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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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brechen, aber von dem Bunde, dessen wenige Mitglieder sich inzwischen zerstreut
hatten, ist fortan nicht mehr die Rede.

Sein Gedanke blieb jedoch unverloren, und ein Verehrer Klopstocks,
Markgraf Karl Friedrich von Baden, nahm ihn im Zusammenhange mit der
Errichtung des von allen Patrioten warm begrüßten Fürstenbundes im Jahre
1787 wieder auf, indem er Herder aufforderte, einen Plan zu der Gründung
eines umfassenden Gelehrtenvereins zu entwerfen, der auf die Erhaltung und
Beförderung eines nationalen Gemeingeistes gerichtet sein sollte. Herder schrieb
seinen Aufsatz "Idee zum ersten patriotischen Institut für den Allgemeingeist
Deutschlands," worin er drei Gebiete der Pflege einer deutschen Akademie
überwies: die deutsche Sprache und Litteratur, die deutsche Geschichte und die
praktische Philosophie. Ihre Mitglieder sollten über ganz Deutschland zerstreut
sein, nach ihren Arbeiten besoldet werden und einen Präsidenten, sowie einen
Sekretär an ihrer Spitze haben; sie sollten ihre öffentlichen Versammlungen
in einer Stadt halten, die nicht unter dem Einfluß eines Hofes stünde, und
ihre Veröffentlichungen zu einem Jahrbuche des deutschen Nationalgeistes
vereinigen. Schlosser, Dalberg und Johannes von Müller äußerten Zweifel
an der Durchführbarkeit des patriotischen Gedankens, der Fürstenbund verfiel
und mit ihm der Traum eines nationalen Gelehrtenbundes. Die französische
Revolution brach herein, und der hochherzige Karl Friedrich mußte sogar noch
den unseligen Rheinbund erleben. Aber das Vertrauen, das die politische
Einigung Deutschlands von einer nationalen Verbrüderung im Geiste hoffte,
war echt; und daß eine solche auch ohne Akademien möglich sei, hat niemand
schöner ausgesprochen, als Herder in den Humanitätsbriefcn. Gleichwohl ist
der Gedanke einer deutscheu Akademie lebendig geblieben, bald als ein privater
bald als ein staatlich geforderter Verein ist sie gedacht worden.

Kochs Kompendium der deutscheu Litteraturgeschichte (1790) bezeichnete
sich als die erste gemeinschaftliche Leistung einer 1788 begründeten Deutschen
Gesellschaft zu Berlin, von der aber nach dem Jahre 1794 nichts weiter ver¬
lautete. Als der preußische Minister von Herzberg, eingedenk des Leibnizschen
Vermächtnisses, im Jahre 1792 an der Berliner Akademie einen besondern
Ausschuß für deutsche Sprache bestellte, der fünf Preisaufgaben aufschrieb,
wurde auch die Schrift Joachim Heinrich Ccnnpes über die Reinigung und
Bereicherung der deutschen Sprache gekrönt. Campe bildete alsbald eine
"Gesellschaft von Sprachfrennden," mit der er von 1795 bis 1797 seine berüch¬
tigten "Beiträge zur weiter" Ausbildung der deutschen Sprache" herausgab,
eine Zeitschrift, die unsre ersten Schriftsteller kleinlich zu schulmeistern wagte
und dafür deu Spott der Genien erntete. Campes Genossen waren u. a. Eschen¬
burg, Gedike, Rüdiger und der fleißige Kindertag (Über die Reinigkeit der
deutschen Sprache, 1793. Geschichte der niedersächsischen Sprache, 1800). Er
selbst hat sich dnrch seine beiden reichhaltigen Wörterbücher trotz auffallend


brechen, aber von dem Bunde, dessen wenige Mitglieder sich inzwischen zerstreut
hatten, ist fortan nicht mehr die Rede.

Sein Gedanke blieb jedoch unverloren, und ein Verehrer Klopstocks,
Markgraf Karl Friedrich von Baden, nahm ihn im Zusammenhange mit der
Errichtung des von allen Patrioten warm begrüßten Fürstenbundes im Jahre
1787 wieder auf, indem er Herder aufforderte, einen Plan zu der Gründung
eines umfassenden Gelehrtenvereins zu entwerfen, der auf die Erhaltung und
Beförderung eines nationalen Gemeingeistes gerichtet sein sollte. Herder schrieb
seinen Aufsatz „Idee zum ersten patriotischen Institut für den Allgemeingeist
Deutschlands," worin er drei Gebiete der Pflege einer deutschen Akademie
überwies: die deutsche Sprache und Litteratur, die deutsche Geschichte und die
praktische Philosophie. Ihre Mitglieder sollten über ganz Deutschland zerstreut
sein, nach ihren Arbeiten besoldet werden und einen Präsidenten, sowie einen
Sekretär an ihrer Spitze haben; sie sollten ihre öffentlichen Versammlungen
in einer Stadt halten, die nicht unter dem Einfluß eines Hofes stünde, und
ihre Veröffentlichungen zu einem Jahrbuche des deutschen Nationalgeistes
vereinigen. Schlosser, Dalberg und Johannes von Müller äußerten Zweifel
an der Durchführbarkeit des patriotischen Gedankens, der Fürstenbund verfiel
und mit ihm der Traum eines nationalen Gelehrtenbundes. Die französische
Revolution brach herein, und der hochherzige Karl Friedrich mußte sogar noch
den unseligen Rheinbund erleben. Aber das Vertrauen, das die politische
Einigung Deutschlands von einer nationalen Verbrüderung im Geiste hoffte,
war echt; und daß eine solche auch ohne Akademien möglich sei, hat niemand
schöner ausgesprochen, als Herder in den Humanitätsbriefcn. Gleichwohl ist
der Gedanke einer deutscheu Akademie lebendig geblieben, bald als ein privater
bald als ein staatlich geforderter Verein ist sie gedacht worden.

Kochs Kompendium der deutscheu Litteraturgeschichte (1790) bezeichnete
sich als die erste gemeinschaftliche Leistung einer 1788 begründeten Deutschen
Gesellschaft zu Berlin, von der aber nach dem Jahre 1794 nichts weiter ver¬
lautete. Als der preußische Minister von Herzberg, eingedenk des Leibnizschen
Vermächtnisses, im Jahre 1792 an der Berliner Akademie einen besondern
Ausschuß für deutsche Sprache bestellte, der fünf Preisaufgaben aufschrieb,
wurde auch die Schrift Joachim Heinrich Ccnnpes über die Reinigung und
Bereicherung der deutschen Sprache gekrönt. Campe bildete alsbald eine
„Gesellschaft von Sprachfrennden," mit der er von 1795 bis 1797 seine berüch¬
tigten „Beiträge zur weiter» Ausbildung der deutschen Sprache" herausgab,
eine Zeitschrift, die unsre ersten Schriftsteller kleinlich zu schulmeistern wagte
und dafür deu Spott der Genien erntete. Campes Genossen waren u. a. Eschen¬
burg, Gedike, Rüdiger und der fleißige Kindertag (Über die Reinigkeit der
deutschen Sprache, 1793. Geschichte der niedersächsischen Sprache, 1800). Er
selbst hat sich dnrch seine beiden reichhaltigen Wörterbücher trotz auffallend


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/323>, abgerufen am 24.07.2024.