Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.weitere Rciudbemerkungeil zur Dezemberkoiiferenz jedoch ohne Scheu, daß unter seinen eignen Schulleistnngen der lateinische Aufsatz Nicht in die Form der Klage, sondern des Wunsches kleidet seine Be¬ Das sind einleuchtende, doch in weiten Kreisen ziemlich unbekannte Ge¬ weitere Rciudbemerkungeil zur Dezemberkoiiferenz jedoch ohne Scheu, daß unter seinen eignen Schulleistnngen der lateinische Aufsatz Nicht in die Form der Klage, sondern des Wunsches kleidet seine Be¬ Das sind einleuchtende, doch in weiten Kreisen ziemlich unbekannte Ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0136" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/210003"/> <fw type="header" place="top"> weitere Rciudbemerkungeil zur Dezemberkoiiferenz</fw><lb/> <p xml:id="ID_352" prev="#ID_351"> jedoch ohne Scheu, daß unter seinen eignen Schulleistnngen der lateinische Aufsatz<lb/> immer die schwächste gewesen sei (S. 205 bis 207).</p><lb/> <p xml:id="ID_353"> Nicht in die Form der Klage, sondern des Wunsches kleidet seine Be¬<lb/> merkungen der militärische Vertreter des Kriegsministers, Major Fleck. Der<lb/> Offizier muß des Wortes mächtig sein, wenn er der Erzieher der Mannschaft<lb/> sein soll! In den höhern Stäben und in der Kriegsakademie muß es Offiziere<lb/> geben, die imstande sind, kriegswissenschaftliche Dinge „in knapper, fesselnder<lb/> und überzeugender Form" darzustellen! Endlich hat der Führer im Felde,<lb/> heute mehr als vordem, selber zu urteilen, selber zu entscheiden. Da gilt es,<lb/> meist in kurzer Zeit, seiue Anordnungen kundzugeben, und das muß wiederum<lb/> in knapper, erschöpfender und jeden Zweifel ausschließender Weise geschehen!<lb/> (S. 227 bis 228).</p><lb/> <p xml:id="ID_354" next="#ID_355"> Das sind einleuchtende, doch in weiten Kreisen ziemlich unbekannte Ge¬<lb/> sichtspunkte. Was den meisten als guter Stil erscheint, das ist ja in Wahr¬<lb/> heit oft nur verblümter Unsinn. Diesem Aberglauben zu steuern ist dem<lb/> Gymnasium bis jetzt nicht sonderlich gelungen; ja man hat es angeklagt, hie<lb/> und da den Unrat noch künstlich vermehrt zu haben. Genug, was hat nun¬<lb/> mehr zu geschehen, damit sich der Schüler den: Ideal eines guten Stils<lb/> „knapp, fesselnd und überzeugend" — es ist ein männliches Ideal — möglichst<lb/> nähere und sich von den Ungezogenheiten des Zeitnngsstiles und fügen wir<lb/> hinzu: des parlamentarischen Jargons, von dem auch die Verhandlungen recht<lb/> ansehnliche Proben geben, nicht anstecken lasse: „Auf den Unterricht im<lb/> Deutschen ist unter allen Umständen der größte Nachdruck zu legen, die<lb/> Stundenzahl, soweit thunlich, zu vermehren, vor allem aber die Vervollkomm¬<lb/> nung des deutschen Ausdrucks in allen Lehrstunden und insbesondre bei den<lb/> Übersetzungen aus den fremden Sprachen zu erstreben." Daß eine bloße Ver¬<lb/> mehrung der deutschen Unterrichtsstunden geradezu vom Übel sein könne, hat<lb/> mit Recht Uhlig betont (S. 171). „Über nichts läßt sich leichter sprechen,<lb/> kein Unterricht aber läßt sich schwieriger erteilen," so Matthias (S. 282), der<lb/> auf der letzten rheinischen Direktorenkonferenz bewiesen hat, daß ihm ein Urteil<lb/> hierüber zusteht. Alle Sprachlehrer an Gymnasien, auch die Lateiner, die<lb/> Griechen, die Franzosen, sollten germanistische Vorlesungen gehört haben! eine<lb/> hochbedeutsame Forderung Uhligs (S. 614). Jedes Unterrichtsfach müßte seinen<lb/> deutschen Aufsatz haben, wie es in kleinerm Umfange hie und da schon geschieht<lb/> is. 425 und 524); es leuchtet ein, daß die freier gestalteten Gymnasien der<lb/> Zukunft, in denen nicht mehr Schüler und Lehrer an dem unbarmherzigen<lb/> Nebeneinander von lateinischen und deutschen Aufsätzen, von lateinischen,<lb/> griechischen, frauzöstscheu und mathematischen Extemporalien und Exerzitien<lb/> ersticken werden, daß also dort der Herzschlag jedes Unterrichts deutsch sein<lb/> und Deutsch im Mittelpunkte des gesamten Unterrichts stehen kann, anch wenn<lb/> in Prima keine Stunde deutschen Unterrichts gegeben werden sollte. Hier</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0136]
weitere Rciudbemerkungeil zur Dezemberkoiiferenz
jedoch ohne Scheu, daß unter seinen eignen Schulleistnngen der lateinische Aufsatz
immer die schwächste gewesen sei (S. 205 bis 207).
Nicht in die Form der Klage, sondern des Wunsches kleidet seine Be¬
merkungen der militärische Vertreter des Kriegsministers, Major Fleck. Der
Offizier muß des Wortes mächtig sein, wenn er der Erzieher der Mannschaft
sein soll! In den höhern Stäben und in der Kriegsakademie muß es Offiziere
geben, die imstande sind, kriegswissenschaftliche Dinge „in knapper, fesselnder
und überzeugender Form" darzustellen! Endlich hat der Führer im Felde,
heute mehr als vordem, selber zu urteilen, selber zu entscheiden. Da gilt es,
meist in kurzer Zeit, seiue Anordnungen kundzugeben, und das muß wiederum
in knapper, erschöpfender und jeden Zweifel ausschließender Weise geschehen!
(S. 227 bis 228).
Das sind einleuchtende, doch in weiten Kreisen ziemlich unbekannte Ge¬
sichtspunkte. Was den meisten als guter Stil erscheint, das ist ja in Wahr¬
heit oft nur verblümter Unsinn. Diesem Aberglauben zu steuern ist dem
Gymnasium bis jetzt nicht sonderlich gelungen; ja man hat es angeklagt, hie
und da den Unrat noch künstlich vermehrt zu haben. Genug, was hat nun¬
mehr zu geschehen, damit sich der Schüler den: Ideal eines guten Stils
„knapp, fesselnd und überzeugend" — es ist ein männliches Ideal — möglichst
nähere und sich von den Ungezogenheiten des Zeitnngsstiles und fügen wir
hinzu: des parlamentarischen Jargons, von dem auch die Verhandlungen recht
ansehnliche Proben geben, nicht anstecken lasse: „Auf den Unterricht im
Deutschen ist unter allen Umständen der größte Nachdruck zu legen, die
Stundenzahl, soweit thunlich, zu vermehren, vor allem aber die Vervollkomm¬
nung des deutschen Ausdrucks in allen Lehrstunden und insbesondre bei den
Übersetzungen aus den fremden Sprachen zu erstreben." Daß eine bloße Ver¬
mehrung der deutschen Unterrichtsstunden geradezu vom Übel sein könne, hat
mit Recht Uhlig betont (S. 171). „Über nichts läßt sich leichter sprechen,
kein Unterricht aber läßt sich schwieriger erteilen," so Matthias (S. 282), der
auf der letzten rheinischen Direktorenkonferenz bewiesen hat, daß ihm ein Urteil
hierüber zusteht. Alle Sprachlehrer an Gymnasien, auch die Lateiner, die
Griechen, die Franzosen, sollten germanistische Vorlesungen gehört haben! eine
hochbedeutsame Forderung Uhligs (S. 614). Jedes Unterrichtsfach müßte seinen
deutschen Aufsatz haben, wie es in kleinerm Umfange hie und da schon geschieht
is. 425 und 524); es leuchtet ein, daß die freier gestalteten Gymnasien der
Zukunft, in denen nicht mehr Schüler und Lehrer an dem unbarmherzigen
Nebeneinander von lateinischen und deutschen Aufsätzen, von lateinischen,
griechischen, frauzöstscheu und mathematischen Extemporalien und Exerzitien
ersticken werden, daß also dort der Herzschlag jedes Unterrichts deutsch sein
und Deutsch im Mittelpunkte des gesamten Unterrichts stehen kann, anch wenn
in Prima keine Stunde deutschen Unterrichts gegeben werden sollte. Hier
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |