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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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von el"em Dutzend Mägdlein ans der Partei der Schwarzen in die Hände von
weißen Jünglingen und die Hände von ebenso vielen weißen Mägdlein in die
von schwarzen Jünglingen, und drei Tage lang wurde Hochzeit gefeiert und
der ewige Friede gepriesen, der dann wohl auch vier oder sechs Wochen anhielt.

Aber wie freundschaftlich die Beziehungen der Welfenstadt zum Papste
auch waren, so weit ging die Freundschaft nicht, daß die Florentiner ihre
bürgerlichen Rechte klerikalen Ansprüchen geopfert hätten. Gar nicht lange
"ach dein Friedeuswerke des Kardinals Latinv, der die Sache ganz besonders
gründlich besorgt hatte, im Jahre 1285, beschäftigten sich die Behörden und
Natskörperschnften mit Maßregeln gegen anmaßende und widersetzliche Kleriker.
Perrens hat im Anhange des zweiten Bandes Auszüge aus den Sitzuugs-
prvtotolleu zusammengestellt. Den Anlaß scheint eine Missethat eines Stellen¬
losen Klerikers gegeben zu haben. Was es für eine war, ist aus dem, was
Perrens abgedruckt hat, ebenso wenig zu ersehen, als welches Ende der Streit
genommen hat; doch der Gegenstand des Streites ist ja auch gar nicht das
Interessante, sondern die Art und Weise, wie eine dem Papste befreundete und
benachbarte Stadt damals solche Dinge behandelte, und der Ton, in dem eS
geschah. Deshalb teilen nur ein Paar Sätze aus jenen Alten mit.

Am 28. August des genannten Jahres wird in einer Sitzung der Signoria
beantragt, daß dem Unfug der Lia'loi ü'otitii (das lie,tit.in8 darf hier wohl
mit vagabuudirend übersetzt werden) gesteuert werden solle. Ein solcher hat
ein Verbrechen begangen und schützt das MvilvFiuiu tori vor, um sich der
Bestrafung zu entziehen. Die einen raten zu Verhandlungen mit dem Bischof,
andre wollen die Gesetze rücksichtslos walten lassen. Man beschließt, die Sache
einer Kommission von Rechtskundigen zu übergebe". Am 30. August halten
diese Rechtskundigen mit den <ü-rpiwäini, d. h. den Obermeistern der zwölf
größern Zünfte, eine Sitzung ab. Brunetto Lcitini (der Lehrer Dantes, den
dieser bei aller Ehrfurcht vor seiner Wissenschaft in den Höllenkreis der
Päderasten versetzt) meint, die Stadtbehörden sollten im Einvernehme" mit
Bischof und Kapitel el" neues Gesetz mache"; gehe die Klerisei auf diesen
Vorschlag nicht ein, so solle die städtische Obrigkeit aus eigner Machtvoll-
kommenheit de" Satz missprechen, daß Personen, die keine Abgaben zahlen,
rechtlos seien. Johannes von Brodajv will, daß alle Privilegien der Kleriker
aufgehoben werden sollen; dem Pvdestü und seinen Beamten möge man im
voraus Indemnität zusichern für alles, waS sie gegen die Geistlichen unter-
nehmen würde". Andre schlagen andres vor. Man beschließt, den Pvdestü,
den Capitauo und die Prioren aufzufordern, daß sie unter Zuziehung von
vierundzwanzig Sachverständigen, wovon sechs Richter und sechs Notare sein
sollen, die Ungelegenheit regeln. Die Sachverstäudigenkomunssion tritt noch
an demselben Tage zusammen n"d setzt eine Snbkommission ein zur Aus¬
arbeitung eines neuen Statuts. (Die Gesetze der Städterepnblike" wurden


von el»em Dutzend Mägdlein ans der Partei der Schwarzen in die Hände von
weißen Jünglingen und die Hände von ebenso vielen weißen Mägdlein in die
von schwarzen Jünglingen, und drei Tage lang wurde Hochzeit gefeiert und
der ewige Friede gepriesen, der dann wohl auch vier oder sechs Wochen anhielt.

Aber wie freundschaftlich die Beziehungen der Welfenstadt zum Papste
auch waren, so weit ging die Freundschaft nicht, daß die Florentiner ihre
bürgerlichen Rechte klerikalen Ansprüchen geopfert hätten. Gar nicht lange
»ach dein Friedeuswerke des Kardinals Latinv, der die Sache ganz besonders
gründlich besorgt hatte, im Jahre 1285, beschäftigten sich die Behörden und
Natskörperschnften mit Maßregeln gegen anmaßende und widersetzliche Kleriker.
Perrens hat im Anhange des zweiten Bandes Auszüge aus den Sitzuugs-
prvtotolleu zusammengestellt. Den Anlaß scheint eine Missethat eines Stellen¬
losen Klerikers gegeben zu haben. Was es für eine war, ist aus dem, was
Perrens abgedruckt hat, ebenso wenig zu ersehen, als welches Ende der Streit
genommen hat; doch der Gegenstand des Streites ist ja auch gar nicht das
Interessante, sondern die Art und Weise, wie eine dem Papste befreundete und
benachbarte Stadt damals solche Dinge behandelte, und der Ton, in dem eS
geschah. Deshalb teilen nur ein Paar Sätze aus jenen Alten mit.

Am 28. August des genannten Jahres wird in einer Sitzung der Signoria
beantragt, daß dem Unfug der Lia'loi ü'otitii (das lie,tit.in8 darf hier wohl
mit vagabuudirend übersetzt werden) gesteuert werden solle. Ein solcher hat
ein Verbrechen begangen und schützt das MvilvFiuiu tori vor, um sich der
Bestrafung zu entziehen. Die einen raten zu Verhandlungen mit dem Bischof,
andre wollen die Gesetze rücksichtslos walten lassen. Man beschließt, die Sache
einer Kommission von Rechtskundigen zu übergebe». Am 30. August halten
diese Rechtskundigen mit den <ü-rpiwäini, d. h. den Obermeistern der zwölf
größern Zünfte, eine Sitzung ab. Brunetto Lcitini (der Lehrer Dantes, den
dieser bei aller Ehrfurcht vor seiner Wissenschaft in den Höllenkreis der
Päderasten versetzt) meint, die Stadtbehörden sollten im Einvernehme» mit
Bischof und Kapitel el» neues Gesetz mache»; gehe die Klerisei auf diesen
Vorschlag nicht ein, so solle die städtische Obrigkeit aus eigner Machtvoll-
kommenheit de» Satz missprechen, daß Personen, die keine Abgaben zahlen,
rechtlos seien. Johannes von Brodajv will, daß alle Privilegien der Kleriker
aufgehoben werden sollen; dem Pvdestü und seinen Beamten möge man im
voraus Indemnität zusichern für alles, waS sie gegen die Geistlichen unter-
nehmen würde». Andre schlagen andres vor. Man beschließt, den Pvdestü,
den Capitauo und die Prioren aufzufordern, daß sie unter Zuziehung von
vierundzwanzig Sachverständigen, wovon sechs Richter und sechs Notare sein
sollen, die Ungelegenheit regeln. Die Sachverstäudigenkomunssion tritt noch
an demselben Tage zusammen n»d setzt eine Snbkommission ein zur Aus¬
arbeitung eines neuen Statuts. (Die Gesetze der Städterepnblike» wurden


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[0426] von el»em Dutzend Mägdlein ans der Partei der Schwarzen in die Hände von weißen Jünglingen und die Hände von ebenso vielen weißen Mägdlein in die von schwarzen Jünglingen, und drei Tage lang wurde Hochzeit gefeiert und der ewige Friede gepriesen, der dann wohl auch vier oder sechs Wochen anhielt. Aber wie freundschaftlich die Beziehungen der Welfenstadt zum Papste auch waren, so weit ging die Freundschaft nicht, daß die Florentiner ihre bürgerlichen Rechte klerikalen Ansprüchen geopfert hätten. Gar nicht lange »ach dein Friedeuswerke des Kardinals Latinv, der die Sache ganz besonders gründlich besorgt hatte, im Jahre 1285, beschäftigten sich die Behörden und Natskörperschnften mit Maßregeln gegen anmaßende und widersetzliche Kleriker. Perrens hat im Anhange des zweiten Bandes Auszüge aus den Sitzuugs- prvtotolleu zusammengestellt. Den Anlaß scheint eine Missethat eines Stellen¬ losen Klerikers gegeben zu haben. Was es für eine war, ist aus dem, was Perrens abgedruckt hat, ebenso wenig zu ersehen, als welches Ende der Streit genommen hat; doch der Gegenstand des Streites ist ja auch gar nicht das Interessante, sondern die Art und Weise, wie eine dem Papste befreundete und benachbarte Stadt damals solche Dinge behandelte, und der Ton, in dem eS geschah. Deshalb teilen nur ein Paar Sätze aus jenen Alten mit. Am 28. August des genannten Jahres wird in einer Sitzung der Signoria beantragt, daß dem Unfug der Lia'loi ü'otitii (das lie,tit.in8 darf hier wohl mit vagabuudirend übersetzt werden) gesteuert werden solle. Ein solcher hat ein Verbrechen begangen und schützt das MvilvFiuiu tori vor, um sich der Bestrafung zu entziehen. Die einen raten zu Verhandlungen mit dem Bischof, andre wollen die Gesetze rücksichtslos walten lassen. Man beschließt, die Sache einer Kommission von Rechtskundigen zu übergebe». Am 30. August halten diese Rechtskundigen mit den <ü-rpiwäini, d. h. den Obermeistern der zwölf größern Zünfte, eine Sitzung ab. Brunetto Lcitini (der Lehrer Dantes, den dieser bei aller Ehrfurcht vor seiner Wissenschaft in den Höllenkreis der Päderasten versetzt) meint, die Stadtbehörden sollten im Einvernehme» mit Bischof und Kapitel el» neues Gesetz mache»; gehe die Klerisei auf diesen Vorschlag nicht ein, so solle die städtische Obrigkeit aus eigner Machtvoll- kommenheit de» Satz missprechen, daß Personen, die keine Abgaben zahlen, rechtlos seien. Johannes von Brodajv will, daß alle Privilegien der Kleriker aufgehoben werden sollen; dem Pvdestü und seinen Beamten möge man im voraus Indemnität zusichern für alles, waS sie gegen die Geistlichen unter- nehmen würde». Andre schlagen andres vor. Man beschließt, den Pvdestü, den Capitauo und die Prioren aufzufordern, daß sie unter Zuziehung von vierundzwanzig Sachverständigen, wovon sechs Richter und sechs Notare sein sollen, die Ungelegenheit regeln. Die Sachverstäudigenkomunssion tritt noch an demselben Tage zusammen n»d setzt eine Snbkommission ein zur Aus¬ arbeitung eines neuen Statuts. (Die Gesetze der Städterepnblike» wurden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/426>, abgerufen am 24.07.2024.