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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Robert Schumanns schriftstellerische Thätigkeit

als daß ich fürchten sollte, man würde ihrem Erscheinen in Wien Hindernisse
vonseiten der Zensur in den Weg legen. . . . Die Zeitung soll also vom
Januar 183V an in Wien erscheinen, ich selbst will Ende Oktober hin. . . .
Lassen Sie mir bald eine gütige Antwort zukommen, ich würde es Ihnen
aus tiefstem Herzen danken. Die Zeit drängt mich etwas, und ich habe hier
kein Bleibens mehr. -- Wie ich mich auf Ihr schönes Wien freue, welche
Aussichten sich mir durch diese Übersiedlung eröffnen, und wie durch den Umzug
der Zeitung nord- und süddeutsche Kunst sicherlich zu innigerem Bande ver¬
knüpft werden, über dies und manches andere in meinem nächsten Briefe,
wenn ich wieder schreiben darf." Nach dem Eintreffen von Vesqnes Antwort
schreibt Schumann am 26. August: "Den innigsten Dank für alle Auskunft,
die mir Euer Hochwohlgeboren so schnell und bestimmt gegeben. Mein Plan
reift mehr und mehr. Aber wo so viele Fäden abgerissen, so viele neue an¬
gesponnen werden müssen, bedarf es der Zeit und einer vorsichtigen Hand.
Ich hoffe in diesen Tagen besondre Empfehlungen an den Herrn Fürst
Metternich und an Herrn Graf Sedlnitzky zu erhalten, auch sonstige vom
hiesigen Magistrat, und mache mich dann Ende September gleich selbst auf
den Weg, um bei Schluß dieses Jahres im Reinen zu sein. Meine Zeit ist
mir karg zugemessen; es wäre mir höchst traurig, wenn die Zeitung anfang
Januar nicht in Wien erscheinen könnte und ich wieder nach Leipzig zurück¬
müßte. Vou einem unberechenbaren Einfluß und Nutzen für mich würde es
wohl sein, wenn Sie, hochgeehrtester Herr, sollten Sie den: Herrn Grafen
Sedlnitzky näher stehn, ihm etwa gelegentlich über mich, mein Vorhaben und
Gesuch ein empfehlendes Wort sagen wollten, daß ich ihm nicht ganz Fremd¬
ling erscheine, daß er mich nicht in die gewöhnliche Journalistenklasse wirft.
Vielleicht ist Ihnen das möglich." Unterm 5. August hatte Schumann auch
noch Joseph Fischhof ins Geheimnis gezogen, der ihn ebenfalls mit Rat und
That unterstützte und ihm die Wege chüele.

So traf er denn Anfang Oktober 1838 in Wien ein. Gleich nach seiner
Abreise von Leipzig war einer seiner Freunde darauf bedacht, ihm einen freund¬
lichen Empfang in den Wiener Künstlerkrcisen zu bereiten. Der "Davids-
bündler" I. P. Lyser verfaßte eine Art von Geleitsbrief, den er in Saphirs
Humoristen (von: 20. Oktober 1838) veröffentlichte. Diese bisher ganz unbe-
kannt gebliebene Kundgebung aus Schumanns Freundeskreise lautet:

Robert Schumann und die romantische Schule in Leipzig
Aus dem Tagebuche eines alten Thomasschülers

Je unerfreulicher und zerfahrener sich dus litterarische Leben und Treiben
an 1834 in Leipzig gestaltete, und je tiefer namentlich die Journalistik gesunken
war, sodaß den Fremden ein Grausen anwandelte, wenn er zufällig unter die sich
ewig bekämpfenden Horden geriet, welche ums tägliche liebe Brot sich zur Be-


Robert Schumanns schriftstellerische Thätigkeit

als daß ich fürchten sollte, man würde ihrem Erscheinen in Wien Hindernisse
vonseiten der Zensur in den Weg legen. . . . Die Zeitung soll also vom
Januar 183V an in Wien erscheinen, ich selbst will Ende Oktober hin. . . .
Lassen Sie mir bald eine gütige Antwort zukommen, ich würde es Ihnen
aus tiefstem Herzen danken. Die Zeit drängt mich etwas, und ich habe hier
kein Bleibens mehr. — Wie ich mich auf Ihr schönes Wien freue, welche
Aussichten sich mir durch diese Übersiedlung eröffnen, und wie durch den Umzug
der Zeitung nord- und süddeutsche Kunst sicherlich zu innigerem Bande ver¬
knüpft werden, über dies und manches andere in meinem nächsten Briefe,
wenn ich wieder schreiben darf." Nach dem Eintreffen von Vesqnes Antwort
schreibt Schumann am 26. August: „Den innigsten Dank für alle Auskunft,
die mir Euer Hochwohlgeboren so schnell und bestimmt gegeben. Mein Plan
reift mehr und mehr. Aber wo so viele Fäden abgerissen, so viele neue an¬
gesponnen werden müssen, bedarf es der Zeit und einer vorsichtigen Hand.
Ich hoffe in diesen Tagen besondre Empfehlungen an den Herrn Fürst
Metternich und an Herrn Graf Sedlnitzky zu erhalten, auch sonstige vom
hiesigen Magistrat, und mache mich dann Ende September gleich selbst auf
den Weg, um bei Schluß dieses Jahres im Reinen zu sein. Meine Zeit ist
mir karg zugemessen; es wäre mir höchst traurig, wenn die Zeitung anfang
Januar nicht in Wien erscheinen könnte und ich wieder nach Leipzig zurück¬
müßte. Vou einem unberechenbaren Einfluß und Nutzen für mich würde es
wohl sein, wenn Sie, hochgeehrtester Herr, sollten Sie den: Herrn Grafen
Sedlnitzky näher stehn, ihm etwa gelegentlich über mich, mein Vorhaben und
Gesuch ein empfehlendes Wort sagen wollten, daß ich ihm nicht ganz Fremd¬
ling erscheine, daß er mich nicht in die gewöhnliche Journalistenklasse wirft.
Vielleicht ist Ihnen das möglich." Unterm 5. August hatte Schumann auch
noch Joseph Fischhof ins Geheimnis gezogen, der ihn ebenfalls mit Rat und
That unterstützte und ihm die Wege chüele.

So traf er denn Anfang Oktober 1838 in Wien ein. Gleich nach seiner
Abreise von Leipzig war einer seiner Freunde darauf bedacht, ihm einen freund¬
lichen Empfang in den Wiener Künstlerkrcisen zu bereiten. Der „Davids-
bündler" I. P. Lyser verfaßte eine Art von Geleitsbrief, den er in Saphirs
Humoristen (von: 20. Oktober 1838) veröffentlichte. Diese bisher ganz unbe-
kannt gebliebene Kundgebung aus Schumanns Freundeskreise lautet:

Robert Schumann und die romantische Schule in Leipzig
Aus dem Tagebuche eines alten Thomasschülers

Je unerfreulicher und zerfahrener sich dus litterarische Leben und Treiben
an 1834 in Leipzig gestaltete, und je tiefer namentlich die Journalistik gesunken
war, sodaß den Fremden ein Grausen anwandelte, wenn er zufällig unter die sich
ewig bekämpfenden Horden geriet, welche ums tägliche liebe Brot sich zur Be-


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[0371] Robert Schumanns schriftstellerische Thätigkeit als daß ich fürchten sollte, man würde ihrem Erscheinen in Wien Hindernisse vonseiten der Zensur in den Weg legen. . . . Die Zeitung soll also vom Januar 183V an in Wien erscheinen, ich selbst will Ende Oktober hin. . . . Lassen Sie mir bald eine gütige Antwort zukommen, ich würde es Ihnen aus tiefstem Herzen danken. Die Zeit drängt mich etwas, und ich habe hier kein Bleibens mehr. — Wie ich mich auf Ihr schönes Wien freue, welche Aussichten sich mir durch diese Übersiedlung eröffnen, und wie durch den Umzug der Zeitung nord- und süddeutsche Kunst sicherlich zu innigerem Bande ver¬ knüpft werden, über dies und manches andere in meinem nächsten Briefe, wenn ich wieder schreiben darf." Nach dem Eintreffen von Vesqnes Antwort schreibt Schumann am 26. August: „Den innigsten Dank für alle Auskunft, die mir Euer Hochwohlgeboren so schnell und bestimmt gegeben. Mein Plan reift mehr und mehr. Aber wo so viele Fäden abgerissen, so viele neue an¬ gesponnen werden müssen, bedarf es der Zeit und einer vorsichtigen Hand. Ich hoffe in diesen Tagen besondre Empfehlungen an den Herrn Fürst Metternich und an Herrn Graf Sedlnitzky zu erhalten, auch sonstige vom hiesigen Magistrat, und mache mich dann Ende September gleich selbst auf den Weg, um bei Schluß dieses Jahres im Reinen zu sein. Meine Zeit ist mir karg zugemessen; es wäre mir höchst traurig, wenn die Zeitung anfang Januar nicht in Wien erscheinen könnte und ich wieder nach Leipzig zurück¬ müßte. Vou einem unberechenbaren Einfluß und Nutzen für mich würde es wohl sein, wenn Sie, hochgeehrtester Herr, sollten Sie den: Herrn Grafen Sedlnitzky näher stehn, ihm etwa gelegentlich über mich, mein Vorhaben und Gesuch ein empfehlendes Wort sagen wollten, daß ich ihm nicht ganz Fremd¬ ling erscheine, daß er mich nicht in die gewöhnliche Journalistenklasse wirft. Vielleicht ist Ihnen das möglich." Unterm 5. August hatte Schumann auch noch Joseph Fischhof ins Geheimnis gezogen, der ihn ebenfalls mit Rat und That unterstützte und ihm die Wege chüele. So traf er denn Anfang Oktober 1838 in Wien ein. Gleich nach seiner Abreise von Leipzig war einer seiner Freunde darauf bedacht, ihm einen freund¬ lichen Empfang in den Wiener Künstlerkrcisen zu bereiten. Der „Davids- bündler" I. P. Lyser verfaßte eine Art von Geleitsbrief, den er in Saphirs Humoristen (von: 20. Oktober 1838) veröffentlichte. Diese bisher ganz unbe- kannt gebliebene Kundgebung aus Schumanns Freundeskreise lautet: Robert Schumann und die romantische Schule in Leipzig Aus dem Tagebuche eines alten Thomasschülers Je unerfreulicher und zerfahrener sich dus litterarische Leben und Treiben an 1834 in Leipzig gestaltete, und je tiefer namentlich die Journalistik gesunken war, sodaß den Fremden ein Grausen anwandelte, wenn er zufällig unter die sich ewig bekämpfenden Horden geriet, welche ums tägliche liebe Brot sich zur Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/371>, abgerufen am 24.07.2024.