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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Rokokostndien

Hatte die Vereinigung die Form des Dreibundes, so war die ursprüngliche
Spielweise des L'Hombre vou selbst geboten. Für weitere Zusammensetzungen
treten dann die Quadrille und Ciuauille ein, sodaß allen die Beteiligung er¬
möglicht war.

Einen Kreis spiellustiger Frauen führt Pieanders Schauspiel "Der aka¬
demische Schlendrian" (1726) anschaulich vor. Ein junges Mädchen, eine
überbürdete "höhere Tochter" des Rokoko, berichtet über ihre Morgen-
beschnftigung. Von acht bis neun Uhr hat sie beim französischen Sprachmeister
den ersten französischen Brief schreiben lernen, von nenn bis zehn Uhr hat sie
am Klavier gesessen und eine neue Arie eingeübt, die in ihr "Arien-Buch"
geschrieben werden soll. Von zehn bis elf Uhr ist sie in die Schönheiten der
deutschen Poesie eingeführt worden. Mit einer Tanzstunde hat der Vormittags¬
unterricht sein Ende erreicht. "Hernach, so fährt sie fort, haben wir gegessen
und nach Tische habe ich mit der Mama Nvmmel-Piquet gespielt. Jetzund
hat sie sich ein bißgen niedergelegt und hält Mittagsruhe." Auf die Frage,
ob Mama am Nachmittage nicht "besuchen fahren" werde, erwidert sie: "Ja!
die Frau Wohlgemuthiu hat sie in den Garten bitten lassen; der Strick-
strumpf liegt schon fertig. Sie wird aber wohl nicht viel machen können,
denn ich hörte bey der Einladung von Lün<iuill<z reden."

Für diese Spiellust der Frauen war auch ein besondrer Posten in den
Haushaltplan eingestellt, das Spielgeld, dessen oft gedacht wird. Es ist das
den Frauen zu freier Verfügung überlassene Taschengeld. Nach Stand und
Denkweise des Ehemannes ist es sehr verschieden bemessen. Aus der Jahres¬
rechnung eines Hamburger Geldprotzen bringt der "Hamburger Patriot"
einmal folgende Auszüge:

Noch ihm s^dem Sohnes zu seinem I^Isisir, wenn er
in Oven^Anis gehet und 1'ombro spielt .100 N,
Im 1'Omdro verspielt.........450 "
Den 8. September meiner Frau Spielgeld gegeben330 "

Ein so beneidenswertes Los wurde aber nur wenigen Frauen zu teil. In
den "Vernünftigen Tadlerinnen" klagt eine junge Freir in einem beweglichen
Schreiben über deu Geiz ihres Ehemannes. Sie erhalte von dem tyrannischen
Filz nur 10 Rest. Spielgeld im Monat; mit einer solchen Bagatelle könne
sie doch unmöglich auskommen. In den sechs Wochen ihres Ehefrühlings
habe sie schon 5 Rest. zusetzen müssen. Obwohl das Spielgeld nicht immer
dem Zwecke geopfert wurde, auf deu sein Name deutet, so wurde es doch vou
der Modedame mit Vorliebe in den Dienst des L'Hombrekultus gestellt. "Ein
unglücklicher Nachmittag am Lvmbertische bringt die liebenswürdigste Hand
uni alles Spielgeld," heißt es in einer "Strohkranzrede" Gellerts. "Die Ver¬
nünftigen Tadlerinneu" und Gellert deuten auf Leipzig; natürlich zielen ihre
Bemerkungen auf ihre liebenswürdigen Mitbürgerinnen. Auch als eifrige


Rokokostndien

Hatte die Vereinigung die Form des Dreibundes, so war die ursprüngliche
Spielweise des L'Hombre vou selbst geboten. Für weitere Zusammensetzungen
treten dann die Quadrille und Ciuauille ein, sodaß allen die Beteiligung er¬
möglicht war.

Einen Kreis spiellustiger Frauen führt Pieanders Schauspiel „Der aka¬
demische Schlendrian" (1726) anschaulich vor. Ein junges Mädchen, eine
überbürdete „höhere Tochter" des Rokoko, berichtet über ihre Morgen-
beschnftigung. Von acht bis neun Uhr hat sie beim französischen Sprachmeister
den ersten französischen Brief schreiben lernen, von nenn bis zehn Uhr hat sie
am Klavier gesessen und eine neue Arie eingeübt, die in ihr „Arien-Buch"
geschrieben werden soll. Von zehn bis elf Uhr ist sie in die Schönheiten der
deutschen Poesie eingeführt worden. Mit einer Tanzstunde hat der Vormittags¬
unterricht sein Ende erreicht. „Hernach, so fährt sie fort, haben wir gegessen
und nach Tische habe ich mit der Mama Nvmmel-Piquet gespielt. Jetzund
hat sie sich ein bißgen niedergelegt und hält Mittagsruhe." Auf die Frage,
ob Mama am Nachmittage nicht „besuchen fahren" werde, erwidert sie: „Ja!
die Frau Wohlgemuthiu hat sie in den Garten bitten lassen; der Strick-
strumpf liegt schon fertig. Sie wird aber wohl nicht viel machen können,
denn ich hörte bey der Einladung von Lün<iuill<z reden."

Für diese Spiellust der Frauen war auch ein besondrer Posten in den
Haushaltplan eingestellt, das Spielgeld, dessen oft gedacht wird. Es ist das
den Frauen zu freier Verfügung überlassene Taschengeld. Nach Stand und
Denkweise des Ehemannes ist es sehr verschieden bemessen. Aus der Jahres¬
rechnung eines Hamburger Geldprotzen bringt der „Hamburger Patriot"
einmal folgende Auszüge:

Noch ihm s^dem Sohnes zu seinem I^Isisir, wenn er
in Oven^Anis gehet und 1'ombro spielt .100 N,
Im 1'Omdro verspielt.........450 „
Den 8. September meiner Frau Spielgeld gegeben330 „

Ein so beneidenswertes Los wurde aber nur wenigen Frauen zu teil. In
den „Vernünftigen Tadlerinnen" klagt eine junge Freir in einem beweglichen
Schreiben über deu Geiz ihres Ehemannes. Sie erhalte von dem tyrannischen
Filz nur 10 Rest. Spielgeld im Monat; mit einer solchen Bagatelle könne
sie doch unmöglich auskommen. In den sechs Wochen ihres Ehefrühlings
habe sie schon 5 Rest. zusetzen müssen. Obwohl das Spielgeld nicht immer
dem Zwecke geopfert wurde, auf deu sein Name deutet, so wurde es doch vou
der Modedame mit Vorliebe in den Dienst des L'Hombrekultus gestellt. „Ein
unglücklicher Nachmittag am Lvmbertische bringt die liebenswürdigste Hand
uni alles Spielgeld," heißt es in einer „Strohkranzrede" Gellerts. „Die Ver¬
nünftigen Tadlerinneu" und Gellert deuten auf Leipzig; natürlich zielen ihre
Bemerkungen auf ihre liebenswürdigen Mitbürgerinnen. Auch als eifrige


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[0206] Rokokostndien Hatte die Vereinigung die Form des Dreibundes, so war die ursprüngliche Spielweise des L'Hombre vou selbst geboten. Für weitere Zusammensetzungen treten dann die Quadrille und Ciuauille ein, sodaß allen die Beteiligung er¬ möglicht war. Einen Kreis spiellustiger Frauen führt Pieanders Schauspiel „Der aka¬ demische Schlendrian" (1726) anschaulich vor. Ein junges Mädchen, eine überbürdete „höhere Tochter" des Rokoko, berichtet über ihre Morgen- beschnftigung. Von acht bis neun Uhr hat sie beim französischen Sprachmeister den ersten französischen Brief schreiben lernen, von nenn bis zehn Uhr hat sie am Klavier gesessen und eine neue Arie eingeübt, die in ihr „Arien-Buch" geschrieben werden soll. Von zehn bis elf Uhr ist sie in die Schönheiten der deutschen Poesie eingeführt worden. Mit einer Tanzstunde hat der Vormittags¬ unterricht sein Ende erreicht. „Hernach, so fährt sie fort, haben wir gegessen und nach Tische habe ich mit der Mama Nvmmel-Piquet gespielt. Jetzund hat sie sich ein bißgen niedergelegt und hält Mittagsruhe." Auf die Frage, ob Mama am Nachmittage nicht „besuchen fahren" werde, erwidert sie: „Ja! die Frau Wohlgemuthiu hat sie in den Garten bitten lassen; der Strick- strumpf liegt schon fertig. Sie wird aber wohl nicht viel machen können, denn ich hörte bey der Einladung von Lün<iuill<z reden." Für diese Spiellust der Frauen war auch ein besondrer Posten in den Haushaltplan eingestellt, das Spielgeld, dessen oft gedacht wird. Es ist das den Frauen zu freier Verfügung überlassene Taschengeld. Nach Stand und Denkweise des Ehemannes ist es sehr verschieden bemessen. Aus der Jahres¬ rechnung eines Hamburger Geldprotzen bringt der „Hamburger Patriot" einmal folgende Auszüge: Noch ihm s^dem Sohnes zu seinem I^Isisir, wenn er in Oven^Anis gehet und 1'ombro spielt .100 N, Im 1'Omdro verspielt.........450 „ Den 8. September meiner Frau Spielgeld gegeben330 „ Ein so beneidenswertes Los wurde aber nur wenigen Frauen zu teil. In den „Vernünftigen Tadlerinnen" klagt eine junge Freir in einem beweglichen Schreiben über deu Geiz ihres Ehemannes. Sie erhalte von dem tyrannischen Filz nur 10 Rest. Spielgeld im Monat; mit einer solchen Bagatelle könne sie doch unmöglich auskommen. In den sechs Wochen ihres Ehefrühlings habe sie schon 5 Rest. zusetzen müssen. Obwohl das Spielgeld nicht immer dem Zwecke geopfert wurde, auf deu sein Name deutet, so wurde es doch vou der Modedame mit Vorliebe in den Dienst des L'Hombrekultus gestellt. „Ein unglücklicher Nachmittag am Lvmbertische bringt die liebenswürdigste Hand uni alles Spielgeld," heißt es in einer „Strohkranzrede" Gellerts. „Die Ver¬ nünftigen Tadlerinneu" und Gellert deuten auf Leipzig; natürlich zielen ihre Bemerkungen auf ihre liebenswürdigen Mitbürgerinnen. Auch als eifrige

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/206>, abgerufen am 24.07.2024.