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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Die Wirkungen der Rae Ainley-Bill in Amerika

eine einfache Binnenstadt. Als Winterhäfen dienen dann in erster Linie die
nordamerikanischen Häfen Newyork und Boston und erst in zweiter die be¬
deutend weiter gelegenen Halifax (Neuschottland) und Se. John (Neubraun-
schweig). Wenn sich daher die kanadischen Kaufleute und dem Einkauf und
Verkauf uicht sehr beeilen, so sehen sie sich genötigt, sich von der Union
"prohibitiv" behandeln zu lassen. Die hohen an die Vereinigten Staaten zu
zahlenden Zölle und die Verfrachtung mit der Bahn verteuern die englischen
Waren ganz ungemein.

Wie verlockend muß für die Kanadier die Aussicht sein, in dem industrie¬
reichen Osten Nordamerikas leichten Absatz für ihre landwirtschaftlichen Erzeug¬
nisse zu finden! Der amerikanische Osten sieht aber in dem emporblühenden
Kanada einen kaufkräftigen Abnehmer für die Erzeugnisse seines Gewerbfleißes.
Nur zu gut läßt sich daher die Annäherungslust der Kanadier und der Nord-
nmerikaner erklären.

Zu den Folgen der Mac Kinley-Viti gesellt sich nun noch die Britisch-
Kvlnmbia betreffende Veringsmeerfrage. Zwar hat es den Anschein, als ob
hierin die englische Regierung infolge ihres thatkräftigen Auftretens einen Er¬
folg errungen hätte; denn falls sich Herr Blaine dazu verstanden hat, die
Streitfrage einem Schiedsrichter zu unterbreiten, dürfte England Recht be¬
kommen.

Viel mehr Kopfzerbrechen macht aber jetzt den englischen Staats¬
männern das Verhalten Neufundlands. Es verquickt sich hier die Folge der
Mac Kiuley-Bill mit der Fischereifrage. Neufundland wurde dem kanadischen
Bunde uicht angeschlossen wegen seines Verhältnisses zu Frankreich. England
will nun die streitigen Fischereigerechtsame einem Schiedsgerichte vorlegen.
Die Neufundländer wollen aber von einem Schiedsgerichte nichts wissen. Sie
scheinen zu befürchten, daß ein Schiedsgericht ihnen schaden könnte, und suchen
ans alle Weise die englische Negierung zu andern Beschlüssen zu bewegen.
Die Zuneigung zu Nordamerika ist auch hier sehr groß. Man scheint von
Herrn Vlaine bestimmt zu erwarten, daß er den nötigen Grad von Rücksichts¬
losigkeit besitze, um sich einfach über die französischen Fischereigerechtsame hin¬
wegzusetzen und sie für null und nichtig zu erklären. Diese Mißstimmung
gegen das Mutterland beweist nnr zu deutlich der am 2^!. März dem Par¬
lament amtlich vorgelegte Schriftwechsel, der bezüglich des Abschlusses eines
Handelsvertrages zwischen den Vereinigten Staaten und Neufundland schon
seit dem 28. Februar 1890 gepflogen wurde.

Ähnlich wie in Kanada und Neufundland liegen die Verhältnisse der
spanischen Insel Kuba. Auch hier hat Handel und Wandel seit dem Er-
scheinen der Mac Kinley-Bill außerordentlich gelitten. Daher ist auch hier
die Lust erwacht, sich unabhängig zu machen. Die Ausbreitung dieser Un-
abhüngigkeitsgelüste hat so zugenommen, daß die spanischeM'gierung nach dein


Die Wirkungen der Rae Ainley-Bill in Amerika

eine einfache Binnenstadt. Als Winterhäfen dienen dann in erster Linie die
nordamerikanischen Häfen Newyork und Boston und erst in zweiter die be¬
deutend weiter gelegenen Halifax (Neuschottland) und Se. John (Neubraun-
schweig). Wenn sich daher die kanadischen Kaufleute und dem Einkauf und
Verkauf uicht sehr beeilen, so sehen sie sich genötigt, sich von der Union
„prohibitiv" behandeln zu lassen. Die hohen an die Vereinigten Staaten zu
zahlenden Zölle und die Verfrachtung mit der Bahn verteuern die englischen
Waren ganz ungemein.

Wie verlockend muß für die Kanadier die Aussicht sein, in dem industrie¬
reichen Osten Nordamerikas leichten Absatz für ihre landwirtschaftlichen Erzeug¬
nisse zu finden! Der amerikanische Osten sieht aber in dem emporblühenden
Kanada einen kaufkräftigen Abnehmer für die Erzeugnisse seines Gewerbfleißes.
Nur zu gut läßt sich daher die Annäherungslust der Kanadier und der Nord-
nmerikaner erklären.

Zu den Folgen der Mac Kinley-Viti gesellt sich nun noch die Britisch-
Kvlnmbia betreffende Veringsmeerfrage. Zwar hat es den Anschein, als ob
hierin die englische Regierung infolge ihres thatkräftigen Auftretens einen Er¬
folg errungen hätte; denn falls sich Herr Blaine dazu verstanden hat, die
Streitfrage einem Schiedsrichter zu unterbreiten, dürfte England Recht be¬
kommen.

Viel mehr Kopfzerbrechen macht aber jetzt den englischen Staats¬
männern das Verhalten Neufundlands. Es verquickt sich hier die Folge der
Mac Kiuley-Bill mit der Fischereifrage. Neufundland wurde dem kanadischen
Bunde uicht angeschlossen wegen seines Verhältnisses zu Frankreich. England
will nun die streitigen Fischereigerechtsame einem Schiedsgerichte vorlegen.
Die Neufundländer wollen aber von einem Schiedsgerichte nichts wissen. Sie
scheinen zu befürchten, daß ein Schiedsgericht ihnen schaden könnte, und suchen
ans alle Weise die englische Negierung zu andern Beschlüssen zu bewegen.
Die Zuneigung zu Nordamerika ist auch hier sehr groß. Man scheint von
Herrn Vlaine bestimmt zu erwarten, daß er den nötigen Grad von Rücksichts¬
losigkeit besitze, um sich einfach über die französischen Fischereigerechtsame hin¬
wegzusetzen und sie für null und nichtig zu erklären. Diese Mißstimmung
gegen das Mutterland beweist nnr zu deutlich der am 2^!. März dem Par¬
lament amtlich vorgelegte Schriftwechsel, der bezüglich des Abschlusses eines
Handelsvertrages zwischen den Vereinigten Staaten und Neufundland schon
seit dem 28. Februar 1890 gepflogen wurde.

Ähnlich wie in Kanada und Neufundland liegen die Verhältnisse der
spanischen Insel Kuba. Auch hier hat Handel und Wandel seit dem Er-
scheinen der Mac Kinley-Bill außerordentlich gelitten. Daher ist auch hier
die Lust erwacht, sich unabhängig zu machen. Die Ausbreitung dieser Un-
abhüngigkeitsgelüste hat so zugenommen, daß die spanischeM'gierung nach dein


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[0220] Die Wirkungen der Rae Ainley-Bill in Amerika eine einfache Binnenstadt. Als Winterhäfen dienen dann in erster Linie die nordamerikanischen Häfen Newyork und Boston und erst in zweiter die be¬ deutend weiter gelegenen Halifax (Neuschottland) und Se. John (Neubraun- schweig). Wenn sich daher die kanadischen Kaufleute und dem Einkauf und Verkauf uicht sehr beeilen, so sehen sie sich genötigt, sich von der Union „prohibitiv" behandeln zu lassen. Die hohen an die Vereinigten Staaten zu zahlenden Zölle und die Verfrachtung mit der Bahn verteuern die englischen Waren ganz ungemein. Wie verlockend muß für die Kanadier die Aussicht sein, in dem industrie¬ reichen Osten Nordamerikas leichten Absatz für ihre landwirtschaftlichen Erzeug¬ nisse zu finden! Der amerikanische Osten sieht aber in dem emporblühenden Kanada einen kaufkräftigen Abnehmer für die Erzeugnisse seines Gewerbfleißes. Nur zu gut läßt sich daher die Annäherungslust der Kanadier und der Nord- nmerikaner erklären. Zu den Folgen der Mac Kinley-Viti gesellt sich nun noch die Britisch- Kvlnmbia betreffende Veringsmeerfrage. Zwar hat es den Anschein, als ob hierin die englische Regierung infolge ihres thatkräftigen Auftretens einen Er¬ folg errungen hätte; denn falls sich Herr Blaine dazu verstanden hat, die Streitfrage einem Schiedsrichter zu unterbreiten, dürfte England Recht be¬ kommen. Viel mehr Kopfzerbrechen macht aber jetzt den englischen Staats¬ männern das Verhalten Neufundlands. Es verquickt sich hier die Folge der Mac Kiuley-Bill mit der Fischereifrage. Neufundland wurde dem kanadischen Bunde uicht angeschlossen wegen seines Verhältnisses zu Frankreich. England will nun die streitigen Fischereigerechtsame einem Schiedsgerichte vorlegen. Die Neufundländer wollen aber von einem Schiedsgerichte nichts wissen. Sie scheinen zu befürchten, daß ein Schiedsgericht ihnen schaden könnte, und suchen ans alle Weise die englische Negierung zu andern Beschlüssen zu bewegen. Die Zuneigung zu Nordamerika ist auch hier sehr groß. Man scheint von Herrn Vlaine bestimmt zu erwarten, daß er den nötigen Grad von Rücksichts¬ losigkeit besitze, um sich einfach über die französischen Fischereigerechtsame hin¬ wegzusetzen und sie für null und nichtig zu erklären. Diese Mißstimmung gegen das Mutterland beweist nnr zu deutlich der am 2^!. März dem Par¬ lament amtlich vorgelegte Schriftwechsel, der bezüglich des Abschlusses eines Handelsvertrages zwischen den Vereinigten Staaten und Neufundland schon seit dem 28. Februar 1890 gepflogen wurde. Ähnlich wie in Kanada und Neufundland liegen die Verhältnisse der spanischen Insel Kuba. Auch hier hat Handel und Wandel seit dem Er- scheinen der Mac Kinley-Bill außerordentlich gelitten. Daher ist auch hier die Lust erwacht, sich unabhängig zu machen. Die Ausbreitung dieser Un- abhüngigkeitsgelüste hat so zugenommen, daß die spanischeM'gierung nach dein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/220>, abgerufen am 24.07.2024.