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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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doch der Führer überall die Augen zu öffnen für tausend sonst unbeachtete
Dinge, die sehenswert find.

Eine "gedrängte Inhaltsangabe" wird der Leser hier nicht von uns er¬
warten, denn jeder, der Hildebrands Art kennt, weiß auch, daß sich seine
Arbeiten nicht "e^eerpiren" lassen im gewöhnlichen Sinne; sie wollen eben ge¬
lesen sein. Nach dem Gesagten bedarf es kaum noch besondrer Erwähnung,
daß die Sammlung auch für einen größern .Kreis gebildeter Leser keineswegs
ein Buch mit sieben Siegeln ist, wie das sonst in Deutschland vom wissen¬
schaftlichem Schrifttum hänfiger gilt als anderswo. Einige der Aufsätze
wenden sich gleich an einen solchen Kreis, wie die "Deutschen Prophezeiungen
über sieben Jahrhunderte hin" und die Antwort auf die Berliner Erklärung
Wider den Allgemeinen dentschen Sprachverein; beide sind den Lesern der
Grenzboten wohl bekannt.

Obwohl auch die ältern Aufsätze alle ohne Ausnahme ganz besonders dein
Lehrer des Deutschen reiche Anregung und Förderung bieten, so ist doch mir
einer von ihnen zuerst in einer eigentlich pädagogischen Zeitschrift erschienen,
eine inhaltreiche Betrachtung über die Stilübung als Kunstarbeit, die im
fünften Hefte der Lehrproben und Lehrgänge von Frick und Richter steht. Im
Jahre 1887 trat unter Hildebrands hervorragender Mitwirkung die Lhvnsche
Zeitschrift für den deutschen Unterricht ins Leben. Die lebhafte Teilnahme,
mit der diese allerorten aufgenommen wurde, gab deutliches Zeugnis von dem
frischen Leben, das heute auf dem Gebiete des deutschen Unterrichts herrscht.
Auch bei diesem erfreulichen Aufschwünge ist der Einfluß Hildebrands unver¬
kennbar. Besonders sein Buch über den deutschen Unterricht hat seine Ge¬
danken in weitere Kreise getragen und überall fruchtbare Nnregnngen verbreitet.
Daher die freudige Zustimmung beim Erscheinen der Zeitschrift. Es handelte
sich hier in erster Linie nicht um die änßere Stellung des Dentschen im Lehr¬
plane, obwohl auch hier manche berechtigten Wünsche am Platze wären, sondern
vor allem um eine Erneuerung von innen heraus, um den Ausbau und die
lebendige, fruchtbare Gestaltung des Unterrichts auf der gebotenen Grundlage.
Für diese gemeinsame Arbeit sollte ein Sammelplatz geschaffen werden, und
es ist gewiß nicht das geringste Verdienst der jungen Zeitschrift, daß sie anch
den Meister selbst zu unmittelbarer eifriger Mitarbeit und zu reichen Mit¬
teilungen aus dem Schatze seiner Erfahrung und Forschung veranlaßt hat.
Eine Anzahl der in den ersten Jahrgängen der Zeitschrift veröffentlichten Auf¬
sätze finden wir in unsrer Sammlung vereinigt.

Wissenschaft, Schule und Leben -- das sind drei Gebiete, die nach den
einfältigen Anschauungen eines gesunden Sinnes von Rechts wegen in engster
Wechselbeziehung steheu sollten. Und doch scheint es manchmal, als arbeitete
mau mit größerm Eifer daran, die Grenzen recht erkennbar zu ziehen oder
gar unübersteigbar zu machen, als an der Erleichterung friedlichen Verkehrs.


doch der Führer überall die Augen zu öffnen für tausend sonst unbeachtete
Dinge, die sehenswert find.

Eine „gedrängte Inhaltsangabe" wird der Leser hier nicht von uns er¬
warten, denn jeder, der Hildebrands Art kennt, weiß auch, daß sich seine
Arbeiten nicht „e^eerpiren" lassen im gewöhnlichen Sinne; sie wollen eben ge¬
lesen sein. Nach dem Gesagten bedarf es kaum noch besondrer Erwähnung,
daß die Sammlung auch für einen größern .Kreis gebildeter Leser keineswegs
ein Buch mit sieben Siegeln ist, wie das sonst in Deutschland vom wissen¬
schaftlichem Schrifttum hänfiger gilt als anderswo. Einige der Aufsätze
wenden sich gleich an einen solchen Kreis, wie die „Deutschen Prophezeiungen
über sieben Jahrhunderte hin" und die Antwort auf die Berliner Erklärung
Wider den Allgemeinen dentschen Sprachverein; beide sind den Lesern der
Grenzboten wohl bekannt.

Obwohl auch die ältern Aufsätze alle ohne Ausnahme ganz besonders dein
Lehrer des Deutschen reiche Anregung und Förderung bieten, so ist doch mir
einer von ihnen zuerst in einer eigentlich pädagogischen Zeitschrift erschienen,
eine inhaltreiche Betrachtung über die Stilübung als Kunstarbeit, die im
fünften Hefte der Lehrproben und Lehrgänge von Frick und Richter steht. Im
Jahre 1887 trat unter Hildebrands hervorragender Mitwirkung die Lhvnsche
Zeitschrift für den deutschen Unterricht ins Leben. Die lebhafte Teilnahme,
mit der diese allerorten aufgenommen wurde, gab deutliches Zeugnis von dem
frischen Leben, das heute auf dem Gebiete des deutschen Unterrichts herrscht.
Auch bei diesem erfreulichen Aufschwünge ist der Einfluß Hildebrands unver¬
kennbar. Besonders sein Buch über den deutschen Unterricht hat seine Ge¬
danken in weitere Kreise getragen und überall fruchtbare Nnregnngen verbreitet.
Daher die freudige Zustimmung beim Erscheinen der Zeitschrift. Es handelte
sich hier in erster Linie nicht um die änßere Stellung des Dentschen im Lehr¬
plane, obwohl auch hier manche berechtigten Wünsche am Platze wären, sondern
vor allem um eine Erneuerung von innen heraus, um den Ausbau und die
lebendige, fruchtbare Gestaltung des Unterrichts auf der gebotenen Grundlage.
Für diese gemeinsame Arbeit sollte ein Sammelplatz geschaffen werden, und
es ist gewiß nicht das geringste Verdienst der jungen Zeitschrift, daß sie anch
den Meister selbst zu unmittelbarer eifriger Mitarbeit und zu reichen Mit¬
teilungen aus dem Schatze seiner Erfahrung und Forschung veranlaßt hat.
Eine Anzahl der in den ersten Jahrgängen der Zeitschrift veröffentlichten Auf¬
sätze finden wir in unsrer Sammlung vereinigt.

Wissenschaft, Schule und Leben — das sind drei Gebiete, die nach den
einfältigen Anschauungen eines gesunden Sinnes von Rechts wegen in engster
Wechselbeziehung steheu sollten. Und doch scheint es manchmal, als arbeitete
mau mit größerm Eifer daran, die Grenzen recht erkennbar zu ziehen oder
gar unübersteigbar zu machen, als an der Erleichterung friedlichen Verkehrs.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/150>, abgerufen am 04.07.2024.