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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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einandersetznng. Auch im Urteil bewahrt Schäffer seine Selbständigkeit und
spricht z. B. im Gegensatz zu Schack, der Alarcons phantasievolles Meister¬
werk "Der Weber von Segovia" in seinem "Spanischen Theater" übersetzt
' hat, dem Dichter nur den sogenannten zweiten Teil dieses Dramas zu, wah¬
rend er die Verfasserschaft des ersten Teils in Zweifel läßt. Es würde zu
weit führen, wollten wir die neuen Nachweise und Gesichtspunkte, die Schäffers
umfassendes Buch in: einzelnen giebt, hier auch nur flüchtig erörtern; für
diejenigen unsrer Leser, die einen weitergehenden Anteil an der Geschichte der
Litteratur, der spanischen Dichtung im besondern nehmen, ist es ohnehin un¬
erläßlich, das Werk zu lesen und mit ihren bisherigen Nachweisen und Hilfs¬
mitteln zu vergleichen. Denn auch in Bezug auf biographische Angaben und
Daten hat Schäffer, der alle neuern spanischen Einzelforschungen berücksichtigen
konnte, in seinem Buche vieles seither unbekannte mitgeteilt. Um bei dem
einmal gewählten Beispiele stehen zu bleiben: Schack mußte bezüglich des
herrlichen Jan Ruiz de Alarcon noch sagen: "keine Andeutung setzt uns in
den Stand, Alarcons Todesjahr auch nnr annähernd bestimmen zu können,"
während Schäffer auf Grund des 1871 erschienenen Buches des Luis Fernandez
Guerra y Orbe über Alareon genau angeben kann, daß der Dichter am
4. August 1639 gestorben ist und, obschon Neuspanier (Mexikaner) von Ge¬
burt, doch den größern Teil seines Lebens in Spanien zugebracht hat. Er
war (1580 geboren) schon im Jahre 1600 zu Studien auf der Universität
Salamanca nach Spanien gekommen, ging erst 1608 nach Mexiko zurück,
schiffte sich schon 1611 mit dem Vicekönig Don Luis de Velcisco, Marquis
von Salinas wiederum nach Spanien ein, wo er als vortragender Rat beim
königlichen Rate für Neuspanien bis an sein Lebensende blieb. Solcher
Ergänzungen und Berichtigungen zu allem, was man früher wußte und heute
noch in den gangbaren Handbüchern und Konversationslexicis finden kann,
giebt es natürlich in einem so umfangreichen Buche in großer Anzahl. Je
gründlicher und erfolgreicher die Studien des Verfassers über die spanische
Nationalkvmvdie und ihre Vertreter gewesen sind, um so höher müssen wir
es ihm anrechnen, daß er seine Leser nach Möglichkeit mit Belegen und An¬
merkungen verschont, überhaupt eine fließende, lesbare Darstellung in guter
Sprache erstrebt hat.

Für die erste Einführung in die exotische Welt des spanischen Dramas
wird Schacks Werk immer seiue besondern Vorzüge behalten. Die jugendliche
Begeisterung, mit der es geplant und geschrieben ist, die lebendige, farbenreiche
Anschaulichkeit, die fein poetische Nachempfindung in der Wiedergabe des
Inhalts der besprochenen Dramen, die glückliche Verbindung der Litteratur¬
geschichte mit der Theatergeschichte versetzen den Leser rasch mitten in die
Zaubergärten spanischer Kunst. Die Fülle der Mitteilungen Schacks kann den
gebildeten Laien, wenn sie günstigenfalls noch durch das Lesen der behender-


einandersetznng. Auch im Urteil bewahrt Schäffer seine Selbständigkeit und
spricht z. B. im Gegensatz zu Schack, der Alarcons phantasievolles Meister¬
werk „Der Weber von Segovia" in seinem „Spanischen Theater" übersetzt
' hat, dem Dichter nur den sogenannten zweiten Teil dieses Dramas zu, wah¬
rend er die Verfasserschaft des ersten Teils in Zweifel läßt. Es würde zu
weit führen, wollten wir die neuen Nachweise und Gesichtspunkte, die Schäffers
umfassendes Buch in: einzelnen giebt, hier auch nur flüchtig erörtern; für
diejenigen unsrer Leser, die einen weitergehenden Anteil an der Geschichte der
Litteratur, der spanischen Dichtung im besondern nehmen, ist es ohnehin un¬
erläßlich, das Werk zu lesen und mit ihren bisherigen Nachweisen und Hilfs¬
mitteln zu vergleichen. Denn auch in Bezug auf biographische Angaben und
Daten hat Schäffer, der alle neuern spanischen Einzelforschungen berücksichtigen
konnte, in seinem Buche vieles seither unbekannte mitgeteilt. Um bei dem
einmal gewählten Beispiele stehen zu bleiben: Schack mußte bezüglich des
herrlichen Jan Ruiz de Alarcon noch sagen: „keine Andeutung setzt uns in
den Stand, Alarcons Todesjahr auch nnr annähernd bestimmen zu können,"
während Schäffer auf Grund des 1871 erschienenen Buches des Luis Fernandez
Guerra y Orbe über Alareon genau angeben kann, daß der Dichter am
4. August 1639 gestorben ist und, obschon Neuspanier (Mexikaner) von Ge¬
burt, doch den größern Teil seines Lebens in Spanien zugebracht hat. Er
war (1580 geboren) schon im Jahre 1600 zu Studien auf der Universität
Salamanca nach Spanien gekommen, ging erst 1608 nach Mexiko zurück,
schiffte sich schon 1611 mit dem Vicekönig Don Luis de Velcisco, Marquis
von Salinas wiederum nach Spanien ein, wo er als vortragender Rat beim
königlichen Rate für Neuspanien bis an sein Lebensende blieb. Solcher
Ergänzungen und Berichtigungen zu allem, was man früher wußte und heute
noch in den gangbaren Handbüchern und Konversationslexicis finden kann,
giebt es natürlich in einem so umfangreichen Buche in großer Anzahl. Je
gründlicher und erfolgreicher die Studien des Verfassers über die spanische
Nationalkvmvdie und ihre Vertreter gewesen sind, um so höher müssen wir
es ihm anrechnen, daß er seine Leser nach Möglichkeit mit Belegen und An¬
merkungen verschont, überhaupt eine fließende, lesbare Darstellung in guter
Sprache erstrebt hat.

Für die erste Einführung in die exotische Welt des spanischen Dramas
wird Schacks Werk immer seiue besondern Vorzüge behalten. Die jugendliche
Begeisterung, mit der es geplant und geschrieben ist, die lebendige, farbenreiche
Anschaulichkeit, die fein poetische Nachempfindung in der Wiedergabe des
Inhalts der besprochenen Dramen, die glückliche Verbindung der Litteratur¬
geschichte mit der Theatergeschichte versetzen den Leser rasch mitten in die
Zaubergärten spanischer Kunst. Die Fülle der Mitteilungen Schacks kann den
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[0348] einandersetznng. Auch im Urteil bewahrt Schäffer seine Selbständigkeit und spricht z. B. im Gegensatz zu Schack, der Alarcons phantasievolles Meister¬ werk „Der Weber von Segovia" in seinem „Spanischen Theater" übersetzt ' hat, dem Dichter nur den sogenannten zweiten Teil dieses Dramas zu, wah¬ rend er die Verfasserschaft des ersten Teils in Zweifel läßt. Es würde zu weit führen, wollten wir die neuen Nachweise und Gesichtspunkte, die Schäffers umfassendes Buch in: einzelnen giebt, hier auch nur flüchtig erörtern; für diejenigen unsrer Leser, die einen weitergehenden Anteil an der Geschichte der Litteratur, der spanischen Dichtung im besondern nehmen, ist es ohnehin un¬ erläßlich, das Werk zu lesen und mit ihren bisherigen Nachweisen und Hilfs¬ mitteln zu vergleichen. Denn auch in Bezug auf biographische Angaben und Daten hat Schäffer, der alle neuern spanischen Einzelforschungen berücksichtigen konnte, in seinem Buche vieles seither unbekannte mitgeteilt. Um bei dem einmal gewählten Beispiele stehen zu bleiben: Schack mußte bezüglich des herrlichen Jan Ruiz de Alarcon noch sagen: „keine Andeutung setzt uns in den Stand, Alarcons Todesjahr auch nnr annähernd bestimmen zu können," während Schäffer auf Grund des 1871 erschienenen Buches des Luis Fernandez Guerra y Orbe über Alareon genau angeben kann, daß der Dichter am 4. August 1639 gestorben ist und, obschon Neuspanier (Mexikaner) von Ge¬ burt, doch den größern Teil seines Lebens in Spanien zugebracht hat. Er war (1580 geboren) schon im Jahre 1600 zu Studien auf der Universität Salamanca nach Spanien gekommen, ging erst 1608 nach Mexiko zurück, schiffte sich schon 1611 mit dem Vicekönig Don Luis de Velcisco, Marquis von Salinas wiederum nach Spanien ein, wo er als vortragender Rat beim königlichen Rate für Neuspanien bis an sein Lebensende blieb. Solcher Ergänzungen und Berichtigungen zu allem, was man früher wußte und heute noch in den gangbaren Handbüchern und Konversationslexicis finden kann, giebt es natürlich in einem so umfangreichen Buche in großer Anzahl. Je gründlicher und erfolgreicher die Studien des Verfassers über die spanische Nationalkvmvdie und ihre Vertreter gewesen sind, um so höher müssen wir es ihm anrechnen, daß er seine Leser nach Möglichkeit mit Belegen und An¬ merkungen verschont, überhaupt eine fließende, lesbare Darstellung in guter Sprache erstrebt hat. Für die erste Einführung in die exotische Welt des spanischen Dramas wird Schacks Werk immer seiue besondern Vorzüge behalten. Die jugendliche Begeisterung, mit der es geplant und geschrieben ist, die lebendige, farbenreiche Anschaulichkeit, die fein poetische Nachempfindung in der Wiedergabe des Inhalts der besprochenen Dramen, die glückliche Verbindung der Litteratur¬ geschichte mit der Theatergeschichte versetzen den Leser rasch mitten in die Zaubergärten spanischer Kunst. Die Fülle der Mitteilungen Schacks kann den gebildeten Laien, wenn sie günstigenfalls noch durch das Lesen der behender-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/348>, abgerufen am 24.07.2024.