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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Allerhand Sprcichdmmnheiten

besteht aus nur drei Szenen -- wir haben es mit nur wenigen Lehrstunden
zu thun ^ wir fuhren durch meist anmutige Gegend -- die Kritik, die in
meist schlechte" Händen ist -- es waren gegen etwa vierzig Mann -- in
bald einfachern, bald prächtigern Ausstattungen -- eine gedrungene Gestalt
von kaum Mittelgröße -- dies Buch ist in wohl sämtliche europäische
Sprachen übersetzt -- andre Kritiker, von freilich geringerer Autorität --
nach geuau einem Jahrhundert -- mit genau derselben Geschwindigkeit --
nach längstens zwei Jahren -- für wenigstens ein paar Wochen --
Unterricht in wenigstens einer zweiten lebenden Sprache -- die ordnungs¬
liebenden Elemente sehen sich zu wenigstens thatsächlicher Achtung vor
dem Gesetze gezwungen -- fünf Präpositionen mit jedesmal verschiedner
Funktion -- überall ist die Technik auf annähernd gleicher Hohe -- mit
sozusagen absolutem Maßstabe -- mit allerdings nur geringer Hoffnung
auf Erfolg -- Japan war mit alles in allem vier Artikeln vertreten u. s. w.

Ich kann mir nicht helfen, ich halte es geradezu für eine Barbarei, so
zu schreiben. Ich habe das Gefühl, als wollte mir einer in den Ellbogen
oder zwischen zwei Fingerglieder einen Holzkeil treiben, wenn ich so etwas
lese, ja es ist mir, als müßte es der Präposition selber wehthnn, wenn sie
in so roher Weise von dein Worte, mit dem sie doch zusammenwachsen möchte,
abgerissen wird. Der Teufel hole solche Logik! Es ist die greulichste Un¬
natur, so zu schreiben. Man versuche es einmal, mau setze in all den an¬
geführten Beispielen, das Adverbium an die richtige Stelle, nämlich dahin,
wo man es früher hinsetzte, vor die Präposition: meist durch anmutige
Gegend -- kaum vou Mittelgröße -- wohl in sämtliche Sprachen --
wenigstens für ein paar Wochen -- annähernd auf gleicher Höhe u. s. w.,
empfindet wohl jemand die geringste logische Störung? Als besten Beweis
dafür, daß das nicht der Fall ist, will ich einmal etwas verraten. Ich habe
im Laufe der Jahre aus Tausenden von Manuskripten, die ich für den Druck
zuzustutzeil hatte, tausendmal diese greuliche Wortstellung beseitigt, und nie¬
mals haben die Verfasser, wenn sie ihre Druckkorrektur erhielten, vou meiner
Änderung etwas gemerkt, immer haben sie ohne Anstoß drüber weggeleseil,
sie haben also offenbar geglaubt, sie Hütten selber so geschrieben! Nun, wenn
das Einschieben des Adverbs wirklich ein so starkes logisches Bedürfnis wäre,
so hätte doch einmal einer Anstoß nehmen und seine ursprüngliche Fassung
wieder Herstellen müssen! Das ist aber nie geschehen, und es ist deshalb nie
geschehen, weil das Voranstellen des Adverbs eben das Natürliche und Selbst¬
verständliche ist.*)



Ganz ähnlich verhält sichs übrigens bisweilen beim unbestimmten Artikel, beim?ro-
nomon inclsLnitum was (etwas) und bei den Partikeln als und für; auch da heißt es in
der lebendigen Sprache: so ein süßes Gefühl -- gar ein seines Buch -- ganz was an¬
dres -- ich halte das durchaus für nLtig u. f. w.
Allerhand Sprcichdmmnheiten

besteht aus nur drei Szenen — wir haben es mit nur wenigen Lehrstunden
zu thun ^ wir fuhren durch meist anmutige Gegend — die Kritik, die in
meist schlechte» Händen ist — es waren gegen etwa vierzig Mann — in
bald einfachern, bald prächtigern Ausstattungen — eine gedrungene Gestalt
von kaum Mittelgröße — dies Buch ist in wohl sämtliche europäische
Sprachen übersetzt — andre Kritiker, von freilich geringerer Autorität —
nach geuau einem Jahrhundert — mit genau derselben Geschwindigkeit —
nach längstens zwei Jahren — für wenigstens ein paar Wochen —
Unterricht in wenigstens einer zweiten lebenden Sprache — die ordnungs¬
liebenden Elemente sehen sich zu wenigstens thatsächlicher Achtung vor
dem Gesetze gezwungen — fünf Präpositionen mit jedesmal verschiedner
Funktion — überall ist die Technik auf annähernd gleicher Hohe — mit
sozusagen absolutem Maßstabe — mit allerdings nur geringer Hoffnung
auf Erfolg — Japan war mit alles in allem vier Artikeln vertreten u. s. w.

Ich kann mir nicht helfen, ich halte es geradezu für eine Barbarei, so
zu schreiben. Ich habe das Gefühl, als wollte mir einer in den Ellbogen
oder zwischen zwei Fingerglieder einen Holzkeil treiben, wenn ich so etwas
lese, ja es ist mir, als müßte es der Präposition selber wehthnn, wenn sie
in so roher Weise von dein Worte, mit dem sie doch zusammenwachsen möchte,
abgerissen wird. Der Teufel hole solche Logik! Es ist die greulichste Un¬
natur, so zu schreiben. Man versuche es einmal, mau setze in all den an¬
geführten Beispielen, das Adverbium an die richtige Stelle, nämlich dahin,
wo man es früher hinsetzte, vor die Präposition: meist durch anmutige
Gegend — kaum vou Mittelgröße — wohl in sämtliche Sprachen —
wenigstens für ein paar Wochen — annähernd auf gleicher Höhe u. s. w.,
empfindet wohl jemand die geringste logische Störung? Als besten Beweis
dafür, daß das nicht der Fall ist, will ich einmal etwas verraten. Ich habe
im Laufe der Jahre aus Tausenden von Manuskripten, die ich für den Druck
zuzustutzeil hatte, tausendmal diese greuliche Wortstellung beseitigt, und nie¬
mals haben die Verfasser, wenn sie ihre Druckkorrektur erhielten, vou meiner
Änderung etwas gemerkt, immer haben sie ohne Anstoß drüber weggeleseil,
sie haben also offenbar geglaubt, sie Hütten selber so geschrieben! Nun, wenn
das Einschieben des Adverbs wirklich ein so starkes logisches Bedürfnis wäre,
so hätte doch einmal einer Anstoß nehmen und seine ursprüngliche Fassung
wieder Herstellen müssen! Das ist aber nie geschehen, und es ist deshalb nie
geschehen, weil das Voranstellen des Adverbs eben das Natürliche und Selbst¬
verständliche ist.*)



Ganz ähnlich verhält sichs übrigens bisweilen beim unbestimmten Artikel, beim?ro-
nomon inclsLnitum was (etwas) und bei den Partikeln als und für; auch da heißt es in
der lebendigen Sprache: so ein süßes Gefühl — gar ein seines Buch — ganz was an¬
dres — ich halte das durchaus für nLtig u. f. w.
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[0249] Allerhand Sprcichdmmnheiten besteht aus nur drei Szenen — wir haben es mit nur wenigen Lehrstunden zu thun ^ wir fuhren durch meist anmutige Gegend — die Kritik, die in meist schlechte» Händen ist — es waren gegen etwa vierzig Mann — in bald einfachern, bald prächtigern Ausstattungen — eine gedrungene Gestalt von kaum Mittelgröße — dies Buch ist in wohl sämtliche europäische Sprachen übersetzt — andre Kritiker, von freilich geringerer Autorität — nach geuau einem Jahrhundert — mit genau derselben Geschwindigkeit — nach längstens zwei Jahren — für wenigstens ein paar Wochen — Unterricht in wenigstens einer zweiten lebenden Sprache — die ordnungs¬ liebenden Elemente sehen sich zu wenigstens thatsächlicher Achtung vor dem Gesetze gezwungen — fünf Präpositionen mit jedesmal verschiedner Funktion — überall ist die Technik auf annähernd gleicher Hohe — mit sozusagen absolutem Maßstabe — mit allerdings nur geringer Hoffnung auf Erfolg — Japan war mit alles in allem vier Artikeln vertreten u. s. w. Ich kann mir nicht helfen, ich halte es geradezu für eine Barbarei, so zu schreiben. Ich habe das Gefühl, als wollte mir einer in den Ellbogen oder zwischen zwei Fingerglieder einen Holzkeil treiben, wenn ich so etwas lese, ja es ist mir, als müßte es der Präposition selber wehthnn, wenn sie in so roher Weise von dein Worte, mit dem sie doch zusammenwachsen möchte, abgerissen wird. Der Teufel hole solche Logik! Es ist die greulichste Un¬ natur, so zu schreiben. Man versuche es einmal, mau setze in all den an¬ geführten Beispielen, das Adverbium an die richtige Stelle, nämlich dahin, wo man es früher hinsetzte, vor die Präposition: meist durch anmutige Gegend — kaum vou Mittelgröße — wohl in sämtliche Sprachen — wenigstens für ein paar Wochen — annähernd auf gleicher Höhe u. s. w., empfindet wohl jemand die geringste logische Störung? Als besten Beweis dafür, daß das nicht der Fall ist, will ich einmal etwas verraten. Ich habe im Laufe der Jahre aus Tausenden von Manuskripten, die ich für den Druck zuzustutzeil hatte, tausendmal diese greuliche Wortstellung beseitigt, und nie¬ mals haben die Verfasser, wenn sie ihre Druckkorrektur erhielten, vou meiner Änderung etwas gemerkt, immer haben sie ohne Anstoß drüber weggeleseil, sie haben also offenbar geglaubt, sie Hütten selber so geschrieben! Nun, wenn das Einschieben des Adverbs wirklich ein so starkes logisches Bedürfnis wäre, so hätte doch einmal einer Anstoß nehmen und seine ursprüngliche Fassung wieder Herstellen müssen! Das ist aber nie geschehen, und es ist deshalb nie geschehen, weil das Voranstellen des Adverbs eben das Natürliche und Selbst¬ verständliche ist.*) Ganz ähnlich verhält sichs übrigens bisweilen beim unbestimmten Artikel, beim?ro- nomon inclsLnitum was (etwas) und bei den Partikeln als und für; auch da heißt es in der lebendigen Sprache: so ein süßes Gefühl — gar ein seines Buch — ganz was an¬ dres — ich halte das durchaus für nLtig u. f. w.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/249>, abgerufen am 24.07.2024.