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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Florenz und die Kirche

Beispiel vorangegangen. Johannes Gnalbert, der von seinem romantischen
Vallombrvsa aus die Welt- und Kirchenhändel im Ange behielt, säumte
nicht, den neuen Bischof der Simonie anzuklagen: der alte Mezzabarba, des
Bischofs Vater, gefragt, wie viel ihn die Ernennung seines Sohnes koste,
habe eingestanden, das; er dem Kaiser 3000 Livres verehrt habe. Andre
Mönche schlössen sich den Vallombrvsanern an. Aber ehe mau öffentlich auf¬
trat, wollte mau sich vorher der Billigung des Orakels von Florenz versichern.
Das war der greise Eremit Theuzon, einer von der Sorte, die Peter Damian
mit den Worten charakterisirt: "Stadteinsiedler, Eremiten des Marktes, Mönche
ohne Regel, Menschen, die in der Maske des Ordenskleides die Herrschaft
über das Volk erstreben." Theuzon hätte nicht er selber sein müssen, wen"
ihm diese Simoniegeschichte nicht ein gcfnndner Handel gewesen wäre. Natürlich!
sagte er dem Gnalbert; du mußt öffentlich verkündigen, daß niemand von
diesem Simonistischen Bischöfe die Sakramente empfangen dürfe. Das ließ sich
Gnalbert uicht zweimal sagen. Sofort liefen er und seine Mönche in den
Straßen herum und riefen: Mezzabarba könne weder das Chrisma noch
Priester giltig weihen; die von ihm sakrilegisch geweihten seien keine Priester,
dürften weder Messe lesen noch könnten sie die Sakramente giltig spenden.
Da dem gemeinen Volke Theuzon als unfehlbares Orakel galt, Gnalbert
aber bei den Vornehmen in hohem Ansehen stand, so war der Skandal fertig.
Den Bischof hielten seine Kollegen und der Markgraf (es war Gottfried, der
Stiefvater Mathildens). In gewaltthätiger Zeit findet man die gewaltthätige
Lösung solcher Spannungen immer am einfachsten. Mezzabarba machte den
Anfang. Er ließ die Psalmodirenden Mönche von San Salvatore überfallen,
die einen umbringen, die andern mißhandeln, ihr Kloster plündern und
anzünden. Das hatte gerade noch gefehlt, um die ganze Bevölkerung auf
die Seite der Mönche zu treiben. Gegen die Streitmacht des Markgrafen
richteten die Bürger zwar nichts aus, aber Florenz blieb im Kriegszustande.

Wir übergehen die Verhandlungen mit der Kurie; der Markgraf eilte
nach Rom, um die Verurteilung der Mönche durchzusetzen. Das Herz des
Papstes, des Hildebrandianers Alexander II., war auf Seiten der Mönche,
aber er hatte Rücksicht zu nehmen ans die zahlreichen Prälaten, die in
Mezzabarbns Sache ihre eigne sahen. Das römische Konzil entschied: ein
Grund zur Absetzung Mezzabnrbas liege uicht vor; die Mouche sollten hübsch
in ihren Klöstern bleiben und ihre Ratschläge so lange für sich behalten, bis
sie von zustündiger Seite darum angegangen würden. Der Markgraf Gottfried,
der dieses Dekret zurückbrachte, machte es selbst bekannt und drohte, er würde
alle Mönche, die nicht nugeublicklich hinter ihren Klostermauern verschwänden,
ohne prozessualische Weitläufigkeiten aufhängen lassen. Ein paar Mönche,
die vor dein anbefohlenen Verschwinden geschwind noch das Volk aufgereizt
hatten, wurden aus einem Oratorium herausgeholt nud in Ketten vor den


Florenz und die Kirche

Beispiel vorangegangen. Johannes Gnalbert, der von seinem romantischen
Vallombrvsa aus die Welt- und Kirchenhändel im Ange behielt, säumte
nicht, den neuen Bischof der Simonie anzuklagen: der alte Mezzabarba, des
Bischofs Vater, gefragt, wie viel ihn die Ernennung seines Sohnes koste,
habe eingestanden, das; er dem Kaiser 3000 Livres verehrt habe. Andre
Mönche schlössen sich den Vallombrvsanern an. Aber ehe mau öffentlich auf¬
trat, wollte mau sich vorher der Billigung des Orakels von Florenz versichern.
Das war der greise Eremit Theuzon, einer von der Sorte, die Peter Damian
mit den Worten charakterisirt: „Stadteinsiedler, Eremiten des Marktes, Mönche
ohne Regel, Menschen, die in der Maske des Ordenskleides die Herrschaft
über das Volk erstreben." Theuzon hätte nicht er selber sein müssen, wen»
ihm diese Simoniegeschichte nicht ein gcfnndner Handel gewesen wäre. Natürlich!
sagte er dem Gnalbert; du mußt öffentlich verkündigen, daß niemand von
diesem Simonistischen Bischöfe die Sakramente empfangen dürfe. Das ließ sich
Gnalbert uicht zweimal sagen. Sofort liefen er und seine Mönche in den
Straßen herum und riefen: Mezzabarba könne weder das Chrisma noch
Priester giltig weihen; die von ihm sakrilegisch geweihten seien keine Priester,
dürften weder Messe lesen noch könnten sie die Sakramente giltig spenden.
Da dem gemeinen Volke Theuzon als unfehlbares Orakel galt, Gnalbert
aber bei den Vornehmen in hohem Ansehen stand, so war der Skandal fertig.
Den Bischof hielten seine Kollegen und der Markgraf (es war Gottfried, der
Stiefvater Mathildens). In gewaltthätiger Zeit findet man die gewaltthätige
Lösung solcher Spannungen immer am einfachsten. Mezzabarba machte den
Anfang. Er ließ die Psalmodirenden Mönche von San Salvatore überfallen,
die einen umbringen, die andern mißhandeln, ihr Kloster plündern und
anzünden. Das hatte gerade noch gefehlt, um die ganze Bevölkerung auf
die Seite der Mönche zu treiben. Gegen die Streitmacht des Markgrafen
richteten die Bürger zwar nichts aus, aber Florenz blieb im Kriegszustande.

Wir übergehen die Verhandlungen mit der Kurie; der Markgraf eilte
nach Rom, um die Verurteilung der Mönche durchzusetzen. Das Herz des
Papstes, des Hildebrandianers Alexander II., war auf Seiten der Mönche,
aber er hatte Rücksicht zu nehmen ans die zahlreichen Prälaten, die in
Mezzabarbns Sache ihre eigne sahen. Das römische Konzil entschied: ein
Grund zur Absetzung Mezzabnrbas liege uicht vor; die Mouche sollten hübsch
in ihren Klöstern bleiben und ihre Ratschläge so lange für sich behalten, bis
sie von zustündiger Seite darum angegangen würden. Der Markgraf Gottfried,
der dieses Dekret zurückbrachte, machte es selbst bekannt und drohte, er würde
alle Mönche, die nicht nugeublicklich hinter ihren Klostermauern verschwänden,
ohne prozessualische Weitläufigkeiten aufhängen lassen. Ein paar Mönche,
die vor dein anbefohlenen Verschwinden geschwind noch das Volk aufgereizt
hatten, wurden aus einem Oratorium herausgeholt nud in Ketten vor den


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[0420] Florenz und die Kirche Beispiel vorangegangen. Johannes Gnalbert, der von seinem romantischen Vallombrvsa aus die Welt- und Kirchenhändel im Ange behielt, säumte nicht, den neuen Bischof der Simonie anzuklagen: der alte Mezzabarba, des Bischofs Vater, gefragt, wie viel ihn die Ernennung seines Sohnes koste, habe eingestanden, das; er dem Kaiser 3000 Livres verehrt habe. Andre Mönche schlössen sich den Vallombrvsanern an. Aber ehe mau öffentlich auf¬ trat, wollte mau sich vorher der Billigung des Orakels von Florenz versichern. Das war der greise Eremit Theuzon, einer von der Sorte, die Peter Damian mit den Worten charakterisirt: „Stadteinsiedler, Eremiten des Marktes, Mönche ohne Regel, Menschen, die in der Maske des Ordenskleides die Herrschaft über das Volk erstreben." Theuzon hätte nicht er selber sein müssen, wen» ihm diese Simoniegeschichte nicht ein gcfnndner Handel gewesen wäre. Natürlich! sagte er dem Gnalbert; du mußt öffentlich verkündigen, daß niemand von diesem Simonistischen Bischöfe die Sakramente empfangen dürfe. Das ließ sich Gnalbert uicht zweimal sagen. Sofort liefen er und seine Mönche in den Straßen herum und riefen: Mezzabarba könne weder das Chrisma noch Priester giltig weihen; die von ihm sakrilegisch geweihten seien keine Priester, dürften weder Messe lesen noch könnten sie die Sakramente giltig spenden. Da dem gemeinen Volke Theuzon als unfehlbares Orakel galt, Gnalbert aber bei den Vornehmen in hohem Ansehen stand, so war der Skandal fertig. Den Bischof hielten seine Kollegen und der Markgraf (es war Gottfried, der Stiefvater Mathildens). In gewaltthätiger Zeit findet man die gewaltthätige Lösung solcher Spannungen immer am einfachsten. Mezzabarba machte den Anfang. Er ließ die Psalmodirenden Mönche von San Salvatore überfallen, die einen umbringen, die andern mißhandeln, ihr Kloster plündern und anzünden. Das hatte gerade noch gefehlt, um die ganze Bevölkerung auf die Seite der Mönche zu treiben. Gegen die Streitmacht des Markgrafen richteten die Bürger zwar nichts aus, aber Florenz blieb im Kriegszustande. Wir übergehen die Verhandlungen mit der Kurie; der Markgraf eilte nach Rom, um die Verurteilung der Mönche durchzusetzen. Das Herz des Papstes, des Hildebrandianers Alexander II., war auf Seiten der Mönche, aber er hatte Rücksicht zu nehmen ans die zahlreichen Prälaten, die in Mezzabarbns Sache ihre eigne sahen. Das römische Konzil entschied: ein Grund zur Absetzung Mezzabnrbas liege uicht vor; die Mouche sollten hübsch in ihren Klöstern bleiben und ihre Ratschläge so lange für sich behalten, bis sie von zustündiger Seite darum angegangen würden. Der Markgraf Gottfried, der dieses Dekret zurückbrachte, machte es selbst bekannt und drohte, er würde alle Mönche, die nicht nugeublicklich hinter ihren Klostermauern verschwänden, ohne prozessualische Weitläufigkeiten aufhängen lassen. Ein paar Mönche, die vor dein anbefohlenen Verschwinden geschwind noch das Volk aufgereizt hatten, wurden aus einem Oratorium herausgeholt nud in Ketten vor den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/420>, abgerufen am 24.07.2024.