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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Der Marineetat im Reichstage

schaft und die Hälfte des Maschinenpersonals an Bord und soll binnen zehn
Tcigen nach Einschiffung der fehlenden Mannschaften in See gehen können.
Die dritte Klasse hat eiuen Teil des Materials, soweit er nicht den: Ver¬
derben ausgesetzt ist, eingeschifft, außerdem so viele Mannschaften an Bord,
als zur Instandhaltung des Schiffes und des Materials unumgänglich er¬
forderlich sind. Diese Fahrzeuge müssen innerhalb von zwanzig Tagen see-
bcreit sein.

In seinen Marinetruppen, deren Neuorganisation begonnen ist, aber noch
nicht zum Abschluß gekommen sein dürfte, besitzt Frankreich ein reiches Material
für etwaige Unternehmungen zur See. Ursprünglich waren sie allerdings nur für
die Vesetzuug der Hafenplätze und für die Kolonien bestimmt, doch soll für letz¬
tere Zwecke neuerdings die Kolonialarmee formirt werden. Die zwölf Marinc-
infanterieregimenter verschiedner Zusammensetzung zählen 178 Kompagnien, von
denen 116 in Europa stehen. Sie sollen infolge der Aufstellung der Kolonial¬
armee vermindert werden, doch dürfte sich dies vorzugsweise auf das Aus¬
scheiden der schon jetzt in den Kolonien stehenden 62 Kompagnien beschränken.
Immerhin bleibt einschließlich der Reserve ein starkes Kontingent verfügbar,
um, selbst wenn für diesen Fall nicht besonders vorgesorgt sein sollte, für
etwaige Unternehmungen der Flotte gegen die deutschen Küsten Verwendung
finden zu können.

Frankreich hat seit Mitte der achtziger Jahre bei seinen Schiffsbauten
vorzugsweise die Schiffe der Kreuzerklasse berücksichtigt. Die Veranlassung ist
zum Teil in den übertriebenen Erwartungen zu suchen, die man in die damals
auftretenden Torpedos setzte, zum Teil ist sie auf die Zweifel zurückzuführen,
die mau infolge der neuen Erfindung gegen die Daseinsberechtignng der Panzer¬
schiffe hegte. Endlich, und zwar nicht zum kleinsten Teile, stützte sich diese
Änderung des bisherigen Bauplanes auf die von dein Franzosen Gabriel
Charmes in seinem Werke: "Die Reformen der Marine" aufgestellten, seit
1875 auch von dem Marineminister Admiral Aube vertretenen neuen Grund¬
sätze für die Kriegführung zur See. Beide siud der Ansicht, daß die Ent¬
scheidung zur See ferner nicht im offenen Kampfe der Schlachtflotten, sondern
durch materielle Schädigung des Gegners, durch Brandschatzung seiner Küsten
und durch Vernichtung seines Handels zu suchen sei. Daß hierbei in erster
Linie England als der zukünftige Geguer gedacht war, ist angesichts des dereinst
bevorstehenden Kampfes um die Herrschaft über das Mittelmeer leicht zu
erraten. Wenn aber Frankreich dementsprechend den Neubau seiner Panzer¬
schiffe teils verzögert teils gänzlich eingestellt und alle verfügbaren Mittel
zur Herstellung schneller und großer Kreuzer für lange Fahrt verwandt hat,
so dürfen wir auch mit Bestimmtheit darauf rechnen, daß es in einem Kriege
gttzen Deutschland nach denselben Grundsätzen verfahren wird, denn der Schiffs-
bauplau einer Nation wird auf Grund des Landesvcrteidigungsplanes aufgestellt.


Der Marineetat im Reichstage

schaft und die Hälfte des Maschinenpersonals an Bord und soll binnen zehn
Tcigen nach Einschiffung der fehlenden Mannschaften in See gehen können.
Die dritte Klasse hat eiuen Teil des Materials, soweit er nicht den: Ver¬
derben ausgesetzt ist, eingeschifft, außerdem so viele Mannschaften an Bord,
als zur Instandhaltung des Schiffes und des Materials unumgänglich er¬
forderlich sind. Diese Fahrzeuge müssen innerhalb von zwanzig Tagen see-
bcreit sein.

In seinen Marinetruppen, deren Neuorganisation begonnen ist, aber noch
nicht zum Abschluß gekommen sein dürfte, besitzt Frankreich ein reiches Material
für etwaige Unternehmungen zur See. Ursprünglich waren sie allerdings nur für
die Vesetzuug der Hafenplätze und für die Kolonien bestimmt, doch soll für letz¬
tere Zwecke neuerdings die Kolonialarmee formirt werden. Die zwölf Marinc-
infanterieregimenter verschiedner Zusammensetzung zählen 178 Kompagnien, von
denen 116 in Europa stehen. Sie sollen infolge der Aufstellung der Kolonial¬
armee vermindert werden, doch dürfte sich dies vorzugsweise auf das Aus¬
scheiden der schon jetzt in den Kolonien stehenden 62 Kompagnien beschränken.
Immerhin bleibt einschließlich der Reserve ein starkes Kontingent verfügbar,
um, selbst wenn für diesen Fall nicht besonders vorgesorgt sein sollte, für
etwaige Unternehmungen der Flotte gegen die deutschen Küsten Verwendung
finden zu können.

Frankreich hat seit Mitte der achtziger Jahre bei seinen Schiffsbauten
vorzugsweise die Schiffe der Kreuzerklasse berücksichtigt. Die Veranlassung ist
zum Teil in den übertriebenen Erwartungen zu suchen, die man in die damals
auftretenden Torpedos setzte, zum Teil ist sie auf die Zweifel zurückzuführen,
die mau infolge der neuen Erfindung gegen die Daseinsberechtignng der Panzer¬
schiffe hegte. Endlich, und zwar nicht zum kleinsten Teile, stützte sich diese
Änderung des bisherigen Bauplanes auf die von dein Franzosen Gabriel
Charmes in seinem Werke: „Die Reformen der Marine" aufgestellten, seit
1875 auch von dem Marineminister Admiral Aube vertretenen neuen Grund¬
sätze für die Kriegführung zur See. Beide siud der Ansicht, daß die Ent¬
scheidung zur See ferner nicht im offenen Kampfe der Schlachtflotten, sondern
durch materielle Schädigung des Gegners, durch Brandschatzung seiner Küsten
und durch Vernichtung seines Handels zu suchen sei. Daß hierbei in erster
Linie England als der zukünftige Geguer gedacht war, ist angesichts des dereinst
bevorstehenden Kampfes um die Herrschaft über das Mittelmeer leicht zu
erraten. Wenn aber Frankreich dementsprechend den Neubau seiner Panzer¬
schiffe teils verzögert teils gänzlich eingestellt und alle verfügbaren Mittel
zur Herstellung schneller und großer Kreuzer für lange Fahrt verwandt hat,
so dürfen wir auch mit Bestimmtheit darauf rechnen, daß es in einem Kriege
gttzen Deutschland nach denselben Grundsätzen verfahren wird, denn der Schiffs-
bauplau einer Nation wird auf Grund des Landesvcrteidigungsplanes aufgestellt.


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[0167] Der Marineetat im Reichstage schaft und die Hälfte des Maschinenpersonals an Bord und soll binnen zehn Tcigen nach Einschiffung der fehlenden Mannschaften in See gehen können. Die dritte Klasse hat eiuen Teil des Materials, soweit er nicht den: Ver¬ derben ausgesetzt ist, eingeschifft, außerdem so viele Mannschaften an Bord, als zur Instandhaltung des Schiffes und des Materials unumgänglich er¬ forderlich sind. Diese Fahrzeuge müssen innerhalb von zwanzig Tagen see- bcreit sein. In seinen Marinetruppen, deren Neuorganisation begonnen ist, aber noch nicht zum Abschluß gekommen sein dürfte, besitzt Frankreich ein reiches Material für etwaige Unternehmungen zur See. Ursprünglich waren sie allerdings nur für die Vesetzuug der Hafenplätze und für die Kolonien bestimmt, doch soll für letz¬ tere Zwecke neuerdings die Kolonialarmee formirt werden. Die zwölf Marinc- infanterieregimenter verschiedner Zusammensetzung zählen 178 Kompagnien, von denen 116 in Europa stehen. Sie sollen infolge der Aufstellung der Kolonial¬ armee vermindert werden, doch dürfte sich dies vorzugsweise auf das Aus¬ scheiden der schon jetzt in den Kolonien stehenden 62 Kompagnien beschränken. Immerhin bleibt einschließlich der Reserve ein starkes Kontingent verfügbar, um, selbst wenn für diesen Fall nicht besonders vorgesorgt sein sollte, für etwaige Unternehmungen der Flotte gegen die deutschen Küsten Verwendung finden zu können. Frankreich hat seit Mitte der achtziger Jahre bei seinen Schiffsbauten vorzugsweise die Schiffe der Kreuzerklasse berücksichtigt. Die Veranlassung ist zum Teil in den übertriebenen Erwartungen zu suchen, die man in die damals auftretenden Torpedos setzte, zum Teil ist sie auf die Zweifel zurückzuführen, die mau infolge der neuen Erfindung gegen die Daseinsberechtignng der Panzer¬ schiffe hegte. Endlich, und zwar nicht zum kleinsten Teile, stützte sich diese Änderung des bisherigen Bauplanes auf die von dein Franzosen Gabriel Charmes in seinem Werke: „Die Reformen der Marine" aufgestellten, seit 1875 auch von dem Marineminister Admiral Aube vertretenen neuen Grund¬ sätze für die Kriegführung zur See. Beide siud der Ansicht, daß die Ent¬ scheidung zur See ferner nicht im offenen Kampfe der Schlachtflotten, sondern durch materielle Schädigung des Gegners, durch Brandschatzung seiner Küsten und durch Vernichtung seines Handels zu suchen sei. Daß hierbei in erster Linie England als der zukünftige Geguer gedacht war, ist angesichts des dereinst bevorstehenden Kampfes um die Herrschaft über das Mittelmeer leicht zu erraten. Wenn aber Frankreich dementsprechend den Neubau seiner Panzer¬ schiffe teils verzögert teils gänzlich eingestellt und alle verfügbaren Mittel zur Herstellung schneller und großer Kreuzer für lange Fahrt verwandt hat, so dürfen wir auch mit Bestimmtheit darauf rechnen, daß es in einem Kriege gttzen Deutschland nach denselben Grundsätzen verfahren wird, denn der Schiffs- bauplau einer Nation wird auf Grund des Landesvcrteidigungsplanes aufgestellt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/167>, abgerufen am 24.07.2024.