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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Robert Schumanns schriftstellerische Thätigkeit

reich löcher Verleger an die Spitze der Musikzeitung stellen müsse, war nicht
zu erfüllen; die Verleger gingen nicht darauf ein, da sie, wie Schumann
meinte, "für ihren Strauß, Prvch ?e. fürchteten." Überhaupt rief das Vor¬
gefühl, daß der eigentliche Zweck seiner Reise verfehlt war, und der schleppende
Gang der Verhandlungen gleich anfangs eine Verstimmung in ihm hervor, die
ihm das Fremde doppelt fremd und im ungünstigsten Licht erscheinen ließ.*)
"Ich passe nicht unter diesen Schlag Menschen; die Fadheit ist denn doch zu
Zeiten zu mächtig. Doch wird genauere Bekanntschaft mit den Einzelnen von
diesem Urteil manches löschen," schreibt er am 19. Oktober an Zuccalmagliv.
Ende Oktober zweifelt er schon, daß die Zeitschrift von Neujahr an werde
erscheinen können, und er vertröstet sich auf deu 1. Juli. "Hinge es von mir
ab, morgen ginge ich nach Leipzig zurück," bekennt er seiner Schwägerin, "die
Zeitung verliert offenbar, wenn sie hier erscheinen muß. Das thut mir sehr
leid. Hab ich nur erst meine Frau, dann will ich alles vergessen, was mir
die ganze Sache für Kummer und schlaflose Nächte gemacht." Seiner Braut
klagt er: "Nur meine schöne Zeitung dauert mich. Nach allem, was ich
bis jetzt erfahren und mit eignen Augen gesehen, ist es (wegen des Nieder¬
drucks von oben) kaum möglich, daß hier etwas Poetisches, Lebendiges, Osfeu-
sinniges auskommen könne. Nun bin ich dennoch entschlossen, wenn nicht bis
Neujahr, so bis zu Juli 1839 die Zeitung hierher zu verlegen; ich will
es versuchen wenigstens. Schneidet man mir aber zu sehr herum an meinen
Flügeln, daß man mich am Ende in Leipzig und Norddeutschland für feig
und matt und verändert ausschilt, so weiß ich vor der Hand nicht, was dann
anfangen." An Vesque schrieb er im Dezember: "Wenn, was Sie bis jetzt
in der Zeitschrift über Turandot") gefunden, das ganze Resultat meines
Dnrchleseus der Partitur wäre, so wär es wenig genug. Es ist aber anders.
Mit Fleiß und in Rücksicht auf meine jetzige Stellung erwähne ich nnr die
Data des hiesigen Musiklebens in möglichster Kürze. Außerdem habe ich eine
Reihe von größern Briefen über die Wiener Zustünde im Sinn und denke
sie zu veröffentlichen, sobald ich nur die Konzession zur Herausgabe in Händen
hätte -- das geht aber so langsam."

Zu Anfang seines Wiener Aufenthalts hatte Schumann die Freude gehabt,
mit einem Landsmann und Mitarbeiter an der Zeitschrift, dem Weimarer
Musikdirektor Karl Montag, der sich kurze Zeit in Wien aufhielt, verkehren
zu können. In einem (ungedruckten) Briefe an ihn vom 10. Januar 1839
heißt es: ,,Wie sehr hätte ich gewünscht, Sie hier behalten zu können, wo
man die Künstler suchen muß wie die Ehrlichkeit auf der Welt! . . . Mein
Urteil über Wien fängt sich nach und nach zu ändern an. Das Kuusttreiben




*) Kalbecks Aufsatz: R, Schumann in Wien. Wiener Allgem. Ztg. von I.88N.
*) Vesaues (psend. Hvvens) Oper. N. Zischst. 1833, IX. 186.
Robert Schumanns schriftstellerische Thätigkeit

reich löcher Verleger an die Spitze der Musikzeitung stellen müsse, war nicht
zu erfüllen; die Verleger gingen nicht darauf ein, da sie, wie Schumann
meinte, „für ihren Strauß, Prvch ?e. fürchteten." Überhaupt rief das Vor¬
gefühl, daß der eigentliche Zweck seiner Reise verfehlt war, und der schleppende
Gang der Verhandlungen gleich anfangs eine Verstimmung in ihm hervor, die
ihm das Fremde doppelt fremd und im ungünstigsten Licht erscheinen ließ.*)
„Ich passe nicht unter diesen Schlag Menschen; die Fadheit ist denn doch zu
Zeiten zu mächtig. Doch wird genauere Bekanntschaft mit den Einzelnen von
diesem Urteil manches löschen," schreibt er am 19. Oktober an Zuccalmagliv.
Ende Oktober zweifelt er schon, daß die Zeitschrift von Neujahr an werde
erscheinen können, und er vertröstet sich auf deu 1. Juli. „Hinge es von mir
ab, morgen ginge ich nach Leipzig zurück," bekennt er seiner Schwägerin, „die
Zeitung verliert offenbar, wenn sie hier erscheinen muß. Das thut mir sehr
leid. Hab ich nur erst meine Frau, dann will ich alles vergessen, was mir
die ganze Sache für Kummer und schlaflose Nächte gemacht." Seiner Braut
klagt er: „Nur meine schöne Zeitung dauert mich. Nach allem, was ich
bis jetzt erfahren und mit eignen Augen gesehen, ist es (wegen des Nieder¬
drucks von oben) kaum möglich, daß hier etwas Poetisches, Lebendiges, Osfeu-
sinniges auskommen könne. Nun bin ich dennoch entschlossen, wenn nicht bis
Neujahr, so bis zu Juli 1839 die Zeitung hierher zu verlegen; ich will
es versuchen wenigstens. Schneidet man mir aber zu sehr herum an meinen
Flügeln, daß man mich am Ende in Leipzig und Norddeutschland für feig
und matt und verändert ausschilt, so weiß ich vor der Hand nicht, was dann
anfangen." An Vesque schrieb er im Dezember: „Wenn, was Sie bis jetzt
in der Zeitschrift über Turandot") gefunden, das ganze Resultat meines
Dnrchleseus der Partitur wäre, so wär es wenig genug. Es ist aber anders.
Mit Fleiß und in Rücksicht auf meine jetzige Stellung erwähne ich nnr die
Data des hiesigen Musiklebens in möglichster Kürze. Außerdem habe ich eine
Reihe von größern Briefen über die Wiener Zustünde im Sinn und denke
sie zu veröffentlichen, sobald ich nur die Konzession zur Herausgabe in Händen
hätte — das geht aber so langsam."

Zu Anfang seines Wiener Aufenthalts hatte Schumann die Freude gehabt,
mit einem Landsmann und Mitarbeiter an der Zeitschrift, dem Weimarer
Musikdirektor Karl Montag, der sich kurze Zeit in Wien aufhielt, verkehren
zu können. In einem (ungedruckten) Briefe an ihn vom 10. Januar 1839
heißt es: ,,Wie sehr hätte ich gewünscht, Sie hier behalten zu können, wo
man die Künstler suchen muß wie die Ehrlichkeit auf der Welt! . . . Mein
Urteil über Wien fängt sich nach und nach zu ändern an. Das Kuusttreiben




*) Kalbecks Aufsatz: R, Schumann in Wien. Wiener Allgem. Ztg. von I.88N.
*) Vesaues (psend. Hvvens) Oper. N. Zischst. 1833, IX. 186.
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[0376] Robert Schumanns schriftstellerische Thätigkeit reich löcher Verleger an die Spitze der Musikzeitung stellen müsse, war nicht zu erfüllen; die Verleger gingen nicht darauf ein, da sie, wie Schumann meinte, „für ihren Strauß, Prvch ?e. fürchteten." Überhaupt rief das Vor¬ gefühl, daß der eigentliche Zweck seiner Reise verfehlt war, und der schleppende Gang der Verhandlungen gleich anfangs eine Verstimmung in ihm hervor, die ihm das Fremde doppelt fremd und im ungünstigsten Licht erscheinen ließ.*) „Ich passe nicht unter diesen Schlag Menschen; die Fadheit ist denn doch zu Zeiten zu mächtig. Doch wird genauere Bekanntschaft mit den Einzelnen von diesem Urteil manches löschen," schreibt er am 19. Oktober an Zuccalmagliv. Ende Oktober zweifelt er schon, daß die Zeitschrift von Neujahr an werde erscheinen können, und er vertröstet sich auf deu 1. Juli. „Hinge es von mir ab, morgen ginge ich nach Leipzig zurück," bekennt er seiner Schwägerin, „die Zeitung verliert offenbar, wenn sie hier erscheinen muß. Das thut mir sehr leid. Hab ich nur erst meine Frau, dann will ich alles vergessen, was mir die ganze Sache für Kummer und schlaflose Nächte gemacht." Seiner Braut klagt er: „Nur meine schöne Zeitung dauert mich. Nach allem, was ich bis jetzt erfahren und mit eignen Augen gesehen, ist es (wegen des Nieder¬ drucks von oben) kaum möglich, daß hier etwas Poetisches, Lebendiges, Osfeu- sinniges auskommen könne. Nun bin ich dennoch entschlossen, wenn nicht bis Neujahr, so bis zu Juli 1839 die Zeitung hierher zu verlegen; ich will es versuchen wenigstens. Schneidet man mir aber zu sehr herum an meinen Flügeln, daß man mich am Ende in Leipzig und Norddeutschland für feig und matt und verändert ausschilt, so weiß ich vor der Hand nicht, was dann anfangen." An Vesque schrieb er im Dezember: „Wenn, was Sie bis jetzt in der Zeitschrift über Turandot") gefunden, das ganze Resultat meines Dnrchleseus der Partitur wäre, so wär es wenig genug. Es ist aber anders. Mit Fleiß und in Rücksicht auf meine jetzige Stellung erwähne ich nnr die Data des hiesigen Musiklebens in möglichster Kürze. Außerdem habe ich eine Reihe von größern Briefen über die Wiener Zustünde im Sinn und denke sie zu veröffentlichen, sobald ich nur die Konzession zur Herausgabe in Händen hätte — das geht aber so langsam." Zu Anfang seines Wiener Aufenthalts hatte Schumann die Freude gehabt, mit einem Landsmann und Mitarbeiter an der Zeitschrift, dem Weimarer Musikdirektor Karl Montag, der sich kurze Zeit in Wien aufhielt, verkehren zu können. In einem (ungedruckten) Briefe an ihn vom 10. Januar 1839 heißt es: ,,Wie sehr hätte ich gewünscht, Sie hier behalten zu können, wo man die Künstler suchen muß wie die Ehrlichkeit auf der Welt! . . . Mein Urteil über Wien fängt sich nach und nach zu ändern an. Das Kuusttreiben *) Kalbecks Aufsatz: R, Schumann in Wien. Wiener Allgem. Ztg. von I.88N. *) Vesaues (psend. Hvvens) Oper. N. Zischst. 1833, IX. 186.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/376>, abgerufen am 24.07.2024.