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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Allerhand Sprachdummheiten

gebliebene" Körnchen müßte erkennen lassen, von denen auch farbige Male
glücklich zurückbleiben, wo sie selbst entfernt sind.

So erzählen die Bücher wie mit Zeichensprache selber, wie und womit
sie am meisten und weitesten gewirkt haben, und es wäre schon den Versuch
wert, in einer Bibliothek in dieser Richtung statistische Aufnahmen zu machen,
besonders in Leihbibliotheken, als lebendige Ergänzung des Bildes in den
Litteraturgeschichten; wie leicht wäre da dnrch Nachbildung in Lichtdruck mit
einem Blick erzielt, wozu Beschreibung umständlich und doch unzureichend wäre.
Wie wärs denn, wenn die junge frische Fanstphilologie mit dem schonen
Unternehmen den Anfang machte? Goethes Faust ist nun seit Menschenaltern
so oft gedruckt, daß er neben der Bibel zu den verbreiterten Büchern gehören
wird, und so wird er viel schöne Gelegenheit zu der gewünschten Beobachtung
geben, die über die litterarisch nachweisbare Einwirkung weit hinaus gehe"
würde, da sie die Weiterwirkung auch in sonst unerreichbare Kreise der Nation
aufzeigen würde. Das sei denn auch deu zukünftigen Doktoren der Faust-
Philologie empfohlen. Denn der Doktor Faust wird ja nun auch Fanstdoktorcn
genug machen.




Allerhand ^"prachdummheiten
(Fortsetzung)

aum war die letzte Fortsetzung dieser Aufsätze gedruckt
, so liefen
mir wieder eine Menge Beispiele für das herrliche bezw. in den
Weg. Ich will noch ein paar davon hier festnageln, weil man
sie ja mit aller Mühe nicht so schön erfinden kann, wie sie der
Zeitungsschreiber und der Subalterne in ihrem dunkeln Drange
nach Klarheit spielend schaffen: ein Haus um der Beethoven- bezw. Rhode-
straße -- K. und T. wurden zu Viermonatiger bezw. zweimonatiger
Gefängnisstrafe verurteilt -- die Abzeichen eines Stabsoffiziers, Epauletten
mit Frnnfen, bezw. geflochtene Achselstücke -- später verfaßte er päda¬
gogische bezw. Schulbücher -- die Brutanstalten würden wesentlich bessere
bezw. in allen Jahren sichere Ergebnisse liefern.

Aber der große Logiker, der sich so ausdrückt, richtet noch so manches
andre Unheil in der Sprache an. Unsre Sprachdnnunheiten haben, wie der auf¬
merksame Leser schon bemerkt haben wird, die mannichfachsten Quellen. Es
lohnte der Mühe, sie einmal darnach zu ordnen. Man würde dabei seltsame


Allerhand Sprachdummheiten

gebliebene» Körnchen müßte erkennen lassen, von denen auch farbige Male
glücklich zurückbleiben, wo sie selbst entfernt sind.

So erzählen die Bücher wie mit Zeichensprache selber, wie und womit
sie am meisten und weitesten gewirkt haben, und es wäre schon den Versuch
wert, in einer Bibliothek in dieser Richtung statistische Aufnahmen zu machen,
besonders in Leihbibliotheken, als lebendige Ergänzung des Bildes in den
Litteraturgeschichten; wie leicht wäre da dnrch Nachbildung in Lichtdruck mit
einem Blick erzielt, wozu Beschreibung umständlich und doch unzureichend wäre.
Wie wärs denn, wenn die junge frische Fanstphilologie mit dem schonen
Unternehmen den Anfang machte? Goethes Faust ist nun seit Menschenaltern
so oft gedruckt, daß er neben der Bibel zu den verbreiterten Büchern gehören
wird, und so wird er viel schöne Gelegenheit zu der gewünschten Beobachtung
geben, die über die litterarisch nachweisbare Einwirkung weit hinaus gehe»
würde, da sie die Weiterwirkung auch in sonst unerreichbare Kreise der Nation
aufzeigen würde. Das sei denn auch deu zukünftigen Doktoren der Faust-
Philologie empfohlen. Denn der Doktor Faust wird ja nun auch Fanstdoktorcn
genug machen.




Allerhand ^»prachdummheiten
(Fortsetzung)

aum war die letzte Fortsetzung dieser Aufsätze gedruckt
, so liefen
mir wieder eine Menge Beispiele für das herrliche bezw. in den
Weg. Ich will noch ein paar davon hier festnageln, weil man
sie ja mit aller Mühe nicht so schön erfinden kann, wie sie der
Zeitungsschreiber und der Subalterne in ihrem dunkeln Drange
nach Klarheit spielend schaffen: ein Haus um der Beethoven- bezw. Rhode-
straße — K. und T. wurden zu Viermonatiger bezw. zweimonatiger
Gefängnisstrafe verurteilt — die Abzeichen eines Stabsoffiziers, Epauletten
mit Frnnfen, bezw. geflochtene Achselstücke — später verfaßte er päda¬
gogische bezw. Schulbücher — die Brutanstalten würden wesentlich bessere
bezw. in allen Jahren sichere Ergebnisse liefern.

Aber der große Logiker, der sich so ausdrückt, richtet noch so manches
andre Unheil in der Sprache an. Unsre Sprachdnnunheiten haben, wie der auf¬
merksame Leser schon bemerkt haben wird, die mannichfachsten Quellen. Es
lohnte der Mühe, sie einmal darnach zu ordnen. Man würde dabei seltsame


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[0246] Allerhand Sprachdummheiten gebliebene» Körnchen müßte erkennen lassen, von denen auch farbige Male glücklich zurückbleiben, wo sie selbst entfernt sind. So erzählen die Bücher wie mit Zeichensprache selber, wie und womit sie am meisten und weitesten gewirkt haben, und es wäre schon den Versuch wert, in einer Bibliothek in dieser Richtung statistische Aufnahmen zu machen, besonders in Leihbibliotheken, als lebendige Ergänzung des Bildes in den Litteraturgeschichten; wie leicht wäre da dnrch Nachbildung in Lichtdruck mit einem Blick erzielt, wozu Beschreibung umständlich und doch unzureichend wäre. Wie wärs denn, wenn die junge frische Fanstphilologie mit dem schonen Unternehmen den Anfang machte? Goethes Faust ist nun seit Menschenaltern so oft gedruckt, daß er neben der Bibel zu den verbreiterten Büchern gehören wird, und so wird er viel schöne Gelegenheit zu der gewünschten Beobachtung geben, die über die litterarisch nachweisbare Einwirkung weit hinaus gehe» würde, da sie die Weiterwirkung auch in sonst unerreichbare Kreise der Nation aufzeigen würde. Das sei denn auch deu zukünftigen Doktoren der Faust- Philologie empfohlen. Denn der Doktor Faust wird ja nun auch Fanstdoktorcn genug machen. Allerhand ^»prachdummheiten (Fortsetzung) aum war die letzte Fortsetzung dieser Aufsätze gedruckt , so liefen mir wieder eine Menge Beispiele für das herrliche bezw. in den Weg. Ich will noch ein paar davon hier festnageln, weil man sie ja mit aller Mühe nicht so schön erfinden kann, wie sie der Zeitungsschreiber und der Subalterne in ihrem dunkeln Drange nach Klarheit spielend schaffen: ein Haus um der Beethoven- bezw. Rhode- straße — K. und T. wurden zu Viermonatiger bezw. zweimonatiger Gefängnisstrafe verurteilt — die Abzeichen eines Stabsoffiziers, Epauletten mit Frnnfen, bezw. geflochtene Achselstücke — später verfaßte er päda¬ gogische bezw. Schulbücher — die Brutanstalten würden wesentlich bessere bezw. in allen Jahren sichere Ergebnisse liefern. Aber der große Logiker, der sich so ausdrückt, richtet noch so manches andre Unheil in der Sprache an. Unsre Sprachdnnunheiten haben, wie der auf¬ merksame Leser schon bemerkt haben wird, die mannichfachsten Quellen. Es lohnte der Mühe, sie einmal darnach zu ordnen. Man würde dabei seltsame

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/246>, abgerufen am 24.07.2024.