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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Zur neuen Faustphilologie

austphilologie -- das prächtige Wort kommt eben aus Berlin,
also aus der Höhengegend des deutschen Lebens, aus der ja nun
ur allen Fortschritt die Quellen in die Niederungen fließen
sollen. Der Vorstand der Philolvgenversammlung, die im Herbst
in München stattfinden wird, kündigt nnter andern Vorträgen
auch einen an über die Ziele und Wege der Fanstphilvlogie. Na endlich! rief
es in mir, als ich das las, Gott sei Dank! die fehlte uus wirklich gerade nur
noch, nachdem nur es vor nicht lauger Zeit zu einer "Goethephilologie" ge¬
bracht haben. Wenn diese sich aufnimmt wie ein Dach über die ganze deutsche
Geisteswelt, so weit sie deu höhern Dingen zugewendet ist -- denn Goethe
und kein Ende ist das Stichwort des höhern Zeitgeistes --, so ist die Faust-
Philologie nun wie ein krönender Turm, der aus dem Dache emporsteigt, eine
alles überhöhende Stelle, von wo man Erde und Himmel besser übersehen
kann als irgendwo. Aber halt, ist das auch fanftphilologisch gedacht? In
dem Turme ist ja neben Faust auch Mephisto zu Hanse, ja oft wie der eigent¬
liche Hausherr, und er mag stehen, wo er Null, er sieht doch keine Höhe,
sondern vom Hohen, ja vom Lebendigen überhaupt allemal die Kehrseite, die
nach unten hängt. Doch gerade das erhöht ihn jetzt vielfach in Augen und
Sinn des Zeitgeistes, der klug genng lieber kriecht als fliegt, jn vor allem
Aufschwung wie vor einem stnrzdrvhenden Aufflug eine heilige Sehen hat.
Mephistos geistreiches Neinsagen gilt vielfach als der lebendige Brennpunkt
von Goethes Faustwelt, wohl als die überhaupt erreichbare geistreiche Höhe.
So wird denn Wohl die Faustphilologie von selbst zugleich zu eiuer Mephi-
ftophelcsphilologie werden oder auch Mephistophilosophie oder, wenn mens noch
bequemer und einfacher haben will, zu einer Mephistosophie. Auch Faustologie
wäre doch bequemer, wie auch Gvethologie schon gesagt worden ist, und eine
Faustosvphie wäre schon auch brauchbar, ja die ganze Faustphilolvgie läuft
wohl endlich darauf hiucius.

Schöne, reiche, unerschöpfliche Arbeit in Aussicht, und für die Universitäten
insbesondre Aussicht auf Arbcitsfutter für die armen Doktoranden deutscher
Philologie, die Doktoren der Philosophie werden müssen, und wenn sie sich




Zur neuen Faustphilologie

austphilologie — das prächtige Wort kommt eben aus Berlin,
also aus der Höhengegend des deutschen Lebens, aus der ja nun
ur allen Fortschritt die Quellen in die Niederungen fließen
sollen. Der Vorstand der Philolvgenversammlung, die im Herbst
in München stattfinden wird, kündigt nnter andern Vorträgen
auch einen an über die Ziele und Wege der Fanstphilvlogie. Na endlich! rief
es in mir, als ich das las, Gott sei Dank! die fehlte uus wirklich gerade nur
noch, nachdem nur es vor nicht lauger Zeit zu einer „Goethephilologie" ge¬
bracht haben. Wenn diese sich aufnimmt wie ein Dach über die ganze deutsche
Geisteswelt, so weit sie deu höhern Dingen zugewendet ist — denn Goethe
und kein Ende ist das Stichwort des höhern Zeitgeistes —, so ist die Faust-
Philologie nun wie ein krönender Turm, der aus dem Dache emporsteigt, eine
alles überhöhende Stelle, von wo man Erde und Himmel besser übersehen
kann als irgendwo. Aber halt, ist das auch fanftphilologisch gedacht? In
dem Turme ist ja neben Faust auch Mephisto zu Hanse, ja oft wie der eigent¬
liche Hausherr, und er mag stehen, wo er Null, er sieht doch keine Höhe,
sondern vom Hohen, ja vom Lebendigen überhaupt allemal die Kehrseite, die
nach unten hängt. Doch gerade das erhöht ihn jetzt vielfach in Augen und
Sinn des Zeitgeistes, der klug genng lieber kriecht als fliegt, jn vor allem
Aufschwung wie vor einem stnrzdrvhenden Aufflug eine heilige Sehen hat.
Mephistos geistreiches Neinsagen gilt vielfach als der lebendige Brennpunkt
von Goethes Faustwelt, wohl als die überhaupt erreichbare geistreiche Höhe.
So wird denn Wohl die Faustphilologie von selbst zugleich zu eiuer Mephi-
ftophelcsphilologie werden oder auch Mephistophilosophie oder, wenn mens noch
bequemer und einfacher haben will, zu einer Mephistosophie. Auch Faustologie
wäre doch bequemer, wie auch Gvethologie schon gesagt worden ist, und eine
Faustosvphie wäre schon auch brauchbar, ja die ganze Faustphilolvgie läuft
wohl endlich darauf hiucius.

Schöne, reiche, unerschöpfliche Arbeit in Aussicht, und für die Universitäten
insbesondre Aussicht auf Arbcitsfutter für die armen Doktoranden deutscher
Philologie, die Doktoren der Philosophie werden müssen, und wenn sie sich


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[0242] [Abbildung] Zur neuen Faustphilologie austphilologie — das prächtige Wort kommt eben aus Berlin, also aus der Höhengegend des deutschen Lebens, aus der ja nun ur allen Fortschritt die Quellen in die Niederungen fließen sollen. Der Vorstand der Philolvgenversammlung, die im Herbst in München stattfinden wird, kündigt nnter andern Vorträgen auch einen an über die Ziele und Wege der Fanstphilvlogie. Na endlich! rief es in mir, als ich das las, Gott sei Dank! die fehlte uus wirklich gerade nur noch, nachdem nur es vor nicht lauger Zeit zu einer „Goethephilologie" ge¬ bracht haben. Wenn diese sich aufnimmt wie ein Dach über die ganze deutsche Geisteswelt, so weit sie deu höhern Dingen zugewendet ist — denn Goethe und kein Ende ist das Stichwort des höhern Zeitgeistes —, so ist die Faust- Philologie nun wie ein krönender Turm, der aus dem Dache emporsteigt, eine alles überhöhende Stelle, von wo man Erde und Himmel besser übersehen kann als irgendwo. Aber halt, ist das auch fanftphilologisch gedacht? In dem Turme ist ja neben Faust auch Mephisto zu Hanse, ja oft wie der eigent¬ liche Hausherr, und er mag stehen, wo er Null, er sieht doch keine Höhe, sondern vom Hohen, ja vom Lebendigen überhaupt allemal die Kehrseite, die nach unten hängt. Doch gerade das erhöht ihn jetzt vielfach in Augen und Sinn des Zeitgeistes, der klug genng lieber kriecht als fliegt, jn vor allem Aufschwung wie vor einem stnrzdrvhenden Aufflug eine heilige Sehen hat. Mephistos geistreiches Neinsagen gilt vielfach als der lebendige Brennpunkt von Goethes Faustwelt, wohl als die überhaupt erreichbare geistreiche Höhe. So wird denn Wohl die Faustphilologie von selbst zugleich zu eiuer Mephi- ftophelcsphilologie werden oder auch Mephistophilosophie oder, wenn mens noch bequemer und einfacher haben will, zu einer Mephistosophie. Auch Faustologie wäre doch bequemer, wie auch Gvethologie schon gesagt worden ist, und eine Faustosvphie wäre schon auch brauchbar, ja die ganze Faustphilolvgie läuft wohl endlich darauf hiucius. Schöne, reiche, unerschöpfliche Arbeit in Aussicht, und für die Universitäten insbesondre Aussicht auf Arbcitsfutter für die armen Doktoranden deutscher Philologie, die Doktoren der Philosophie werden müssen, und wenn sie sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/242>, abgerufen am 04.07.2024.