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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Robert Schumanns schriftstellerische Thätigkeit

Mutter: "In einem benachbarten Dorfe Zweinaundorf, in der schönsten Um¬
gebung von ganz Leipzig, bin ich oft ganze Tage allein gewesen und habe
gearbeitet, gedichtet ?e." In Heidelberg (Ostern 1829 bis Michaelis 1830)
war es wohl nicht viel anders. Sein Studienfreund in jener Zeit, der musi¬
kalisch sehr begabte August Leute aus Danzig, sagt in seinen handschriftlichen
Erinnerungen an Heidelberg, daß Schumann schon damals "seinen Beruf zum
hervorragenden Musiker" offenbart habe. "Im Konzert des Musikvereius
erfreute er die Zuhörer durch glänzenden Vortrag der Variationen von Moscheles
über deu Alexandermarsch. Er schrieb damals die seinigen über das Thema:
^.vöM.") Nebenher trieb er litterarische und dichterische Studien und erfreute
in unsern Privatzusammeukünften mit Weber aus Trieft, G. Rosen, Schrey
und Leo Wolf uns durch lyrische und musikalische Ergüsse. Sein Charakter
war ernst aber liebenswürdig, doch herrschte schon damals die Neigung zum
Romantischen, zuweilen Exzentrischen bei ihm vor, und seine Lebensweise war
nicht immer geregelt." Schumanns Briefe an seine Mutter berichten mehrfach
über Dichtungen. So nach ihrem Geburtstage. "Ich wollte Dir einen ganzen
Liederkranz widmen, bin aber nur bis zum vierten gekommen, will sie aber Dir
nächstens schicken" (4. Dezember 1820). "Manchmal kommt auch wieder
einmal ein Gedicht ans Lebe"; macht Dirs Vergnügen, so schick ich Dir hier
und da eines" (24. Februar 1830). "Meine Idylle ist einfach und zerfällt
in Musik, Jurisprudenz und Poesie" (1. Juli.)

In Leipzig, wohin Schumann Michaelis 1830 zurückgekehrt war, um sich
nun ganz der Musik zu widmen, trat er 1831 zuerst als Kritiker auf mit der An¬
zeige der Chopinschen Variationen in Muth "Allgemeiner musikalischer Zeitung."
Darauf brachte Herloßsohns "Komet" von 1332 und 1833 musikalische Aufsätze
vou ihm, das Leipziger Tageblatt von 1832 bis 1835 (und noch einmal 1840)
einzelne Konzertanlündigungen oder Berichte. Die "Neue Zeitschrift für Musik"
trat am 3. April 1834 ins Leben, nachdem Schumann kurz vorher noch eine
Nebenarbeit übernommen hatte: die musikalischen Artikel für Herloßsohns
Damen-Kouversationsler.ikou. Er schrieb dreiundsechzig kurze Artikel zu den
Buchstaben A, B und C, Bauet und Ortlepp lieferten die Fortsetzung. Die
1837 von N. Glaser begründete Prager Zeitschrift ..Ost und West" führte in
ihren Ankündigungen unter den außervsterreichischeu Mitarbeiter" auch Schumann
mit auf. Ju deu ersten beiden Jahrgänge" (die spätern waren mir nicht er¬
reichbar) habe ich aber nichts vou ihm auffinden können.

Da über die Leipziger Zeit Schumanns, die den wesentlichsten Teil seiner
schriftstellerischen Thätigkeit umfaßt, bisher uur Unzureichendes bekannt geworden



*) Ein Stammbuchblatt Schumanns an Leute enthalt in zierlichster Kleinschrift das
^d"M-Thema in Form von zwei Halbbögen, deren Basis die Klavierbegleitung auf je
zwei Systemen bildet. Darüber steht: .1o us suis pu'un 8on"o und das Datum: Heidelberg
29. Aug. 30.
Robert Schumanns schriftstellerische Thätigkeit

Mutter: „In einem benachbarten Dorfe Zweinaundorf, in der schönsten Um¬
gebung von ganz Leipzig, bin ich oft ganze Tage allein gewesen und habe
gearbeitet, gedichtet ?e." In Heidelberg (Ostern 1829 bis Michaelis 1830)
war es wohl nicht viel anders. Sein Studienfreund in jener Zeit, der musi¬
kalisch sehr begabte August Leute aus Danzig, sagt in seinen handschriftlichen
Erinnerungen an Heidelberg, daß Schumann schon damals „seinen Beruf zum
hervorragenden Musiker" offenbart habe. „Im Konzert des Musikvereius
erfreute er die Zuhörer durch glänzenden Vortrag der Variationen von Moscheles
über deu Alexandermarsch. Er schrieb damals die seinigen über das Thema:
^.vöM.") Nebenher trieb er litterarische und dichterische Studien und erfreute
in unsern Privatzusammeukünften mit Weber aus Trieft, G. Rosen, Schrey
und Leo Wolf uns durch lyrische und musikalische Ergüsse. Sein Charakter
war ernst aber liebenswürdig, doch herrschte schon damals die Neigung zum
Romantischen, zuweilen Exzentrischen bei ihm vor, und seine Lebensweise war
nicht immer geregelt." Schumanns Briefe an seine Mutter berichten mehrfach
über Dichtungen. So nach ihrem Geburtstage. „Ich wollte Dir einen ganzen
Liederkranz widmen, bin aber nur bis zum vierten gekommen, will sie aber Dir
nächstens schicken" (4. Dezember 1820). „Manchmal kommt auch wieder
einmal ein Gedicht ans Lebe»; macht Dirs Vergnügen, so schick ich Dir hier
und da eines" (24. Februar 1830). „Meine Idylle ist einfach und zerfällt
in Musik, Jurisprudenz und Poesie" (1. Juli.)

In Leipzig, wohin Schumann Michaelis 1830 zurückgekehrt war, um sich
nun ganz der Musik zu widmen, trat er 1831 zuerst als Kritiker auf mit der An¬
zeige der Chopinschen Variationen in Muth „Allgemeiner musikalischer Zeitung."
Darauf brachte Herloßsohns „Komet" von 1332 und 1833 musikalische Aufsätze
vou ihm, das Leipziger Tageblatt von 1832 bis 1835 (und noch einmal 1840)
einzelne Konzertanlündigungen oder Berichte. Die „Neue Zeitschrift für Musik"
trat am 3. April 1834 ins Leben, nachdem Schumann kurz vorher noch eine
Nebenarbeit übernommen hatte: die musikalischen Artikel für Herloßsohns
Damen-Kouversationsler.ikou. Er schrieb dreiundsechzig kurze Artikel zu den
Buchstaben A, B und C, Bauet und Ortlepp lieferten die Fortsetzung. Die
1837 von N. Glaser begründete Prager Zeitschrift ..Ost und West" führte in
ihren Ankündigungen unter den außervsterreichischeu Mitarbeiter« auch Schumann
mit auf. Ju deu ersten beiden Jahrgänge» (die spätern waren mir nicht er¬
reichbar) habe ich aber nichts vou ihm auffinden können.

Da über die Leipziger Zeit Schumanns, die den wesentlichsten Teil seiner
schriftstellerischen Thätigkeit umfaßt, bisher uur Unzureichendes bekannt geworden



*) Ein Stammbuchblatt Schumanns an Leute enthalt in zierlichster Kleinschrift das
^d»M-Thema in Form von zwei Halbbögen, deren Basis die Klavierbegleitung auf je
zwei Systemen bildet. Darüber steht: .1o us suis pu'un 8on»o und das Datum: Heidelberg
29. Aug. 30.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/340>, abgerufen am 24.07.2024.