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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Die ^Vn'klingen der Mac Ainley-Bill in Amerika

einen genauen Entwurf vorlegten, worin ausgeführt wurde, wie man Kanada
zu einer Handelsvereiniguug mit den Vereinigten Staaten zwingen könnte, und
wie eine politische Einigung mit der Union vorzubereiten wäre. Der Premier¬
minister Macdonald war in der Lage, das Schriftstück einer zahlreich besuchten
Wählerversammlung zu Toronto am 17. Februar vorzulegen. Etwas ge¬
mäßigter ist die Ansicht der Liberalen in Unterkanada, wo das katholische und
französische Element überwiegt. Der Premierminister H. Mercier von Quebec,
erklärte im März in einer öffentlichen Rede, nichts auf Erden könnte die
Kanadier von der Forderung voller Gegenseitigkeit mit den Vereinigten Staaten
abbringen. Die Einwohmn? Kanadas wären der Königin ergeben und hegten
die größte Ehrfurcht vor ihr, aber das könnte sie nicht hindern, in erster Linie
Kanadier und dann erst Engländer zu sein. Nicht günstiger als in Ober- und
Unterknnada ist die Stimmung in Manitoba und Britisch-Kolmubia (Vancouver).
Dies kann der kürzlich erfolgte Beschluß der Gesetzgebung von Manitoba be¬
weisen, wonach die englische Sprache abgeschafft und dafür das Französische
als amtliche Sprache eingeführt werden soll. In Britisch-Kolumbin ist
namentlich in letzter Zeit durch Einwanderung von der Union aus eine starke
Partei herangewachsen, die den Anschluß an die Vereinigten Staaten befür¬
wortet. Zwar fehlt es jetzt auch nicht an Stimmen, die engen Zusammen¬
schluß mit England empfehlen. So äußerte sich z. B. ein Großkaufmann in
Viktoria (Vancouver) dem Professor Boas gegenüber (vergl. Globus 1891,
Ur. 5): "Niemand kauu besser gestellt sein als wir Kanadier. Wir genießen
den Schutz Englands, ohne irgend welche Verpflichtungen gegen dieses zu haben."
Aber immerhin sind solche Anschauungen stark im Schwinden begriffen.

Diese Sachlage beweisen deutlich genug die kanadischen Parlamentswahlen,
die Anfang März stattfanden. Obgleich die englische Partei und die Regierung
alles daransetzten, die Kolonie dem Mutterlande zu erhalten, obgleich der Erz-
bischof O'Vrien von Halifax in einem offnen Briefe den katholischen Kanadiern,
die einundvierzig Prozent der Bevölkerung ausmachen, alle Mißstände und
das Korruptiouswesen in den Vereinigten Staaten in grellen Farben ausmalte,
so hat die Regierung doch nicht die Mehrheit erreicht, die ihr die Wahlen
von 1887 brachten. Es handelte sich also in diesem Wahlkampfe thatsächlich
um die Frage, ob Kanada englische Besitzung bleiben oder ob es im Be¬
stände der Vereinigten Staaten aufgehen soll. Die amerikanischen Zeitungen
haben auch ganz offen die Bedeutung' der Wahlen so dargestellt und auch
den Zweck der Mac Kinleh-Viti als dahin gehend bezeichnet. Im Kolvnialmute
zu London hat man daher auch die Wahlen mit großer Beunruhigung verfolgt.

Was thut nun England gegen diese Lvsreißnngsgelüste der Kanadier?
Die Negierung möchte'gern den handelspolitischen Gegeuseitigkeitsvertrag, der
von 1854 bis 1866 zwischen Kanada und den Vereinigten Staaten bestand,
wieder herstellen; aber das wird wohl ein frommer Wunsch bleiben, denn die


Die ^Vn'klingen der Mac Ainley-Bill in Amerika

einen genauen Entwurf vorlegten, worin ausgeführt wurde, wie man Kanada
zu einer Handelsvereiniguug mit den Vereinigten Staaten zwingen könnte, und
wie eine politische Einigung mit der Union vorzubereiten wäre. Der Premier¬
minister Macdonald war in der Lage, das Schriftstück einer zahlreich besuchten
Wählerversammlung zu Toronto am 17. Februar vorzulegen. Etwas ge¬
mäßigter ist die Ansicht der Liberalen in Unterkanada, wo das katholische und
französische Element überwiegt. Der Premierminister H. Mercier von Quebec,
erklärte im März in einer öffentlichen Rede, nichts auf Erden könnte die
Kanadier von der Forderung voller Gegenseitigkeit mit den Vereinigten Staaten
abbringen. Die Einwohmn? Kanadas wären der Königin ergeben und hegten
die größte Ehrfurcht vor ihr, aber das könnte sie nicht hindern, in erster Linie
Kanadier und dann erst Engländer zu sein. Nicht günstiger als in Ober- und
Unterknnada ist die Stimmung in Manitoba und Britisch-Kolmubia (Vancouver).
Dies kann der kürzlich erfolgte Beschluß der Gesetzgebung von Manitoba be¬
weisen, wonach die englische Sprache abgeschafft und dafür das Französische
als amtliche Sprache eingeführt werden soll. In Britisch-Kolumbin ist
namentlich in letzter Zeit durch Einwanderung von der Union aus eine starke
Partei herangewachsen, die den Anschluß an die Vereinigten Staaten befür¬
wortet. Zwar fehlt es jetzt auch nicht an Stimmen, die engen Zusammen¬
schluß mit England empfehlen. So äußerte sich z. B. ein Großkaufmann in
Viktoria (Vancouver) dem Professor Boas gegenüber (vergl. Globus 1891,
Ur. 5): „Niemand kauu besser gestellt sein als wir Kanadier. Wir genießen
den Schutz Englands, ohne irgend welche Verpflichtungen gegen dieses zu haben."
Aber immerhin sind solche Anschauungen stark im Schwinden begriffen.

Diese Sachlage beweisen deutlich genug die kanadischen Parlamentswahlen,
die Anfang März stattfanden. Obgleich die englische Partei und die Regierung
alles daransetzten, die Kolonie dem Mutterlande zu erhalten, obgleich der Erz-
bischof O'Vrien von Halifax in einem offnen Briefe den katholischen Kanadiern,
die einundvierzig Prozent der Bevölkerung ausmachen, alle Mißstände und
das Korruptiouswesen in den Vereinigten Staaten in grellen Farben ausmalte,
so hat die Regierung doch nicht die Mehrheit erreicht, die ihr die Wahlen
von 1887 brachten. Es handelte sich also in diesem Wahlkampfe thatsächlich
um die Frage, ob Kanada englische Besitzung bleiben oder ob es im Be¬
stände der Vereinigten Staaten aufgehen soll. Die amerikanischen Zeitungen
haben auch ganz offen die Bedeutung' der Wahlen so dargestellt und auch
den Zweck der Mac Kinleh-Viti als dahin gehend bezeichnet. Im Kolvnialmute
zu London hat man daher auch die Wahlen mit großer Beunruhigung verfolgt.

Was thut nun England gegen diese Lvsreißnngsgelüste der Kanadier?
Die Negierung möchte'gern den handelspolitischen Gegeuseitigkeitsvertrag, der
von 1854 bis 1866 zwischen Kanada und den Vereinigten Staaten bestand,
wieder herstellen; aber das wird wohl ein frommer Wunsch bleiben, denn die


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[0217] Die ^Vn'klingen der Mac Ainley-Bill in Amerika einen genauen Entwurf vorlegten, worin ausgeführt wurde, wie man Kanada zu einer Handelsvereiniguug mit den Vereinigten Staaten zwingen könnte, und wie eine politische Einigung mit der Union vorzubereiten wäre. Der Premier¬ minister Macdonald war in der Lage, das Schriftstück einer zahlreich besuchten Wählerversammlung zu Toronto am 17. Februar vorzulegen. Etwas ge¬ mäßigter ist die Ansicht der Liberalen in Unterkanada, wo das katholische und französische Element überwiegt. Der Premierminister H. Mercier von Quebec, erklärte im März in einer öffentlichen Rede, nichts auf Erden könnte die Kanadier von der Forderung voller Gegenseitigkeit mit den Vereinigten Staaten abbringen. Die Einwohmn? Kanadas wären der Königin ergeben und hegten die größte Ehrfurcht vor ihr, aber das könnte sie nicht hindern, in erster Linie Kanadier und dann erst Engländer zu sein. Nicht günstiger als in Ober- und Unterknnada ist die Stimmung in Manitoba und Britisch-Kolmubia (Vancouver). Dies kann der kürzlich erfolgte Beschluß der Gesetzgebung von Manitoba be¬ weisen, wonach die englische Sprache abgeschafft und dafür das Französische als amtliche Sprache eingeführt werden soll. In Britisch-Kolumbin ist namentlich in letzter Zeit durch Einwanderung von der Union aus eine starke Partei herangewachsen, die den Anschluß an die Vereinigten Staaten befür¬ wortet. Zwar fehlt es jetzt auch nicht an Stimmen, die engen Zusammen¬ schluß mit England empfehlen. So äußerte sich z. B. ein Großkaufmann in Viktoria (Vancouver) dem Professor Boas gegenüber (vergl. Globus 1891, Ur. 5): „Niemand kauu besser gestellt sein als wir Kanadier. Wir genießen den Schutz Englands, ohne irgend welche Verpflichtungen gegen dieses zu haben." Aber immerhin sind solche Anschauungen stark im Schwinden begriffen. Diese Sachlage beweisen deutlich genug die kanadischen Parlamentswahlen, die Anfang März stattfanden. Obgleich die englische Partei und die Regierung alles daransetzten, die Kolonie dem Mutterlande zu erhalten, obgleich der Erz- bischof O'Vrien von Halifax in einem offnen Briefe den katholischen Kanadiern, die einundvierzig Prozent der Bevölkerung ausmachen, alle Mißstände und das Korruptiouswesen in den Vereinigten Staaten in grellen Farben ausmalte, so hat die Regierung doch nicht die Mehrheit erreicht, die ihr die Wahlen von 1887 brachten. Es handelte sich also in diesem Wahlkampfe thatsächlich um die Frage, ob Kanada englische Besitzung bleiben oder ob es im Be¬ stände der Vereinigten Staaten aufgehen soll. Die amerikanischen Zeitungen haben auch ganz offen die Bedeutung' der Wahlen so dargestellt und auch den Zweck der Mac Kinleh-Viti als dahin gehend bezeichnet. Im Kolvnialmute zu London hat man daher auch die Wahlen mit großer Beunruhigung verfolgt. Was thut nun England gegen diese Lvsreißnngsgelüste der Kanadier? Die Negierung möchte'gern den handelspolitischen Gegeuseitigkeitsvertrag, der von 1854 bis 1866 zwischen Kanada und den Vereinigten Staaten bestand, wieder herstellen; aber das wird wohl ein frommer Wunsch bleiben, denn die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/217>, abgerufen am 24.07.2024.