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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Der Gedanke einer deutschen Sprachakademie

mangelhafter Kenntnisse und eines von Wieland ihm mit Recht vorgeworfenen
sprachlichen Jakobiuertums unbestreitbare Verdienste erworben und unsrer
Sprache eine stattliche Reihe neuer Wortbildungen zugeführt (altertümlich,
Beweggrund, Brüderlichkeit. Eigenname, sich eignen, Fallbeil, Feingefühl, Flug¬
schrift, folgerichtig, härtlich, herkömmlich, Kerbtier, Lehrgang, Öffentlichkeit,
Stelldichein, Tondichter, vaterländisch, verwirklichen, Zerrbild u. a.). In den
Jahren 1810 bis 1812 bestand in Berlin als eine Fortsetzung des erloschenen
Königsberger Tugendbnndes der Deutsche Bund, der im Sinne Fichtes eine
sittliche Erhebung der Nation anzubahnen und nach Art der olympischen
Spiele körperliche Tüchtigkeit mit höchster geistiger Ausbildung vereinigend an
einer Erneuerung des Volkstums zu arbeiten suchte. Seine Stifter waren der
Turnvater Jahr, der Schöpfer des Wortes "Volkstum," und der Professor
August Zeune, die das mit planloser Begeisterung ergriffene Studium des
Altdeutschen zu einem Hort des nationalen Gedankens erheben wollten. Ihrer
Anregung entsprang auch die Gründung der 1814 errichtete" Berlinischen
Gesellschaft für deutsche Sprache, deren patriotische Absicht Uhland 1817 in
der schönen Ode "An die deutsche Sprachgesellschaft" feierte, und die bald durch
den Beitritt v. d. Hagens, Doeens und Büschings ein Mittelpunkt altdeutscher
Forschungen wurde, u. a. auch ein germanistisches Jahrbuch herausgab. Von
Berlin ging gleichzeitig die von dem Freiherrn von Stein unterstützte Anregung
aus, eine unter Mitwirkung sämtlicher Fürsten über ganz Deutschland ver¬
breitete Deutsche Gesellschaft für Geschichte und Sprache zu gründen, wie sie
ähnlich von Herder gedacht worden war. Goethe nahm 1816 die Sache in
die Hand und hat mit den Brüdern Grimm eingehend über diesen Plan ver¬
handelt, doch scheiterte er an den Schwierigkeiten der Ausführung und trat
erst 1819 in der "Gesellschaft für Deutschlands ältere Geschichtskunde" zu
einem Teile ins Leben.

Unter den mancherlei Privatgesellschaften, die sich in der Folge die Pflege
der Sprache im Sinne einer Nationalanfgabe angelegen sein ließen, nenne ich
nur noch den von denk wohlmeinenden, aber querköpfigen "Wißmeister" Brugger
in Heidelberg 1848 ins Leben gerufenen Verein für deutsche Reiusprache, der
in zwei Jahrzehnten auf mehrere tausend Mitglieder anwuchs und neben
zahlreichen Schriften anch ein Fremdwörterbnch (1855) zu Tage förderte; ferner
den gleichzeitig von Keil gegründeten Potsdamer Verein für deutsche Sprache,
dessen Leistungen sich in der Veröffentlichung eines Deutschen Vaterlaudsbuches
erschöpften, und die 1859 in Nürnberg aus Licht tretende Junggermauische
Gesellschaft des Hamburgers F. I. Kruger, die ein Jahrbuch "Teut" begann,
sich aber schon nach zwei Jahren auflöste. Jeder dieser Vereine bezeichnete es
als seine Aufgabe, unter der Fahne der Spracharbeit alle vaterländischen Ve-
strebuugen zusammenzuleiten, die auf eine Einigung Deutschlands hinzielten.
Einen zusammenfassenden Ausdruck gewann verwandtes Streben in der 1859


Der Gedanke einer deutschen Sprachakademie

mangelhafter Kenntnisse und eines von Wieland ihm mit Recht vorgeworfenen
sprachlichen Jakobiuertums unbestreitbare Verdienste erworben und unsrer
Sprache eine stattliche Reihe neuer Wortbildungen zugeführt (altertümlich,
Beweggrund, Brüderlichkeit. Eigenname, sich eignen, Fallbeil, Feingefühl, Flug¬
schrift, folgerichtig, härtlich, herkömmlich, Kerbtier, Lehrgang, Öffentlichkeit,
Stelldichein, Tondichter, vaterländisch, verwirklichen, Zerrbild u. a.). In den
Jahren 1810 bis 1812 bestand in Berlin als eine Fortsetzung des erloschenen
Königsberger Tugendbnndes der Deutsche Bund, der im Sinne Fichtes eine
sittliche Erhebung der Nation anzubahnen und nach Art der olympischen
Spiele körperliche Tüchtigkeit mit höchster geistiger Ausbildung vereinigend an
einer Erneuerung des Volkstums zu arbeiten suchte. Seine Stifter waren der
Turnvater Jahr, der Schöpfer des Wortes „Volkstum," und der Professor
August Zeune, die das mit planloser Begeisterung ergriffene Studium des
Altdeutschen zu einem Hort des nationalen Gedankens erheben wollten. Ihrer
Anregung entsprang auch die Gründung der 1814 errichtete» Berlinischen
Gesellschaft für deutsche Sprache, deren patriotische Absicht Uhland 1817 in
der schönen Ode „An die deutsche Sprachgesellschaft" feierte, und die bald durch
den Beitritt v. d. Hagens, Doeens und Büschings ein Mittelpunkt altdeutscher
Forschungen wurde, u. a. auch ein germanistisches Jahrbuch herausgab. Von
Berlin ging gleichzeitig die von dem Freiherrn von Stein unterstützte Anregung
aus, eine unter Mitwirkung sämtlicher Fürsten über ganz Deutschland ver¬
breitete Deutsche Gesellschaft für Geschichte und Sprache zu gründen, wie sie
ähnlich von Herder gedacht worden war. Goethe nahm 1816 die Sache in
die Hand und hat mit den Brüdern Grimm eingehend über diesen Plan ver¬
handelt, doch scheiterte er an den Schwierigkeiten der Ausführung und trat
erst 1819 in der „Gesellschaft für Deutschlands ältere Geschichtskunde" zu
einem Teile ins Leben.

Unter den mancherlei Privatgesellschaften, die sich in der Folge die Pflege
der Sprache im Sinne einer Nationalanfgabe angelegen sein ließen, nenne ich
nur noch den von denk wohlmeinenden, aber querköpfigen „Wißmeister" Brugger
in Heidelberg 1848 ins Leben gerufenen Verein für deutsche Reiusprache, der
in zwei Jahrzehnten auf mehrere tausend Mitglieder anwuchs und neben
zahlreichen Schriften anch ein Fremdwörterbnch (1855) zu Tage förderte; ferner
den gleichzeitig von Keil gegründeten Potsdamer Verein für deutsche Sprache,
dessen Leistungen sich in der Veröffentlichung eines Deutschen Vaterlaudsbuches
erschöpften, und die 1859 in Nürnberg aus Licht tretende Junggermauische
Gesellschaft des Hamburgers F. I. Kruger, die ein Jahrbuch „Teut" begann,
sich aber schon nach zwei Jahren auflöste. Jeder dieser Vereine bezeichnete es
als seine Aufgabe, unter der Fahne der Spracharbeit alle vaterländischen Ve-
strebuugen zusammenzuleiten, die auf eine Einigung Deutschlands hinzielten.
Einen zusammenfassenden Ausdruck gewann verwandtes Streben in der 1859


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/324>, abgerufen am 24.07.2024.