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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Zur Jubelfeier des Iveiinarischen Theaters

wurde beibehalten. Es ist ein Irrtum, wenn Vurkhardt das Abonnement
als eine geschickte Maßnahme Goethes bezeichnet. Auch die drei wöchentlichen
Spieltage wurde" beibehalten, nur statt des Dienstags und Donnerstags
Montag und Mittwoch gewählt, bloß der Sonnabend blieb bestehen, wo die
Jenaischen Studenten scharenweise herüberkamen. Der Sonntag war aus¬
geschlossen, der Hvfeour wegen. Das Hofvrchester sorgte für die Musik, und
ein tüchtiger Leiter war der Konzertmeister Kranz. Die Hauptsache war für
Goethe natürlich das Knnstfach. Da galt es zunächst begabte, möglichst von
unangenehmer Mundart freie Schauspieler und einen gewandten Regisseur zu
gewinnen. Beides gelang mit einiger Mühe, nur eine gute Primadonna, wie
sie Bellomo in seiner Gattin besessen hatte, fehlte. Große Sorgfalt und Zeit
forderte die Prüfung der Begabung der einzelnen Schauspieler und die Leitung
der Proben, wobei es besonders auf ein gutes Zusammenspiel ankam, das auf
festen Grundsätzen berichte. Goethe, obgleich ein Meister in solchen Dingen,
mußte darauf umso mehr Zeit und Mühe verwenden, als die neue Gesellschaft
zunächst uur einen Monat unter seinen Angen spielen sollte. Bon neuen
Stücken sollte zunächst ganz abgesehen werden, uur eines, eine Posse mit
Liedern, "Der Mondkaiser," hatte man in Weimar noch nicht gesehen. In
einem Prologe hatte Goethe die Gunst der Zuschauer für das neue Unter¬
nehmen erbeten und als Ziel des Strebens treffendes Zusammenspiel bezeichnet.
Der gute Erfolg der ersten Vorstellung gab ihn: die beste Hoffnung; schon
nach zehn Tagen konnte er dem Herzog melden, das Schauspiel überwinde
alle feindselige" Einflüsse, um denen es also nicht fehlte; in einem Jahre solle
es schon anders aussehen, nur dürfe man dem Publikum seinen Spaß nicht
verderben. Nach der Lauchstädter Bretterbude konnte er freilich die Schau¬
spieler nicht begleiten, wie Kirms thun mußte, der auch auf deu äußern
Anstand ein scharfes Auge hatte. Der Regisseur Fischer bewährte sich auch
in Lauchstädt. Nach der Mitte August zog man nach Erfurt, wo die
Gesellschaft dem mit Weimar befreundeten Statthalter von Dalberg bestens
empfohlen war.

Als sie Ende September zurückkehrte, begann für Goethe eine arbeits-
vvlle Zeit; denn jetzt galt es, den Weimarern die Bühne von der besten Seite
zu zeigen, die Schauspieler in den als recht erkannten Grundsätzen immer fester
zu machen, mit Rat und That ihnen beizustehen und sie zu neuen, bedeutenden,
die Zuschauer anziehenden Leistungen anzuleiten. Dem herrschenden Ge¬
schmacke der zahlende" Zuschauer mußte er als kluger Leiter Rechnung tragen,
er suchte aber, indem er fest auf künstlerische Grundsätze hielt, Schauspieler
wie Zuschauer heranzubilden und durch ein paar neue bedeutende Erschei¬
nungen, Shakespeares "König Johann" und seinen eignen "Großkophta," die
Anziehung zu steigern; in beiden Stücken ergriff die von ihm längere Zeit
liebevoll unterwiesene junge Christiane Neumann, ein hervorragendes Talent, die


Zur Jubelfeier des Iveiinarischen Theaters

wurde beibehalten. Es ist ein Irrtum, wenn Vurkhardt das Abonnement
als eine geschickte Maßnahme Goethes bezeichnet. Auch die drei wöchentlichen
Spieltage wurde» beibehalten, nur statt des Dienstags und Donnerstags
Montag und Mittwoch gewählt, bloß der Sonnabend blieb bestehen, wo die
Jenaischen Studenten scharenweise herüberkamen. Der Sonntag war aus¬
geschlossen, der Hvfeour wegen. Das Hofvrchester sorgte für die Musik, und
ein tüchtiger Leiter war der Konzertmeister Kranz. Die Hauptsache war für
Goethe natürlich das Knnstfach. Da galt es zunächst begabte, möglichst von
unangenehmer Mundart freie Schauspieler und einen gewandten Regisseur zu
gewinnen. Beides gelang mit einiger Mühe, nur eine gute Primadonna, wie
sie Bellomo in seiner Gattin besessen hatte, fehlte. Große Sorgfalt und Zeit
forderte die Prüfung der Begabung der einzelnen Schauspieler und die Leitung
der Proben, wobei es besonders auf ein gutes Zusammenspiel ankam, das auf
festen Grundsätzen berichte. Goethe, obgleich ein Meister in solchen Dingen,
mußte darauf umso mehr Zeit und Mühe verwenden, als die neue Gesellschaft
zunächst uur einen Monat unter seinen Angen spielen sollte. Bon neuen
Stücken sollte zunächst ganz abgesehen werden, uur eines, eine Posse mit
Liedern, „Der Mondkaiser," hatte man in Weimar noch nicht gesehen. In
einem Prologe hatte Goethe die Gunst der Zuschauer für das neue Unter¬
nehmen erbeten und als Ziel des Strebens treffendes Zusammenspiel bezeichnet.
Der gute Erfolg der ersten Vorstellung gab ihn: die beste Hoffnung; schon
nach zehn Tagen konnte er dem Herzog melden, das Schauspiel überwinde
alle feindselige» Einflüsse, um denen es also nicht fehlte; in einem Jahre solle
es schon anders aussehen, nur dürfe man dem Publikum seinen Spaß nicht
verderben. Nach der Lauchstädter Bretterbude konnte er freilich die Schau¬
spieler nicht begleiten, wie Kirms thun mußte, der auch auf deu äußern
Anstand ein scharfes Auge hatte. Der Regisseur Fischer bewährte sich auch
in Lauchstädt. Nach der Mitte August zog man nach Erfurt, wo die
Gesellschaft dem mit Weimar befreundeten Statthalter von Dalberg bestens
empfohlen war.

Als sie Ende September zurückkehrte, begann für Goethe eine arbeits-
vvlle Zeit; denn jetzt galt es, den Weimarern die Bühne von der besten Seite
zu zeigen, die Schauspieler in den als recht erkannten Grundsätzen immer fester
zu machen, mit Rat und That ihnen beizustehen und sie zu neuen, bedeutenden,
die Zuschauer anziehenden Leistungen anzuleiten. Dem herrschenden Ge¬
schmacke der zahlende» Zuschauer mußte er als kluger Leiter Rechnung tragen,
er suchte aber, indem er fest auf künstlerische Grundsätze hielt, Schauspieler
wie Zuschauer heranzubilden und durch ein paar neue bedeutende Erschei¬
nungen, Shakespeares „König Johann" und seinen eignen „Großkophta," die
Anziehung zu steigern; in beiden Stücken ergriff die von ihm längere Zeit
liebevoll unterwiesene junge Christiane Neumann, ein hervorragendes Talent, die


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[0186] Zur Jubelfeier des Iveiinarischen Theaters wurde beibehalten. Es ist ein Irrtum, wenn Vurkhardt das Abonnement als eine geschickte Maßnahme Goethes bezeichnet. Auch die drei wöchentlichen Spieltage wurde» beibehalten, nur statt des Dienstags und Donnerstags Montag und Mittwoch gewählt, bloß der Sonnabend blieb bestehen, wo die Jenaischen Studenten scharenweise herüberkamen. Der Sonntag war aus¬ geschlossen, der Hvfeour wegen. Das Hofvrchester sorgte für die Musik, und ein tüchtiger Leiter war der Konzertmeister Kranz. Die Hauptsache war für Goethe natürlich das Knnstfach. Da galt es zunächst begabte, möglichst von unangenehmer Mundart freie Schauspieler und einen gewandten Regisseur zu gewinnen. Beides gelang mit einiger Mühe, nur eine gute Primadonna, wie sie Bellomo in seiner Gattin besessen hatte, fehlte. Große Sorgfalt und Zeit forderte die Prüfung der Begabung der einzelnen Schauspieler und die Leitung der Proben, wobei es besonders auf ein gutes Zusammenspiel ankam, das auf festen Grundsätzen berichte. Goethe, obgleich ein Meister in solchen Dingen, mußte darauf umso mehr Zeit und Mühe verwenden, als die neue Gesellschaft zunächst uur einen Monat unter seinen Angen spielen sollte. Bon neuen Stücken sollte zunächst ganz abgesehen werden, uur eines, eine Posse mit Liedern, „Der Mondkaiser," hatte man in Weimar noch nicht gesehen. In einem Prologe hatte Goethe die Gunst der Zuschauer für das neue Unter¬ nehmen erbeten und als Ziel des Strebens treffendes Zusammenspiel bezeichnet. Der gute Erfolg der ersten Vorstellung gab ihn: die beste Hoffnung; schon nach zehn Tagen konnte er dem Herzog melden, das Schauspiel überwinde alle feindselige» Einflüsse, um denen es also nicht fehlte; in einem Jahre solle es schon anders aussehen, nur dürfe man dem Publikum seinen Spaß nicht verderben. Nach der Lauchstädter Bretterbude konnte er freilich die Schau¬ spieler nicht begleiten, wie Kirms thun mußte, der auch auf deu äußern Anstand ein scharfes Auge hatte. Der Regisseur Fischer bewährte sich auch in Lauchstädt. Nach der Mitte August zog man nach Erfurt, wo die Gesellschaft dem mit Weimar befreundeten Statthalter von Dalberg bestens empfohlen war. Als sie Ende September zurückkehrte, begann für Goethe eine arbeits- vvlle Zeit; denn jetzt galt es, den Weimarern die Bühne von der besten Seite zu zeigen, die Schauspieler in den als recht erkannten Grundsätzen immer fester zu machen, mit Rat und That ihnen beizustehen und sie zu neuen, bedeutenden, die Zuschauer anziehenden Leistungen anzuleiten. Dem herrschenden Ge¬ schmacke der zahlende» Zuschauer mußte er als kluger Leiter Rechnung tragen, er suchte aber, indem er fest auf künstlerische Grundsätze hielt, Schauspieler wie Zuschauer heranzubilden und durch ein paar neue bedeutende Erschei¬ nungen, Shakespeares „König Johann" und seinen eignen „Großkophta," die Anziehung zu steigern; in beiden Stücken ergriff die von ihm längere Zeit liebevoll unterwiesene junge Christiane Neumann, ein hervorragendes Talent, die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/186>, abgerufen am 24.07.2024.