Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.Arbciltnwclzuungeu und Arbeiiergrundbesitz benutzten Einzimmerwohnungen zu verlassen. Dies kann freilich einstweilen Was nun die vielfach, u. a. auch von Aschrott geäußerten Bedenken Nr. 1 des 4, J.ihrg. (von 3. Oktober 1300).
Arbciltnwclzuungeu und Arbeiiergrundbesitz benutzten Einzimmerwohnungen zu verlassen. Dies kann freilich einstweilen Was nun die vielfach, u. a. auch von Aschrott geäußerten Bedenken Nr. 1 des 4, J.ihrg. (von 3. Oktober 1300).
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0415" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/210282"/> <fw type="header" place="top"> Arbciltnwclzuungeu und Arbeiiergrundbesitz</fw><lb/> <p xml:id="ID_1165" prev="#ID_1164"> benutzten Einzimmerwohnungen zu verlassen. Dies kann freilich einstweilen<lb/> »ur geschehen, wenn man ihnen die größern Wohnungen zu demselben Preis<lb/> zur Verfügung stellt, für den sie sich bisher ihr einziges Zimmer verschafften,<lb/> d. h. wenn mau mit Rücksicht auf die ungenügenden Arbeitslöhne vorläufig<lb/> darauf verzichtet, aus der Produktion von Wohnungen für die gewöhnlichen<lb/> Arbeiter rentable Unternehmungen zu machen." Eher auf eine gemeinnützige<lb/> mis auf eine finanzielle Grundlage wären sonach Unternehmungen zu stellen,<lb/> die der Wohnungsnot der gering bezahlten Arbeiter abhelfen sollen, schon<lb/> deshalb, weil die Gesetzgebung den gemeinnützigen Baugesellschaften eine Reihe<lb/> von Vorteilen gewährt, und weil „bei dem uur lokalen Markte der Aktien<lb/> (von Baugesellschaften für Arbeiterwohnungen) und der Schwierigkeit, das<lb/> darin angelegte Kapital zu renlisiren, die Beteiligung stets in erster Linie als<lb/> ein Akt der Gemeinnützigkeit angesehen werden wird, und es darum wenig von<lb/> Belang ist, ob 4 oder 3^ Prozent versprochen werden." Ans die Bildung<lb/> gemeinnütziger Baugesellschaften, die entgegen den rein geschäftlichen Aktien-<lb/> unternehmungen bei richtiger Organisation noch den Vorteil haben, daß sie<lb/> Berührungspunkte zwischen Gesellschaft und arbeitenden Klassen schaffen helfen,<lb/> ist seither noch keineswegs in genügendem Umfange hingewirkt worden, nament¬<lb/> lich nicht in Berlin, wo zur Hebung des Volkswohls und zur Milderung der<lb/> gesellschaftlichen Gegensätze überhaupt in mancher Beziehung noch recht wenig<lb/> geschehen ist. Von einem Versagen der gemeinnützigen Baugesellschaften aber<lb/> kann durchaus nicht die Rede sein. Im Gegenteil, diese Unternehmungen<lb/> haben, wie von den Kennern der einschlägigen Verhältnisse zugegeben wird,<lb/> durchgängig ihre Aufgaben besser erfüllt, als Baugesellschaften rein geschäft¬<lb/> licher Natur.</p><lb/> <p xml:id="ID_1166" next="#ID_1167"> Was nun die vielfach, u. a. auch von Aschrott geäußerten Bedenken<lb/> gegen Errichtung von Arbeiterwohnungen in den Vororten der Großstädte<lb/> oder auf dein Lande anlangt, so erscheinen auch diese unberechtigt. Vor ewiger<lb/> Zeit wurde, wie C. Krüger in der Zeitschrift „Humanität" mitgeteilt hat,")<lb/> in zwei großen Gemeindeschulen der Berliner Arbeiterviertel eine Statistik auf¬<lb/> genommen, die ergab, daß bei 47,5 Prozent der Schüler der Vater über Mittag<lb/> nicht zu Hause ist, bei 23 Prozent dem Vater das Mittagessen nachgetragen wird.<lb/> Da liegt doch wahrlich keine Veranlassung vor, daß die ganze Familie in der<lb/> teuern Stadt wohnen bleiben soll, selbst wenn in der Hälfte der Fülle das<lb/> Mittagessen nachgetragen wird. Eine Anzahl von Arbeitern gab übrigens bei<lb/> einer Umfrage über die Berliner Wohnuugszustäude die schriftliche Erklärung<lb/> ab, sie würde gern ans dem Lande wohnen, wenn jeder ein Häuschen erhielte,<lb/> das allmählich sein Eigentum würde. Sollte es nun nicht möglich sein, in<lb/> den Vororten der Großstädte (mit Einschluß vou Berlin) Wohnungen zu er-</p><lb/> <note xml:id="FID_62" place="foot"> Nr. 1 des 4, J.ihrg. (von 3. Oktober 1300).</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0415]
Arbciltnwclzuungeu und Arbeiiergrundbesitz
benutzten Einzimmerwohnungen zu verlassen. Dies kann freilich einstweilen
»ur geschehen, wenn man ihnen die größern Wohnungen zu demselben Preis
zur Verfügung stellt, für den sie sich bisher ihr einziges Zimmer verschafften,
d. h. wenn mau mit Rücksicht auf die ungenügenden Arbeitslöhne vorläufig
darauf verzichtet, aus der Produktion von Wohnungen für die gewöhnlichen
Arbeiter rentable Unternehmungen zu machen." Eher auf eine gemeinnützige
mis auf eine finanzielle Grundlage wären sonach Unternehmungen zu stellen,
die der Wohnungsnot der gering bezahlten Arbeiter abhelfen sollen, schon
deshalb, weil die Gesetzgebung den gemeinnützigen Baugesellschaften eine Reihe
von Vorteilen gewährt, und weil „bei dem uur lokalen Markte der Aktien
(von Baugesellschaften für Arbeiterwohnungen) und der Schwierigkeit, das
darin angelegte Kapital zu renlisiren, die Beteiligung stets in erster Linie als
ein Akt der Gemeinnützigkeit angesehen werden wird, und es darum wenig von
Belang ist, ob 4 oder 3^ Prozent versprochen werden." Ans die Bildung
gemeinnütziger Baugesellschaften, die entgegen den rein geschäftlichen Aktien-
unternehmungen bei richtiger Organisation noch den Vorteil haben, daß sie
Berührungspunkte zwischen Gesellschaft und arbeitenden Klassen schaffen helfen,
ist seither noch keineswegs in genügendem Umfange hingewirkt worden, nament¬
lich nicht in Berlin, wo zur Hebung des Volkswohls und zur Milderung der
gesellschaftlichen Gegensätze überhaupt in mancher Beziehung noch recht wenig
geschehen ist. Von einem Versagen der gemeinnützigen Baugesellschaften aber
kann durchaus nicht die Rede sein. Im Gegenteil, diese Unternehmungen
haben, wie von den Kennern der einschlägigen Verhältnisse zugegeben wird,
durchgängig ihre Aufgaben besser erfüllt, als Baugesellschaften rein geschäft¬
licher Natur.
Was nun die vielfach, u. a. auch von Aschrott geäußerten Bedenken
gegen Errichtung von Arbeiterwohnungen in den Vororten der Großstädte
oder auf dein Lande anlangt, so erscheinen auch diese unberechtigt. Vor ewiger
Zeit wurde, wie C. Krüger in der Zeitschrift „Humanität" mitgeteilt hat,")
in zwei großen Gemeindeschulen der Berliner Arbeiterviertel eine Statistik auf¬
genommen, die ergab, daß bei 47,5 Prozent der Schüler der Vater über Mittag
nicht zu Hause ist, bei 23 Prozent dem Vater das Mittagessen nachgetragen wird.
Da liegt doch wahrlich keine Veranlassung vor, daß die ganze Familie in der
teuern Stadt wohnen bleiben soll, selbst wenn in der Hälfte der Fülle das
Mittagessen nachgetragen wird. Eine Anzahl von Arbeitern gab übrigens bei
einer Umfrage über die Berliner Wohnuugszustäude die schriftliche Erklärung
ab, sie würde gern ans dem Lande wohnen, wenn jeder ein Häuschen erhielte,
das allmählich sein Eigentum würde. Sollte es nun nicht möglich sein, in
den Vororten der Großstädte (mit Einschluß vou Berlin) Wohnungen zu er-
Nr. 1 des 4, J.ihrg. (von 3. Oktober 1300).
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