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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Allerhand Sprachduinmheiteu

Ich will nicht verschweigen, daß es Ausnahmen giebt; die Adverbia, die
zur Steigerung der Adjektiv" dienen: so, sehr, viel, weit, dürfen nicht bloß,
sondern müssen hinter der Präposition stehen: mit so großem Erfolg -- in
sehr vielen Fällen -- mit viel geringern Mitteln -- nach weit gründ¬
lichern Vorbereitungen n. s. w. Diese Adverbia scheint das Sprachgefühl
nicht als besondre Wörter zu empfinden, es zieht sie daher mit den Adjektiven
in eins zusammen. Bei allen Adverbien aber, die den Adjektivbegriff ein¬
schränken, herabsetzen oder sonstwie modifiziren, ist die Stellung hinter der
Präposition ganz unerträglich.

Doppelt greulich wird das Wegzerren der Präposition vor ihrem ab¬
hängigen Worte dann, wenn das Einschiebsel nicht ein einfaches Adverbium,
sondern ein Satzglied ist, das selber wieder aus einer Präposition und einem
davon abhängigen Worte besteht. Dann entsteht nämlich der Fall, daß zwei
Präpositionen unmittelbar neben einander geraten -- für mein Gefühl eine
der beleidigendsten Spracherscheinungen. Und doch wird anch so jetzt massen¬
haft geschrieben! Da heißt es: in über vierzig Städten -- in im Nats-
depositorium befindlichen Dokumenten -- durch vom Kriege unberührtes
Laud -- durch von beiden Teilen erwählte Schiedsrichter -- durch für
ein weiches Gemüt empfindlichen Tadel -- mit vor Freude strahlendem Ge¬
sicht -- mit in Thränen erstickender Stimme -- mit auf die Wand auf¬
gelegtem Papier -- mit für die Umgebung störenden Geräusch -- mit
nach außen kräftigen Institutionen -- mit über die ganze Provinz verteilten
Zweigvereinen -- das Sammeln von an sich wertlosen Dingen -- die Frucht
von durch Jahrtausende fortgesetzten Erfahrungen -- eine große Anzahl
von in einzelnen Fächern weiter ausgebildeten jungen Männern u. s. w. Mau
kann diesen Zusammenstoß so leicht vermeide", und auf die verschiedenste
Weise; entweder durch einen kurze" Nebensatz: durch Land, das vom Kriege
noch unberührt geblieben war -- oder dnrch ein zusammengesetztes Wort:
mit freudestrahlendem Gesicht -- oder durch einen Genetiv: das Sammeln
an sich wertloser Dinge -- oder durch irgend eine Wendung, die dasselbe
sagt wie die Präposition: in mehr als vierzig Städten (statt in über) u. s. w.
Aber alle diese naheliegenden Auskunftsmittel werden verschmäht, lieber ver¬
setzt man dem Leser den stilistischen Rippenstoß, unmittelbar hinter einer Prä¬
position noch eine zweite zu bringen!*)

Da ich einmal bei der Wortstellung bin, so will ich gleich noch einen



Derselbe Zusammenstoß zweier Präpositionen entsteht übrigens auch, wenn vor einen
üblichen Namen oder vor einen der jetzt bis zum Überdruß gebildeten geschmacklosen ad¬
verbialen Buch- und Zeitungstitel eine Präposition tritt, z. B. in von Holsteins Oper
Der Heideschacht -- in Vom Fels zum Meer u. s. w. In dem zweiten Falle ist nur da¬
durch zu helfen, daß mau schreibt: in der Zeitschrift Vom Fels zum Meer, und in dem
ersten -- na du lieber Gott! da kauu man sich doch das von einmal verkneifen.
Allerhand Sprachduinmheiteu

Ich will nicht verschweigen, daß es Ausnahmen giebt; die Adverbia, die
zur Steigerung der Adjektiv» dienen: so, sehr, viel, weit, dürfen nicht bloß,
sondern müssen hinter der Präposition stehen: mit so großem Erfolg — in
sehr vielen Fällen — mit viel geringern Mitteln — nach weit gründ¬
lichern Vorbereitungen n. s. w. Diese Adverbia scheint das Sprachgefühl
nicht als besondre Wörter zu empfinden, es zieht sie daher mit den Adjektiven
in eins zusammen. Bei allen Adverbien aber, die den Adjektivbegriff ein¬
schränken, herabsetzen oder sonstwie modifiziren, ist die Stellung hinter der
Präposition ganz unerträglich.

Doppelt greulich wird das Wegzerren der Präposition vor ihrem ab¬
hängigen Worte dann, wenn das Einschiebsel nicht ein einfaches Adverbium,
sondern ein Satzglied ist, das selber wieder aus einer Präposition und einem
davon abhängigen Worte besteht. Dann entsteht nämlich der Fall, daß zwei
Präpositionen unmittelbar neben einander geraten — für mein Gefühl eine
der beleidigendsten Spracherscheinungen. Und doch wird anch so jetzt massen¬
haft geschrieben! Da heißt es: in über vierzig Städten — in im Nats-
depositorium befindlichen Dokumenten — durch vom Kriege unberührtes
Laud — durch von beiden Teilen erwählte Schiedsrichter — durch für
ein weiches Gemüt empfindlichen Tadel — mit vor Freude strahlendem Ge¬
sicht — mit in Thränen erstickender Stimme — mit auf die Wand auf¬
gelegtem Papier — mit für die Umgebung störenden Geräusch — mit
nach außen kräftigen Institutionen — mit über die ganze Provinz verteilten
Zweigvereinen — das Sammeln von an sich wertlosen Dingen — die Frucht
von durch Jahrtausende fortgesetzten Erfahrungen — eine große Anzahl
von in einzelnen Fächern weiter ausgebildeten jungen Männern u. s. w. Mau
kann diesen Zusammenstoß so leicht vermeide», und auf die verschiedenste
Weise; entweder durch einen kurze» Nebensatz: durch Land, das vom Kriege
noch unberührt geblieben war — oder dnrch ein zusammengesetztes Wort:
mit freudestrahlendem Gesicht — oder durch einen Genetiv: das Sammeln
an sich wertloser Dinge — oder durch irgend eine Wendung, die dasselbe
sagt wie die Präposition: in mehr als vierzig Städten (statt in über) u. s. w.
Aber alle diese naheliegenden Auskunftsmittel werden verschmäht, lieber ver¬
setzt man dem Leser den stilistischen Rippenstoß, unmittelbar hinter einer Prä¬
position noch eine zweite zu bringen!*)

Da ich einmal bei der Wortstellung bin, so will ich gleich noch einen



Derselbe Zusammenstoß zweier Präpositionen entsteht übrigens auch, wenn vor einen
üblichen Namen oder vor einen der jetzt bis zum Überdruß gebildeten geschmacklosen ad¬
verbialen Buch- und Zeitungstitel eine Präposition tritt, z. B. in von Holsteins Oper
Der Heideschacht — in Vom Fels zum Meer u. s. w. In dem zweiten Falle ist nur da¬
durch zu helfen, daß mau schreibt: in der Zeitschrift Vom Fels zum Meer, und in dem
ersten — na du lieber Gott! da kauu man sich doch das von einmal verkneifen.
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[0250] Allerhand Sprachduinmheiteu Ich will nicht verschweigen, daß es Ausnahmen giebt; die Adverbia, die zur Steigerung der Adjektiv» dienen: so, sehr, viel, weit, dürfen nicht bloß, sondern müssen hinter der Präposition stehen: mit so großem Erfolg — in sehr vielen Fällen — mit viel geringern Mitteln — nach weit gründ¬ lichern Vorbereitungen n. s. w. Diese Adverbia scheint das Sprachgefühl nicht als besondre Wörter zu empfinden, es zieht sie daher mit den Adjektiven in eins zusammen. Bei allen Adverbien aber, die den Adjektivbegriff ein¬ schränken, herabsetzen oder sonstwie modifiziren, ist die Stellung hinter der Präposition ganz unerträglich. Doppelt greulich wird das Wegzerren der Präposition vor ihrem ab¬ hängigen Worte dann, wenn das Einschiebsel nicht ein einfaches Adverbium, sondern ein Satzglied ist, das selber wieder aus einer Präposition und einem davon abhängigen Worte besteht. Dann entsteht nämlich der Fall, daß zwei Präpositionen unmittelbar neben einander geraten — für mein Gefühl eine der beleidigendsten Spracherscheinungen. Und doch wird anch so jetzt massen¬ haft geschrieben! Da heißt es: in über vierzig Städten — in im Nats- depositorium befindlichen Dokumenten — durch vom Kriege unberührtes Laud — durch von beiden Teilen erwählte Schiedsrichter — durch für ein weiches Gemüt empfindlichen Tadel — mit vor Freude strahlendem Ge¬ sicht — mit in Thränen erstickender Stimme — mit auf die Wand auf¬ gelegtem Papier — mit für die Umgebung störenden Geräusch — mit nach außen kräftigen Institutionen — mit über die ganze Provinz verteilten Zweigvereinen — das Sammeln von an sich wertlosen Dingen — die Frucht von durch Jahrtausende fortgesetzten Erfahrungen — eine große Anzahl von in einzelnen Fächern weiter ausgebildeten jungen Männern u. s. w. Mau kann diesen Zusammenstoß so leicht vermeide», und auf die verschiedenste Weise; entweder durch einen kurze» Nebensatz: durch Land, das vom Kriege noch unberührt geblieben war — oder dnrch ein zusammengesetztes Wort: mit freudestrahlendem Gesicht — oder durch einen Genetiv: das Sammeln an sich wertloser Dinge — oder durch irgend eine Wendung, die dasselbe sagt wie die Präposition: in mehr als vierzig Städten (statt in über) u. s. w. Aber alle diese naheliegenden Auskunftsmittel werden verschmäht, lieber ver¬ setzt man dem Leser den stilistischen Rippenstoß, unmittelbar hinter einer Prä¬ position noch eine zweite zu bringen!*) Da ich einmal bei der Wortstellung bin, so will ich gleich noch einen Derselbe Zusammenstoß zweier Präpositionen entsteht übrigens auch, wenn vor einen üblichen Namen oder vor einen der jetzt bis zum Überdruß gebildeten geschmacklosen ad¬ verbialen Buch- und Zeitungstitel eine Präposition tritt, z. B. in von Holsteins Oper Der Heideschacht — in Vom Fels zum Meer u. s. w. In dem zweiten Falle ist nur da¬ durch zu helfen, daß mau schreibt: in der Zeitschrift Vom Fels zum Meer, und in dem ersten — na du lieber Gott! da kauu man sich doch das von einmal verkneifen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/250>, abgerufen am 24.07.2024.