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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Robert Schumanns schriftstellerische Thätigkeit

mit ungewöhnlichen Fähigkeiten ausgestattete Knabe seinen eignen Weg. Wo
andre der gründlichsten Unterweisung und der angestrengtesten Vorstudien be¬
durft hatten, da genügte ihm eine Andeutung, ein Wink, ein Versuch, um
Außerordentliches zu leiste". Neben dein musikalischen hatte sich frühzeitig
ein sehr bemerkenswertes Sprachtalent und zugleich mit diesem ein feines Ge¬
fühl für metrische Formen geltend gemacht; das erstere war ein Erbteil der
Mutter, das letztere hatte er vom Vater ererbt.

Die Mutter, eine gruudmusikalische Natur, obwohl sie teilte Note lesen
konnte, gab hauptsächlich die Veranlassung, daß Robert mit sieben Jahren dem
Organisten Laos. Kuutsch zum Klavierunterricht übergeben wurde. Der Unterricht
horte 1825 auf, da Robert seinem Lehrmeister (der seinen Schüler übrigens
sehr liebte) über den Kopf gewachsen war und auf eigne Hand Klavier spielte,
phantasirte und komponirte. Während die Mutter die Beschäftigung des Knaben
mit Musik rein als dilettantische Liebhaberei ansah und sich entschieden dagegen
erklärte, daß er darin seine Lebensaufgabe finden solle, glaubte der weiter und
freier denkende Vater seinen Sohn der Künstlerlanfbahn zuführen zu müssen.
Er hatte sogar schon Unterhandlungen deswegen mit C. M. von Weber an¬
geknüpft, die aber durch Webers Abreise nach Loudon ins Stocken gerieten.
Der Plan wird alsdann in den Hintergrund getreten, der Vater wohl auch
mi dein eigentlichen Beruf des Sohnes irre geworden sein, da sich dieser in¬
zwischen von der Musik zur Poesie abzuwenden schien. Das sah der Vater,
der die eignen schriftstellerischen Neigungen seinem buchhändlerischen Berufe
hatte unterordnen müssen, jedenfalls nicht ungern. Er nährte den für alles
Schöne empfänglichen Sinn des Sohnes mit klassischer Lektüre und zog ihn
mich zur Mitarbeit an eignen litterarischen Arbeiten heran. Seine Buchhand¬
lung bot Bildungsmittel in verschwenderischer Fülle und Auswahl, die der
geweckte und wißbegierige Knabe mit Leidenschaft ergriff, sodaß er sich binnen
kurzer Zeit im Zusammenhange aneignete, was sonst nur laugsam und bruch¬
stückweise erworben zu werdeu Pflegt.

An teilnehmenden Genossen fehlte es rhin bei seinen poetischen Bestrebungen
nicht. Wie er der Leiter eines aus seinen Kameraden gebildeten Orchesters


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1823 IxrnliuL Bei dießen wenigen Zeiten denke
an Deinen treuen Freund u. Mitschüler Rod ^.lox, LÄmm-wu. I)ig<!p: olu-sgis tertias I^cel Awlnlütvionsis. Mit Sanssouci bezeichneten die Schnlknmeraden eine Höhle außerhalb der Stadt, wo
sie ihre "Robiusouaoen" aufführten. DaS Blatt enthält auch die Zeichnung einer Wage,
deren Bedeutung aber Dr. Herzog nicht mehr anzugeben wußte.
Robert Schumanns schriftstellerische Thätigkeit

mit ungewöhnlichen Fähigkeiten ausgestattete Knabe seinen eignen Weg. Wo
andre der gründlichsten Unterweisung und der angestrengtesten Vorstudien be¬
durft hatten, da genügte ihm eine Andeutung, ein Wink, ein Versuch, um
Außerordentliches zu leiste». Neben dein musikalischen hatte sich frühzeitig
ein sehr bemerkenswertes Sprachtalent und zugleich mit diesem ein feines Ge¬
fühl für metrische Formen geltend gemacht; das erstere war ein Erbteil der
Mutter, das letztere hatte er vom Vater ererbt.

Die Mutter, eine gruudmusikalische Natur, obwohl sie teilte Note lesen
konnte, gab hauptsächlich die Veranlassung, daß Robert mit sieben Jahren dem
Organisten Laos. Kuutsch zum Klavierunterricht übergeben wurde. Der Unterricht
horte 1825 auf, da Robert seinem Lehrmeister (der seinen Schüler übrigens
sehr liebte) über den Kopf gewachsen war und auf eigne Hand Klavier spielte,
phantasirte und komponirte. Während die Mutter die Beschäftigung des Knaben
mit Musik rein als dilettantische Liebhaberei ansah und sich entschieden dagegen
erklärte, daß er darin seine Lebensaufgabe finden solle, glaubte der weiter und
freier denkende Vater seinen Sohn der Künstlerlanfbahn zuführen zu müssen.
Er hatte sogar schon Unterhandlungen deswegen mit C. M. von Weber an¬
geknüpft, die aber durch Webers Abreise nach Loudon ins Stocken gerieten.
Der Plan wird alsdann in den Hintergrund getreten, der Vater wohl auch
mi dein eigentlichen Beruf des Sohnes irre geworden sein, da sich dieser in¬
zwischen von der Musik zur Poesie abzuwenden schien. Das sah der Vater,
der die eignen schriftstellerischen Neigungen seinem buchhändlerischen Berufe
hatte unterordnen müssen, jedenfalls nicht ungern. Er nährte den für alles
Schöne empfänglichen Sinn des Sohnes mit klassischer Lektüre und zog ihn
mich zur Mitarbeit an eignen litterarischen Arbeiten heran. Seine Buchhand¬
lung bot Bildungsmittel in verschwenderischer Fülle und Auswahl, die der
geweckte und wißbegierige Knabe mit Leidenschaft ergriff, sodaß er sich binnen
kurzer Zeit im Zusammenhange aneignete, was sonst nur laugsam und bruch¬
stückweise erworben zu werdeu Pflegt.

An teilnehmenden Genossen fehlte es rhin bei seinen poetischen Bestrebungen
nicht. Wie er der Leiter eines aus seinen Kameraden gebildeten Orchesters


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an Deinen treuen Freund u. Mitschüler Rod ^.lox, LÄmm-wu. I)ig<!p: olu-sgis tertias I^cel Awlnlütvionsis. Mit Sanssouci bezeichneten die Schnlknmeraden eine Höhle außerhalb der Stadt, wo
sie ihre „Robiusouaoen" aufführten. DaS Blatt enthält auch die Zeichnung einer Wage,
deren Bedeutung aber Dr. Herzog nicht mehr anzugeben wußte.
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[0331] Robert Schumanns schriftstellerische Thätigkeit mit ungewöhnlichen Fähigkeiten ausgestattete Knabe seinen eignen Weg. Wo andre der gründlichsten Unterweisung und der angestrengtesten Vorstudien be¬ durft hatten, da genügte ihm eine Andeutung, ein Wink, ein Versuch, um Außerordentliches zu leiste». Neben dein musikalischen hatte sich frühzeitig ein sehr bemerkenswertes Sprachtalent und zugleich mit diesem ein feines Ge¬ fühl für metrische Formen geltend gemacht; das erstere war ein Erbteil der Mutter, das letztere hatte er vom Vater ererbt. Die Mutter, eine gruudmusikalische Natur, obwohl sie teilte Note lesen konnte, gab hauptsächlich die Veranlassung, daß Robert mit sieben Jahren dem Organisten Laos. Kuutsch zum Klavierunterricht übergeben wurde. Der Unterricht horte 1825 auf, da Robert seinem Lehrmeister (der seinen Schüler übrigens sehr liebte) über den Kopf gewachsen war und auf eigne Hand Klavier spielte, phantasirte und komponirte. Während die Mutter die Beschäftigung des Knaben mit Musik rein als dilettantische Liebhaberei ansah und sich entschieden dagegen erklärte, daß er darin seine Lebensaufgabe finden solle, glaubte der weiter und freier denkende Vater seinen Sohn der Künstlerlanfbahn zuführen zu müssen. Er hatte sogar schon Unterhandlungen deswegen mit C. M. von Weber an¬ geknüpft, die aber durch Webers Abreise nach Loudon ins Stocken gerieten. Der Plan wird alsdann in den Hintergrund getreten, der Vater wohl auch mi dein eigentlichen Beruf des Sohnes irre geworden sein, da sich dieser in¬ zwischen von der Musik zur Poesie abzuwenden schien. Das sah der Vater, der die eignen schriftstellerischen Neigungen seinem buchhändlerischen Berufe hatte unterordnen müssen, jedenfalls nicht ungern. Er nährte den für alles Schöne empfänglichen Sinn des Sohnes mit klassischer Lektüre und zog ihn mich zur Mitarbeit an eignen litterarischen Arbeiten heran. Seine Buchhand¬ lung bot Bildungsmittel in verschwenderischer Fülle und Auswahl, die der geweckte und wißbegierige Knabe mit Leidenschaft ergriff, sodaß er sich binnen kurzer Zeit im Zusammenhange aneignete, was sonst nur laugsam und bruch¬ stückweise erworben zu werdeu Pflegt. An teilnehmenden Genossen fehlte es rhin bei seinen poetischen Bestrebungen nicht. Wie er der Leiter eines aus seinen Kameraden gebildeten Orchesters Lo1«?ur v innnäo tolloro viäsntur, <M ^inieitiam o vio tollnnt, «zu-t s, On» immo» talilms nllnl ^in^dilius rinn s»ornam3. 1823 IxrnliuL Bei dießen wenigen Zeiten denke an Deinen treuen Freund u. Mitschüler Rod ^.lox, LÄmm-wu. I)ig<!p: olu-sgis tertias I^cel Awlnlütvionsis. Mit Sanssouci bezeichneten die Schnlknmeraden eine Höhle außerhalb der Stadt, wo sie ihre „Robiusouaoen" aufführten. DaS Blatt enthält auch die Zeichnung einer Wage, deren Bedeutung aber Dr. Herzog nicht mehr anzugeben wußte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/331>, abgerufen am 04.07.2024.