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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Lin Höhleiiprozeß

der praktische" Unvernunft -- der Acker selbst dein gehören, der durch
seine Arbeit jene gezogen, diesen nrbnr gemacht hat, und wenn unser Recht
dieses ursprünglichen Zusammenhanges zwischen Eigentum und Arbeit wieder
etwas mehr eingedenk werden wollte, so wäre das kein Schaden. "Was du
ererbt von deinen Väter" hast, erwirb es, um es zu besitzen!" Das Erbrecht
an Grund und Boden wollen wir -- freilich nicht, wie der Entwurf des
bürgerlichen Gesetzbuches, in Ausdehnung auf alle Vettern von Adam oder
Noah her -- erhalten, ebenso wie das Sonderrecht daran, aber der Erbe soll
es nicht als Ruhekissen für seine Faulheit benutzen, sondern soll es durch eine
dem Gemeinwohl förderliche Arbeit und Bebauung immer von neuem erwerben.
Das gerade Gegenteil ist der Fall bei der Staats- und vvlksverderbendeu
Latifnndienwirtschaft; diesem Unfug kaun und soll der Staat kraft des ihm
zustehenden Obereigeutnms an allen: Grund und Boden wirksam entgegentrete",
indem er bei dem Vorhandensein einer Mehrzahl von Erben eines Groß-
gruudbesitzers der Vererbung des gesamten Besitzes auf einen Erben bestimmte
Schranken setzt, wie er umgekehrt im wirtschaftlichen Interesse gesetzliche Vor¬
kehrungen gegen allzu große Zersplitterung zu treffen befugt ist. ,

Das Eigentum als volle Herrschaft über eine Sache umfaßt auch das
Recht der Veräußerung. Im bloßen Nutzeigentnm ist dieses nicht notwendig
begriffen, der Lehnsträger durfte das Lehngut nicht ohne Zustimmung des
Lehnsherrn veräußern; that er es, so war das Gut dem Lehnsherrn verfallen.
Wie soll es in dieser Beziehung mit dem Recht (des Staates oder) der Ge-
.meinte als Obereigentümerin der Markung gehalten werden? Ihr schlechthin
das Recht zur Verweigerung der Zustimmung einzuräumen, dürfte sich schwerlich
empfehlen, dieses Recht wäre zu sehr dem Mißbrauch ausgesetzt. Anderseits
sollte der Nutzeigentttmer nicht befugt sein, dem Obereigentümer gegen dessen
Willen einen andern "Markgenossen" an seiner Stelle aufzudrängen. Beiden
Teilen würde man gerecht, wenn man dem Obereigcntümer ein Borkaufsrecht
einräumte in der Art, daß er die Wahl hat, ob er die Veräußerung genehmigen
oder das Gut gegen Zcchluug des dem Nutzeigentümer gebotenen Preises selbst
an sich ziehen will. Hier aber wäre ans sozialpolitischen Gründen eine wichtige
Einschränkung zu machen: dem Obereigentümer wäre neben dem Vorkaufsrecht
das Recht einzuräumen, wesentliche Kulturveräuderuugen zu verbiete", nament¬
lich also die UnNvandlnng eines fruchttragenden Grundstückes in eiuen Bauplatz
zu untersagen. Damit wäre dem Gewerbe der Boden- und Bauspekulanten
der Todesstoß gegeben, und seinen Untergang würde wohl kein Nedlichdenkender
beklagen. Der Spekulant will ohne Arbeit reich werden, will -- wie unser
Schopflocher Schuster -- ernten, wo er nicht gesät hat. Das ist ein unsitt¬
licher Erwerb, und so gut der Staat berechtigt ist, aus diesem Grunde den
Forderungen aus Spiel und Wette die Klagbarkeit zu versagen (darunter
fallen auch die Forderungen aus Vörsenspiel, aus sogenannten Differenz-


Lin Höhleiiprozeß

der praktische» Unvernunft — der Acker selbst dein gehören, der durch
seine Arbeit jene gezogen, diesen nrbnr gemacht hat, und wenn unser Recht
dieses ursprünglichen Zusammenhanges zwischen Eigentum und Arbeit wieder
etwas mehr eingedenk werden wollte, so wäre das kein Schaden. „Was du
ererbt von deinen Väter» hast, erwirb es, um es zu besitzen!" Das Erbrecht
an Grund und Boden wollen wir — freilich nicht, wie der Entwurf des
bürgerlichen Gesetzbuches, in Ausdehnung auf alle Vettern von Adam oder
Noah her — erhalten, ebenso wie das Sonderrecht daran, aber der Erbe soll
es nicht als Ruhekissen für seine Faulheit benutzen, sondern soll es durch eine
dem Gemeinwohl förderliche Arbeit und Bebauung immer von neuem erwerben.
Das gerade Gegenteil ist der Fall bei der Staats- und vvlksverderbendeu
Latifnndienwirtschaft; diesem Unfug kaun und soll der Staat kraft des ihm
zustehenden Obereigeutnms an allen: Grund und Boden wirksam entgegentrete»,
indem er bei dem Vorhandensein einer Mehrzahl von Erben eines Groß-
gruudbesitzers der Vererbung des gesamten Besitzes auf einen Erben bestimmte
Schranken setzt, wie er umgekehrt im wirtschaftlichen Interesse gesetzliche Vor¬
kehrungen gegen allzu große Zersplitterung zu treffen befugt ist. ,

Das Eigentum als volle Herrschaft über eine Sache umfaßt auch das
Recht der Veräußerung. Im bloßen Nutzeigentnm ist dieses nicht notwendig
begriffen, der Lehnsträger durfte das Lehngut nicht ohne Zustimmung des
Lehnsherrn veräußern; that er es, so war das Gut dem Lehnsherrn verfallen.
Wie soll es in dieser Beziehung mit dem Recht (des Staates oder) der Ge-
.meinte als Obereigentümerin der Markung gehalten werden? Ihr schlechthin
das Recht zur Verweigerung der Zustimmung einzuräumen, dürfte sich schwerlich
empfehlen, dieses Recht wäre zu sehr dem Mißbrauch ausgesetzt. Anderseits
sollte der Nutzeigentttmer nicht befugt sein, dem Obereigentümer gegen dessen
Willen einen andern „Markgenossen" an seiner Stelle aufzudrängen. Beiden
Teilen würde man gerecht, wenn man dem Obereigcntümer ein Borkaufsrecht
einräumte in der Art, daß er die Wahl hat, ob er die Veräußerung genehmigen
oder das Gut gegen Zcchluug des dem Nutzeigentümer gebotenen Preises selbst
an sich ziehen will. Hier aber wäre ans sozialpolitischen Gründen eine wichtige
Einschränkung zu machen: dem Obereigentümer wäre neben dem Vorkaufsrecht
das Recht einzuräumen, wesentliche Kulturveräuderuugen zu verbiete», nament¬
lich also die UnNvandlnng eines fruchttragenden Grundstückes in eiuen Bauplatz
zu untersagen. Damit wäre dem Gewerbe der Boden- und Bauspekulanten
der Todesstoß gegeben, und seinen Untergang würde wohl kein Nedlichdenkender
beklagen. Der Spekulant will ohne Arbeit reich werden, will — wie unser
Schopflocher Schuster — ernten, wo er nicht gesät hat. Das ist ein unsitt¬
licher Erwerb, und so gut der Staat berechtigt ist, aus diesem Grunde den
Forderungen aus Spiel und Wette die Klagbarkeit zu versagen (darunter
fallen auch die Forderungen aus Vörsenspiel, aus sogenannten Differenz-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/275>, abgerufen am 24.07.2024.