Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.Lin Höhleuprozeß nicht vor, und darum auch keine Zivilprozesse darüber. Um einen solchen Der Fall war folgender. Zuoberst in den: durch seine Kirschenblttte und "Darob entbrennt in Schopflvchs Brust, des Nachbars, giftger Groll"; Lin Höhleuprozeß nicht vor, und darum auch keine Zivilprozesse darüber. Um einen solchen Der Fall war folgender. Zuoberst in den: durch seine Kirschenblttte und „Darob entbrennt in Schopflvchs Brust, des Nachbars, giftger Groll"; <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0267" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/210134"/> <fw type="header" place="top"> Lin Höhleuprozeß</fw><lb/> <p xml:id="ID_728" prev="#ID_727"> nicht vor, und darum auch keine Zivilprozesse darüber. Um einen solchen<lb/> Zivilprozeß aber handelte sichs beim „Höhlenprozeß"; und wenn auch Zivil-<lb/> Prozesse beim Publikum im Rufe der Langweiligkeit stehen, so dürfte doch viel¬<lb/> leicht der absonderliche Gegenstand dieses Prozesses die Teilnahme des einen<lb/> und des andern Lesers wachrufen.</p><lb/> <p xml:id="ID_729"> Der Fall war folgender. Zuoberst in den: durch seine Kirschenblttte und<lb/> seineu „Kirschengeist" berühmten Laninger Thal liegt in einem von Felsen und<lb/> waldigen Bergen umschlossenen Kessel das Dorf Gutenberg, einige hundert Fuß<lb/> höher am Rande der Hochebene der Schwäbischen Alp das Dorf Schopfloch.<lb/> Hoch oben an dem steilen, waldigen Hang, der sich im Osten von Gutenberg<lb/> gegen Schopfloch hinaufzieht, gähnt — auf Guteuberger Markung und Ge¬<lb/> meindeeigentum — ein Felsspalt, der, unter dem Namen „Heppenloch" bekannt,<lb/> den Arbeitern in Feld und Wald wohl schon seit Jahrhunderten Schutz gegen<lb/> Plötzliches Unwetter geboten hatte, sich aber sonst keiner Berühmtheit erfreute.<lb/> Im Frühling des Jahres 1890 stieg nun einmal der Pfarrer von Gutenberg<lb/> in Begleitung eines naturkundigen Stuttgarter Arztes an dem Berge hinauf,<lb/> um sich das Heppenloch genauer anzusehen. Mit Fackeln drangen sie in dem<lb/> Felsspalt vor, und nach wenigen Schritten sahen sie ihre Mühe glänzend be¬<lb/> lohnt, denn über ihnen wölbte sich eine mächtige Höhle mit den schönsten<lb/> Tropfsteingebilden; dazu ergab die Untersuchung des Bodens der Höhle aller¬<lb/> hand „prähistorische" Fundstücke: Wolfszähne, Bärenknochen und dergleichen.<lb/> Uneigennützig, ohne einen „Fundlohn" zu verlangen, überließ der Pfarrer der<lb/> Gemeinde Gutenberg die finanzielle Ausbeutung der Entdeckung; der Aufstieg<lb/> und der Eingang zur Höhle wurden in bessern Stand gesetzt, auch für schöne<lb/> Beleuchtung wurde gesorgt, und im Mai erging in den Zeitungen die Ein¬<lb/> ladung zur feierlichen Eröffnung des zur „Guteuberger Höhle" ungetauften<lb/> Heppenlochs. In hellen Haufen kamen nun die Besucher, die deu Ruhm der<lb/> Höhle dann weiter trugen, und je mehr sich dieser ausbreitete, um so reicherer<lb/> Segen floß in die Gemeindekasse von Gutenberg, auch die Wirte des Dörfleins<lb/> und wer sonst Gelegenheit hatte, sich den Fremden nützlich zu erweisen, machten<lb/> gute Geschäfte.</p><lb/> <p xml:id="ID_730" next="#ID_731"> „Darob entbrennt in Schopflvchs Brust, des Nachbars, giftger Groll";<lb/> und bald ergiebt sich Gelegenheit, dieses Gefühl in Thaten umzusetzen. In<lb/> den öffentlichen Blättern erscheinen Beschreibungen der Höhle uach Höhe,<lb/> Breite und Tiefe: sie erweist sich immer tiefer, die Tiefe ist gar nicht zu er¬<lb/> messen, unterirdisch zieht sich der schwarze Schlund vielleicht unter manchem<lb/> ahnungslosen Dorfe fort bis zum „Sibyllenloch" in der Teck. Solche Kunde<lb/> dringt anch nach Schopfloch; die Schopflocher spitzen die Ohren: wenn die<lb/> Höhle so weit in den Berg hineingeht, da muß sie ja zunächst unter unsern<lb/> Feldern hinlaufen, und dann — die Bürger von Schopfloch sind rechtskundige<lb/> Männer — gehört ein Teil, wohl gar der größere Teil der Höhle uns. Der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0267]
Lin Höhleuprozeß
nicht vor, und darum auch keine Zivilprozesse darüber. Um einen solchen
Zivilprozeß aber handelte sichs beim „Höhlenprozeß"; und wenn auch Zivil-
Prozesse beim Publikum im Rufe der Langweiligkeit stehen, so dürfte doch viel¬
leicht der absonderliche Gegenstand dieses Prozesses die Teilnahme des einen
und des andern Lesers wachrufen.
Der Fall war folgender. Zuoberst in den: durch seine Kirschenblttte und
seineu „Kirschengeist" berühmten Laninger Thal liegt in einem von Felsen und
waldigen Bergen umschlossenen Kessel das Dorf Gutenberg, einige hundert Fuß
höher am Rande der Hochebene der Schwäbischen Alp das Dorf Schopfloch.
Hoch oben an dem steilen, waldigen Hang, der sich im Osten von Gutenberg
gegen Schopfloch hinaufzieht, gähnt — auf Guteuberger Markung und Ge¬
meindeeigentum — ein Felsspalt, der, unter dem Namen „Heppenloch" bekannt,
den Arbeitern in Feld und Wald wohl schon seit Jahrhunderten Schutz gegen
Plötzliches Unwetter geboten hatte, sich aber sonst keiner Berühmtheit erfreute.
Im Frühling des Jahres 1890 stieg nun einmal der Pfarrer von Gutenberg
in Begleitung eines naturkundigen Stuttgarter Arztes an dem Berge hinauf,
um sich das Heppenloch genauer anzusehen. Mit Fackeln drangen sie in dem
Felsspalt vor, und nach wenigen Schritten sahen sie ihre Mühe glänzend be¬
lohnt, denn über ihnen wölbte sich eine mächtige Höhle mit den schönsten
Tropfsteingebilden; dazu ergab die Untersuchung des Bodens der Höhle aller¬
hand „prähistorische" Fundstücke: Wolfszähne, Bärenknochen und dergleichen.
Uneigennützig, ohne einen „Fundlohn" zu verlangen, überließ der Pfarrer der
Gemeinde Gutenberg die finanzielle Ausbeutung der Entdeckung; der Aufstieg
und der Eingang zur Höhle wurden in bessern Stand gesetzt, auch für schöne
Beleuchtung wurde gesorgt, und im Mai erging in den Zeitungen die Ein¬
ladung zur feierlichen Eröffnung des zur „Guteuberger Höhle" ungetauften
Heppenlochs. In hellen Haufen kamen nun die Besucher, die deu Ruhm der
Höhle dann weiter trugen, und je mehr sich dieser ausbreitete, um so reicherer
Segen floß in die Gemeindekasse von Gutenberg, auch die Wirte des Dörfleins
und wer sonst Gelegenheit hatte, sich den Fremden nützlich zu erweisen, machten
gute Geschäfte.
„Darob entbrennt in Schopflvchs Brust, des Nachbars, giftger Groll";
und bald ergiebt sich Gelegenheit, dieses Gefühl in Thaten umzusetzen. In
den öffentlichen Blättern erscheinen Beschreibungen der Höhle uach Höhe,
Breite und Tiefe: sie erweist sich immer tiefer, die Tiefe ist gar nicht zu er¬
messen, unterirdisch zieht sich der schwarze Schlund vielleicht unter manchem
ahnungslosen Dorfe fort bis zum „Sibyllenloch" in der Teck. Solche Kunde
dringt anch nach Schopfloch; die Schopflocher spitzen die Ohren: wenn die
Höhle so weit in den Berg hineingeht, da muß sie ja zunächst unter unsern
Feldern hinlaufen, und dann — die Bürger von Schopfloch sind rechtskundige
Männer — gehört ein Teil, wohl gar der größere Teil der Höhle uns. Der
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