Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.Floren; und die Kirche aber mächtige Gönner befreiten sie; doch eben diese Gönnerschaft war das Die Gönner waren nämlich ghibellinische "Magnaten," deren LebenS- So brachten die sich kreuzenden Interessen eine merkwürdige Partei- Floren; und die Kirche aber mächtige Gönner befreiten sie; doch eben diese Gönnerschaft war das Die Gönner waren nämlich ghibellinische „Magnaten," deren LebenS- So brachten die sich kreuzenden Interessen eine merkwürdige Partei- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0423" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/210290"/> <fw type="header" place="top"> Floren; und die Kirche</fw><lb/> <p xml:id="ID_1186" prev="#ID_1185"> aber mächtige Gönner befreiten sie; doch eben diese Gönnerschaft war das<lb/> Unglück der Patarener.</p><lb/> <p xml:id="ID_1187"> Die Gönner waren nämlich ghibellinische „Magnaten," deren LebenS-<lb/> grnndsätze irr schroffsten Gegensatz zu den bürgerlichen Gewohnheiten der<lb/> Florentiner standen. Sie führten ein Lust- »ut Lasterleben, worin der<lb/> fromme Billani wie der große Dante, obwohl selbst Ghibelline, die wieder-<lb/> erstandne Lehre und Gesinnung Epiknrs sehen, lind schon als Magnaten,<lb/> d. h. als feudale Grundherren, waren sie den Bürgern verhaßt; die Bürger<lb/> sind später in dem Kampf gegen den Feudalismus schließlich Sieger geblieben,<lb/> haben die Barone, meist Sprößlinge deutscher Geschlechter, zuerst durch Auf¬<lb/> hebung der Leibeigenschaft um ihre Arbeiter, dann um ihren Grundbesitz<lb/> gebracht und sie gezwungen, sich im Bürgerstande zu verlieren. Damals<lb/> waren die Feudalherren, um ihrer Spitze Barone ti Barvni und Ugueeioue<lb/> de' Cavaleanti, im Gebiete von Florenz noch mächtig. Sie sahen im Kaiser<lb/> Friedrich II. ihre Stütze, waren daher geschworne Feinde des Papstes und<lb/> begünstigten die Ketzer, was im ganzen nördlichen Italien, im Gebiete der<lb/> Städterepublikeu, natürlicherweise auch der Kaiser selbst that. In Toskana<lb/> waren die Patarener wohl organisirt. Ihr Bischof, seit 1212 Filippo<lb/> Paternvn, residirte zu Florenz, und seine Prediger durchzogen das Land. In<lb/> den Häusern der Cipriaui hielt er seineu Gottesdienst. (Die Mitglieder feder<lb/> Sippe pflegten ihre Häuser um das Haus des Familienoberhauptes herum<lb/> zu bauen, daher oft von deu Häusern oder Türmen der Donati, Buvndel-<lb/> monti u. s. w. die Rede ist; jede solche Hänsergruppe bildete eine Festung<lb/> oder konnte doch leicht in eine verwandelt werden).</p><lb/> <p xml:id="ID_1188"> So brachten die sich kreuzenden Interessen eine merkwürdige Partei-<lb/> grnppirnng zu Wege. Die Feudalherren, die weder den Patnrenern noch dein<lb/> absolutistischen Kaiser gesinnnngsverwandt waren, wurden Bundesgenossen<lb/> und Führer der toskanischen GlMellinenpartei. Die freisinnigen Bürger da¬<lb/> gegen verbündeten sich mit dein Papste oder, wie man damals sagte, mit<lb/> der Kirche und ruhten nicht eher, als bis die Ghibellinen in Toskana<lb/> ausgerottet und alle Städte guelfisch geworden waren. Nur Pisa blieb<lb/> ghibellinisch, weil es sich der aufstrebenden Nebenbuhlerin Florenz gegenüber<lb/> ans niemand mehr zu stützen vermochte als auf deu Kaiser; nachdem des<lb/> Kaisertums Macht gebrochen war, unterlag es den Florentinern und sank zur<lb/> Provinzstadt herab. Das war 1l>0 Jahre später. Unter Friedrich II. also<lb/> entschied sich das Bürgertum Tusziens und der Romagna, wie hundert Jahre<lb/> vorher das der Lombardei, zur Rettung seiner Selbständigkeit für die Kirche,<lb/> obwohl in ihm keine Spur klerikaler Gesinnung vorhanden war. In Siena<lb/> wurden um dieselbe Zeit mehrere Geistliche enthauptet, und in Parma ver¬<lb/> scharrte man die Leichen solcher im Dünger, die auf dein Sterbebette Rene<lb/> bekundet hatten über ihre Opposition gegen kirchliche Porschriften.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0423]
Floren; und die Kirche
aber mächtige Gönner befreiten sie; doch eben diese Gönnerschaft war das
Unglück der Patarener.
Die Gönner waren nämlich ghibellinische „Magnaten," deren LebenS-
grnndsätze irr schroffsten Gegensatz zu den bürgerlichen Gewohnheiten der
Florentiner standen. Sie führten ein Lust- »ut Lasterleben, worin der
fromme Billani wie der große Dante, obwohl selbst Ghibelline, die wieder-
erstandne Lehre und Gesinnung Epiknrs sehen, lind schon als Magnaten,
d. h. als feudale Grundherren, waren sie den Bürgern verhaßt; die Bürger
sind später in dem Kampf gegen den Feudalismus schließlich Sieger geblieben,
haben die Barone, meist Sprößlinge deutscher Geschlechter, zuerst durch Auf¬
hebung der Leibeigenschaft um ihre Arbeiter, dann um ihren Grundbesitz
gebracht und sie gezwungen, sich im Bürgerstande zu verlieren. Damals
waren die Feudalherren, um ihrer Spitze Barone ti Barvni und Ugueeioue
de' Cavaleanti, im Gebiete von Florenz noch mächtig. Sie sahen im Kaiser
Friedrich II. ihre Stütze, waren daher geschworne Feinde des Papstes und
begünstigten die Ketzer, was im ganzen nördlichen Italien, im Gebiete der
Städterepublikeu, natürlicherweise auch der Kaiser selbst that. In Toskana
waren die Patarener wohl organisirt. Ihr Bischof, seit 1212 Filippo
Paternvn, residirte zu Florenz, und seine Prediger durchzogen das Land. In
den Häusern der Cipriaui hielt er seineu Gottesdienst. (Die Mitglieder feder
Sippe pflegten ihre Häuser um das Haus des Familienoberhauptes herum
zu bauen, daher oft von deu Häusern oder Türmen der Donati, Buvndel-
monti u. s. w. die Rede ist; jede solche Hänsergruppe bildete eine Festung
oder konnte doch leicht in eine verwandelt werden).
So brachten die sich kreuzenden Interessen eine merkwürdige Partei-
grnppirnng zu Wege. Die Feudalherren, die weder den Patnrenern noch dein
absolutistischen Kaiser gesinnnngsverwandt waren, wurden Bundesgenossen
und Führer der toskanischen GlMellinenpartei. Die freisinnigen Bürger da¬
gegen verbündeten sich mit dein Papste oder, wie man damals sagte, mit
der Kirche und ruhten nicht eher, als bis die Ghibellinen in Toskana
ausgerottet und alle Städte guelfisch geworden waren. Nur Pisa blieb
ghibellinisch, weil es sich der aufstrebenden Nebenbuhlerin Florenz gegenüber
ans niemand mehr zu stützen vermochte als auf deu Kaiser; nachdem des
Kaisertums Macht gebrochen war, unterlag es den Florentinern und sank zur
Provinzstadt herab. Das war 1l>0 Jahre später. Unter Friedrich II. also
entschied sich das Bürgertum Tusziens und der Romagna, wie hundert Jahre
vorher das der Lombardei, zur Rettung seiner Selbständigkeit für die Kirche,
obwohl in ihm keine Spur klerikaler Gesinnung vorhanden war. In Siena
wurden um dieselbe Zeit mehrere Geistliche enthauptet, und in Parma ver¬
scharrte man die Leichen solcher im Dünger, die auf dein Sterbebette Rene
bekundet hatten über ihre Opposition gegen kirchliche Porschriften.
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