sind von diesen Gedanken und von Demut gegen Gott, denn sie haben sich
entschlossen, den Segen des Herrn durch uns zu erbitten, die wir Diener der
rechtgläubigen Kirche sind. So soll feder Christ handeln. Alles, was er
thut, soll er zur Ehre Gottes thun, ihm für alles danken und seinen Segen
zu allem erbitten. Und so soll denn der Segen Gottes ans der hier
eröffneten Ausstellung ruhen, durch seinen Segen soll das hohe Ziel der
Ausstellung erreicht werde« — zwei Nationen einander nahe zu bringen
auf dem Gebiete von Handel und Gewerbe und dadurch die freundschaftlichen
und friedlichen Beziehungen zwischen ihnen zu kräftigen."

Diese Äußerungen sind weniger harmlos, als sie vielleicht scheinen.
Sie sind ein wesentliches Glied in der immer stärker geknüpften Kette russisch-
französischer Freundschaft. Sie geben dieser Freundschaft in den Augen des
russische» Volkes die religiöse Bekräftigung und Billigung und müssen als
das Gegenstück zu einer andern Kundgebung betrachtet werden, die zu Anfang
unsers Jahrhunderts, im Jahre 1806, vou der obersten geistlichen Behörde
Rußlands ausging. Damals wurden die Franzosen als Fremdgläubige und
Ungläubige verflucht und als Freunde der Juden, die eben zu einem großen
Sanhedrin in Paris versammelt waren, dem Haß des Volkes preisgegeben.
1812 flammte dieser Haß zum zweitenmale auf, und dieselben Töne sind
1853 und 1854 angeschlagen wordeu. Die „gottlosen Franzosen" von da¬
mals sind jetzt dnrch den Segen des Bischofs in dein heiligen Moskau, das
durch ihre Schuld in Flammen aufgegangen war, entsühnt worden. Die
Mutter Gottes vou Zwerski hat ihren Segen dazu gegeben, und Frankreich
selbst ist nach Moskau gekommen, um Verzeihung und Segen zu erbitten.
Alle diese Dinge sind nicht gering anzuschlagen; schon die Bedeutung, die in
der gesamten russischen Presse diesen Eröffnungsfeierlichkeiten beigelegt wird,
sollte zur richtigen Wertschätzung führen. Die ^Imvojö ^Vromsg, erläutert
das überall in den Ausstellungsräumen angebrachte ki ? (RvxubliPuz
?rM<)iÜ8ö) als: Il.u88is?rime,6, und die Franzosen werden gewiß nicht dagegen
Protestiren. Hand in Hand damit aber gehen bösartige Angriffe gegen
Deutschland und die Deutschen in Rußland. Mail möge, so führt der Lvet
aus, doch endlich die Franzosen an die Stelle der Deutschen setzen. Der
nach Rußland einwandernde Franzose kehre nach Frankreich zurück, wenn er
reich geworden sei, oder aber er werde schon in der zweiten Generation
russisch. „Dagegen führt jeder Deutsche, der hier einwandert, eine ganze
Plejade andrer Deutschen mit sich, die sich durch jüdische Fruchtbarkeit aus-


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[0442] Die französische Ausstellung in Moskau vollem Ornat erschienen waren, die Waldrebe. Die Rede selbst begnügte sich mit allgemeinen Betrachtungen über das Verhältnis von Mensch und Natur, ging dann zu dem Gedanken über, daß alle menschliche Kunst und Arbeit des göttlichen Segens bedürfe, um zu gedeihen, und schloß mit folgen- den Worten: „Wir hoffen, daß die Veranstalter dieser Ausstellung durchdrungen sind von diesen Gedanken und von Demut gegen Gott, denn sie haben sich entschlossen, den Segen des Herrn durch uns zu erbitten, die wir Diener der rechtgläubigen Kirche sind. So soll feder Christ handeln. Alles, was er thut, soll er zur Ehre Gottes thun, ihm für alles danken und seinen Segen zu allem erbitten. Und so soll denn der Segen Gottes ans der hier eröffneten Ausstellung ruhen, durch seinen Segen soll das hohe Ziel der Ausstellung erreicht werde« — zwei Nationen einander nahe zu bringen auf dem Gebiete von Handel und Gewerbe und dadurch die freundschaftlichen und friedlichen Beziehungen zwischen ihnen zu kräftigen." Diese Äußerungen sind weniger harmlos, als sie vielleicht scheinen. Sie sind ein wesentliches Glied in der immer stärker geknüpften Kette russisch- französischer Freundschaft. Sie geben dieser Freundschaft in den Augen des russische» Volkes die religiöse Bekräftigung und Billigung und müssen als das Gegenstück zu einer andern Kundgebung betrachtet werden, die zu Anfang unsers Jahrhunderts, im Jahre 1806, vou der obersten geistlichen Behörde Rußlands ausging. Damals wurden die Franzosen als Fremdgläubige und Ungläubige verflucht und als Freunde der Juden, die eben zu einem großen Sanhedrin in Paris versammelt waren, dem Haß des Volkes preisgegeben. 1812 flammte dieser Haß zum zweitenmale auf, und dieselben Töne sind 1853 und 1854 angeschlagen wordeu. Die „gottlosen Franzosen" von da¬ mals sind jetzt dnrch den Segen des Bischofs in dein heiligen Moskau, das durch ihre Schuld in Flammen aufgegangen war, entsühnt worden. Die Mutter Gottes vou Zwerski hat ihren Segen dazu gegeben, und Frankreich selbst ist nach Moskau gekommen, um Verzeihung und Segen zu erbitten. Alle diese Dinge sind nicht gering anzuschlagen; schon die Bedeutung, die in der gesamten russischen Presse diesen Eröffnungsfeierlichkeiten beigelegt wird, sollte zur richtigen Wertschätzung führen. Die ^Imvojö ^Vromsg, erläutert das überall in den Ausstellungsräumen angebrachte ki ? (RvxubliPuz ?rM<)iÜ8ö) als: Il.u88is?rime,6, und die Franzosen werden gewiß nicht dagegen Protestiren. Hand in Hand damit aber gehen bösartige Angriffe gegen Deutschland und die Deutschen in Rußland. Mail möge, so führt der Lvet aus, doch endlich die Franzosen an die Stelle der Deutschen setzen. Der nach Rußland einwandernde Franzose kehre nach Frankreich zurück, wenn er reich geworden sei, oder aber er werde schon in der zweiten Generation russisch. „Dagegen führt jeder Deutsche, der hier einwandert, eine ganze Plejade andrer Deutschen mit sich, die sich durch jüdische Fruchtbarkeit aus-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/442>, abgerufen am 24.07.2024.