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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Arbeitenvohuungen und Arbeitergrundbesitz

der unter" Klassen begegnet. Auch städtische Verwaltungen können, wie es
bereits hie und da geschehen ist, mit gutem Erfolge dem Übel der Wohnungs¬
not entgegentreten, indem sie selbst die Erbauung von Arbeiterwohnhüuseru
in die Hand nehmen. Hierzu sind sie vielfach um so eher in der Lage, als
sie meist über Stiftungskapitalieu verfügen, bei deuen es weniger auf eine
hohe als auf eine sichere und dauernde Verzinsung ankommt. Ich will
erwähnen, daß u. a. die Stadt Freiburg i. B. in den Jahren 1885 bis 1889
durch Hilfe von Stiftungsmitteln und Armenkassenznschüssen eine Anzahl
größerer Wohnhäuser erworben und für ärmere Familien eingerichtet, auch
32 Arbeiterhäuser mit einem Kostenaufwands von 360000 Mk. selbst gebaut
hat. Das Unternehmen hat den Erfolg gehabt, daß dein durchschnittlichen
jährlichen Mietertrage aus sämtlichen Wohnungen, 24192 Mk., an regel¬
mäßigen Ausgaben (für Feuerversicherung, Steuer, Unterhaltung, Haus¬
meister, 4prozentige Verzinsung des Anlagekapitals) 14240 Mk. gegenüber¬
gestanden haben, somit ein Reinertrag von 5400 Mk., d. h. 1^ Prozent des
Anlagekapitals verblieben ist.

Gewöhnlich ist man der Meinung, in den Großstädten sei der Arbeiter
gezwungen, in der -- von spekulativen Aktiengesellschaften erbnuten -- Miet¬
kaserne zu wohnen, ja man glaubt, er wolle es ans mancherlei Gründe gar
nicht anders. Daher kommt es, daß der Frage, ob es nicht möglich sei, in
deu Vororten Häuser zu errichten, die zur Übertragung in das Eigentum der
Arbeiter bestimmt sind, im großen und ganzen nicht die nötige Aufmerksamkeit
geschenkt wird. Auch Aschrott ist der Ansicht, daß gemeinnützige Vaugcsell-
schaften und Baugenossenschaften in den so schnell gewachsenen Großstädten
versagten und das vorhandene Wvhnnngsbednrfnis nicht zu befriedigen ver¬
möchten; er glaubt, die Erleichterung des Wohnens in den Vororten durch
Verkehrserleichterungen auf Eisen- und Pferdebahnen habe es bisher nicht
bewirkt, werde es auch nicht bewirken können, daß eigentliche Arbeiter, die ihre
Arbeitsstelle und Beschäftigung innerhalb der Großstadt hätten, in nennens¬
werter Zahl außerhalb der Stadt Wohnung nehmen würden.

Dagegen dürfte sich aber folgendes einwenden lassen: Die Statistik ergiebt,
daß es in Berlin, wie wohl fast in allen Großstädten, nicht zu wenig, sondern
zu viel Einzimmerwohnungen und Wohnungen für die ärmern Schichten
der untern Klaffen giebt.") Ein Bedürfnis der Bermehrnng der Einzimmer-
wvhuttttgeu liegt sonach gnr nicht vor, vielmehr die Notwendigkeit einer Ver¬
minderung. "Man sollte -- sagt Flesch nicht mit Unrecht -- das Augenmerk
nicht darauf richte", solche zu bauen, sondern im Gegenteil darauf, einen mög¬
lichst großen Teil der ärmer" Bevölkerung zu veranlasse", die bisher vo" ihr



Vnl- den von Flesch erstatteten Bericht und sein Prvmemmm in Hest I I der Schriften
des Deutschen Vereins für ArmeiipsK'lie und WMHiituikeit. S, 4!"-81.
Arbeitenvohuungen und Arbeitergrundbesitz

der unter» Klassen begegnet. Auch städtische Verwaltungen können, wie es
bereits hie und da geschehen ist, mit gutem Erfolge dem Übel der Wohnungs¬
not entgegentreten, indem sie selbst die Erbauung von Arbeiterwohnhüuseru
in die Hand nehmen. Hierzu sind sie vielfach um so eher in der Lage, als
sie meist über Stiftungskapitalieu verfügen, bei deuen es weniger auf eine
hohe als auf eine sichere und dauernde Verzinsung ankommt. Ich will
erwähnen, daß u. a. die Stadt Freiburg i. B. in den Jahren 1885 bis 1889
durch Hilfe von Stiftungsmitteln und Armenkassenznschüssen eine Anzahl
größerer Wohnhäuser erworben und für ärmere Familien eingerichtet, auch
32 Arbeiterhäuser mit einem Kostenaufwands von 360000 Mk. selbst gebaut
hat. Das Unternehmen hat den Erfolg gehabt, daß dein durchschnittlichen
jährlichen Mietertrage aus sämtlichen Wohnungen, 24192 Mk., an regel¬
mäßigen Ausgaben (für Feuerversicherung, Steuer, Unterhaltung, Haus¬
meister, 4prozentige Verzinsung des Anlagekapitals) 14240 Mk. gegenüber¬
gestanden haben, somit ein Reinertrag von 5400 Mk., d. h. 1^ Prozent des
Anlagekapitals verblieben ist.

Gewöhnlich ist man der Meinung, in den Großstädten sei der Arbeiter
gezwungen, in der — von spekulativen Aktiengesellschaften erbnuten — Miet¬
kaserne zu wohnen, ja man glaubt, er wolle es ans mancherlei Gründe gar
nicht anders. Daher kommt es, daß der Frage, ob es nicht möglich sei, in
deu Vororten Häuser zu errichten, die zur Übertragung in das Eigentum der
Arbeiter bestimmt sind, im großen und ganzen nicht die nötige Aufmerksamkeit
geschenkt wird. Auch Aschrott ist der Ansicht, daß gemeinnützige Vaugcsell-
schaften und Baugenossenschaften in den so schnell gewachsenen Großstädten
versagten und das vorhandene Wvhnnngsbednrfnis nicht zu befriedigen ver¬
möchten; er glaubt, die Erleichterung des Wohnens in den Vororten durch
Verkehrserleichterungen auf Eisen- und Pferdebahnen habe es bisher nicht
bewirkt, werde es auch nicht bewirken können, daß eigentliche Arbeiter, die ihre
Arbeitsstelle und Beschäftigung innerhalb der Großstadt hätten, in nennens¬
werter Zahl außerhalb der Stadt Wohnung nehmen würden.

Dagegen dürfte sich aber folgendes einwenden lassen: Die Statistik ergiebt,
daß es in Berlin, wie wohl fast in allen Großstädten, nicht zu wenig, sondern
zu viel Einzimmerwohnungen und Wohnungen für die ärmern Schichten
der untern Klaffen giebt.") Ein Bedürfnis der Bermehrnng der Einzimmer-
wvhuttttgeu liegt sonach gnr nicht vor, vielmehr die Notwendigkeit einer Ver¬
minderung. „Man sollte — sagt Flesch nicht mit Unrecht — das Augenmerk
nicht darauf richte», solche zu bauen, sondern im Gegenteil darauf, einen mög¬
lichst großen Teil der ärmer» Bevölkerung zu veranlasse», die bisher vo» ihr



Vnl- den von Flesch erstatteten Bericht und sein Prvmemmm in Hest I I der Schriften
des Deutschen Vereins für ArmeiipsK'lie und WMHiituikeit. S, 4!»-81.
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[0414] Arbeitenvohuungen und Arbeitergrundbesitz der unter» Klassen begegnet. Auch städtische Verwaltungen können, wie es bereits hie und da geschehen ist, mit gutem Erfolge dem Übel der Wohnungs¬ not entgegentreten, indem sie selbst die Erbauung von Arbeiterwohnhüuseru in die Hand nehmen. Hierzu sind sie vielfach um so eher in der Lage, als sie meist über Stiftungskapitalieu verfügen, bei deuen es weniger auf eine hohe als auf eine sichere und dauernde Verzinsung ankommt. Ich will erwähnen, daß u. a. die Stadt Freiburg i. B. in den Jahren 1885 bis 1889 durch Hilfe von Stiftungsmitteln und Armenkassenznschüssen eine Anzahl größerer Wohnhäuser erworben und für ärmere Familien eingerichtet, auch 32 Arbeiterhäuser mit einem Kostenaufwands von 360000 Mk. selbst gebaut hat. Das Unternehmen hat den Erfolg gehabt, daß dein durchschnittlichen jährlichen Mietertrage aus sämtlichen Wohnungen, 24192 Mk., an regel¬ mäßigen Ausgaben (für Feuerversicherung, Steuer, Unterhaltung, Haus¬ meister, 4prozentige Verzinsung des Anlagekapitals) 14240 Mk. gegenüber¬ gestanden haben, somit ein Reinertrag von 5400 Mk., d. h. 1^ Prozent des Anlagekapitals verblieben ist. Gewöhnlich ist man der Meinung, in den Großstädten sei der Arbeiter gezwungen, in der — von spekulativen Aktiengesellschaften erbnuten — Miet¬ kaserne zu wohnen, ja man glaubt, er wolle es ans mancherlei Gründe gar nicht anders. Daher kommt es, daß der Frage, ob es nicht möglich sei, in deu Vororten Häuser zu errichten, die zur Übertragung in das Eigentum der Arbeiter bestimmt sind, im großen und ganzen nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt wird. Auch Aschrott ist der Ansicht, daß gemeinnützige Vaugcsell- schaften und Baugenossenschaften in den so schnell gewachsenen Großstädten versagten und das vorhandene Wvhnnngsbednrfnis nicht zu befriedigen ver¬ möchten; er glaubt, die Erleichterung des Wohnens in den Vororten durch Verkehrserleichterungen auf Eisen- und Pferdebahnen habe es bisher nicht bewirkt, werde es auch nicht bewirken können, daß eigentliche Arbeiter, die ihre Arbeitsstelle und Beschäftigung innerhalb der Großstadt hätten, in nennens¬ werter Zahl außerhalb der Stadt Wohnung nehmen würden. Dagegen dürfte sich aber folgendes einwenden lassen: Die Statistik ergiebt, daß es in Berlin, wie wohl fast in allen Großstädten, nicht zu wenig, sondern zu viel Einzimmerwohnungen und Wohnungen für die ärmern Schichten der untern Klaffen giebt.") Ein Bedürfnis der Bermehrnng der Einzimmer- wvhuttttgeu liegt sonach gnr nicht vor, vielmehr die Notwendigkeit einer Ver¬ minderung. „Man sollte — sagt Flesch nicht mit Unrecht — das Augenmerk nicht darauf richte», solche zu bauen, sondern im Gegenteil darauf, einen mög¬ lichst großen Teil der ärmer» Bevölkerung zu veranlasse», die bisher vo» ihr Vnl- den von Flesch erstatteten Bericht und sein Prvmemmm in Hest I I der Schriften des Deutschen Vereins für ArmeiipsK'lie und WMHiituikeit. S, 4!»-81.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/414>, abgerufen am 24.07.2024.