Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

Französisch fakultativ machen könne" -- in den obern Klassen, versteht sich --,
die fakultativen Stunden aber mit desto tüchtigem Lehrern besetzen müssen.
Wir wollen das Gymnasium einmal Mvmmseuschnle nennen, der Kürze
halber. Deal wenn wir weiterhin von einer Boeckh-, einer Grimm-, einer
Hclmholtzschnle reden, so wird es nicht vieler Worte bedürfen, um zu sagen,
was gemeint ist. Dies alles sind noch Gymnasien, das heißt Schulen, die auf
heimatlichen Boden, unter deutschem Himmel, in der Luft des Jahrhunderts
erwachsend, ihre Wurzel" doch weit und tief hineintreiben in das ewig unans-
gesogne Erdreich antiken Geisteslebens, mit einem Worte: denen Homer ge¬
meinsam ist; aber sie fügen dein, die einen mit mehr, die andern mit weniger
Nachdruck römische, ätherische, deutsche und endlich naturwissenschaftliche Vil-
dnngselemente hinzu. Mit dein "Zwaugskurs des Homer" darf man uns nicht
schrecken wollen: es müßte ein Ungeheuer von Lehrer sein, dem es gelänge,
seinen Primanern die Ilias zu verleiden. Die genannte" Type" aber sind "och
mannigfacher Abwandlung fähig. Wohl dem Gymnasium, das in einem Kolle-
gium Material böte zu alleu vieren! Hier würde eine weise Regierung nichts
besseres thun können, als Lehrer und Schüler gewähren zu lassen. Feststehen
müßten nur gewisse Hauptförderungen; das Schlnßexamen ließe sich -- eine
Zwischenprüfung in der Sekunda vorausgesetzt -- recht wohl auf Lateinisch,
Griechisch, Mathematik und Physik") einschränken. Dann würden sich, nach
tiefern Gesetzen, als sie ein noch so großer Organisator in seiner Gewalt hat,
um den einzelnen Lehrer lernbegierige Gruppen bilden, denen das Gefühl der
Überbürdung, richtiger ausgedrückt: der Schulekel fremd wäre. Nur eins wäre
sorgsam zu verhüten: alle Übergriffe in die Universität, alles Eingehen ans
lediglich hypothetische Dinge, alles Verfolgen rein gelehrter Einzelheiten. Dann
wird später kein Arzt bedauern auf der Mommsenschule gesessen zu haben und
die Helmholtzschule kein späterer Philologe verwünschen.

Neben diesen Gymnasien stünden dann in ungleich größerer Anzahl
Schulen mit ausgesprochner Vorliebe sür die modernem Bildungselemente,
ganz überwiegend siebenjährigen Lehrganges; nnter den neunjährigen ließen
sich vielleicht zwei Typen unterscheiden: die Stephanschnle, hier würden die
internationalen und die überseeischen Interessen, vor allem die beiden großen
Weltsprachen, Französisch und Englisch, einen breiten Raum einnehme", u"d
die Siemensschule -- der Name spricht wohl für sich selber.

Mau wird, mit verschiednen Empfindungen fürcht ich, bemerkt haben:
unter den aufgezählten Typen fehlt das Realgymnasium. Es ist ein geflügeltes



Dieser Gedanke unterscheidet sich von dem auf der Konferenz durch Geheimrat Klix
(S. L73) empfohlenen, dnrch Paulsen, Uhlig, Volkmanu u. ni. (S. 677) unterstützten, leider
dann uicht zum Beschluß echvbeuen nur durch den Zusatz "Physik." Ich denke dabei weniger
an einen besondern PrnfungSgegenstand, als an eine innigere Vevbindnng von Mathematik
und Phhsik.

Französisch fakultativ machen könne» — in den obern Klassen, versteht sich —,
die fakultativen Stunden aber mit desto tüchtigem Lehrern besetzen müssen.
Wir wollen das Gymnasium einmal Mvmmseuschnle nennen, der Kürze
halber. Deal wenn wir weiterhin von einer Boeckh-, einer Grimm-, einer
Hclmholtzschnle reden, so wird es nicht vieler Worte bedürfen, um zu sagen,
was gemeint ist. Dies alles sind noch Gymnasien, das heißt Schulen, die auf
heimatlichen Boden, unter deutschem Himmel, in der Luft des Jahrhunderts
erwachsend, ihre Wurzel» doch weit und tief hineintreiben in das ewig unans-
gesogne Erdreich antiken Geisteslebens, mit einem Worte: denen Homer ge¬
meinsam ist; aber sie fügen dein, die einen mit mehr, die andern mit weniger
Nachdruck römische, ätherische, deutsche und endlich naturwissenschaftliche Vil-
dnngselemente hinzu. Mit dein „Zwaugskurs des Homer" darf man uns nicht
schrecken wollen: es müßte ein Ungeheuer von Lehrer sein, dem es gelänge,
seinen Primanern die Ilias zu verleiden. Die genannte» Type» aber sind »och
mannigfacher Abwandlung fähig. Wohl dem Gymnasium, das in einem Kolle-
gium Material böte zu alleu vieren! Hier würde eine weise Regierung nichts
besseres thun können, als Lehrer und Schüler gewähren zu lassen. Feststehen
müßten nur gewisse Hauptförderungen; das Schlnßexamen ließe sich — eine
Zwischenprüfung in der Sekunda vorausgesetzt — recht wohl auf Lateinisch,
Griechisch, Mathematik und Physik") einschränken. Dann würden sich, nach
tiefern Gesetzen, als sie ein noch so großer Organisator in seiner Gewalt hat,
um den einzelnen Lehrer lernbegierige Gruppen bilden, denen das Gefühl der
Überbürdung, richtiger ausgedrückt: der Schulekel fremd wäre. Nur eins wäre
sorgsam zu verhüten: alle Übergriffe in die Universität, alles Eingehen ans
lediglich hypothetische Dinge, alles Verfolgen rein gelehrter Einzelheiten. Dann
wird später kein Arzt bedauern auf der Mommsenschule gesessen zu haben und
die Helmholtzschule kein späterer Philologe verwünschen.

Neben diesen Gymnasien stünden dann in ungleich größerer Anzahl
Schulen mit ausgesprochner Vorliebe sür die modernem Bildungselemente,
ganz überwiegend siebenjährigen Lehrganges; nnter den neunjährigen ließen
sich vielleicht zwei Typen unterscheiden: die Stephanschnle, hier würden die
internationalen und die überseeischen Interessen, vor allem die beiden großen
Weltsprachen, Französisch und Englisch, einen breiten Raum einnehme», u»d
die Siemensschule — der Name spricht wohl für sich selber.

Mau wird, mit verschiednen Empfindungen fürcht ich, bemerkt haben:
unter den aufgezählten Typen fehlt das Realgymnasium. Es ist ein geflügeltes



Dieser Gedanke unterscheidet sich von dem auf der Konferenz durch Geheimrat Klix
(S. L73) empfohlenen, dnrch Paulsen, Uhlig, Volkmanu u. ni. (S. 677) unterstützten, leider
dann uicht zum Beschluß echvbeuen nur durch den Zusatz „Physik." Ich denke dabei weniger
an einen besondern PrnfungSgegenstand, als an eine innigere Vevbindnng von Mathematik
und Phhsik.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0132" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/209999"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_341" prev="#ID_340"> Französisch fakultativ machen könne» &#x2014; in den obern Klassen, versteht sich &#x2014;,<lb/>
die fakultativen Stunden aber mit desto tüchtigem Lehrern besetzen müssen.<lb/>
Wir wollen das Gymnasium einmal Mvmmseuschnle nennen, der Kürze<lb/>
halber. Deal wenn wir weiterhin von einer Boeckh-, einer Grimm-, einer<lb/>
Hclmholtzschnle reden, so wird es nicht vieler Worte bedürfen, um zu sagen,<lb/>
was gemeint ist. Dies alles sind noch Gymnasien, das heißt Schulen, die auf<lb/>
heimatlichen Boden, unter deutschem Himmel, in der Luft des Jahrhunderts<lb/>
erwachsend, ihre Wurzel» doch weit und tief hineintreiben in das ewig unans-<lb/>
gesogne Erdreich antiken Geisteslebens, mit einem Worte: denen Homer ge¬<lb/>
meinsam ist; aber sie fügen dein, die einen mit mehr, die andern mit weniger<lb/>
Nachdruck römische, ätherische, deutsche und endlich naturwissenschaftliche Vil-<lb/>
dnngselemente hinzu. Mit dein &#x201E;Zwaugskurs des Homer" darf man uns nicht<lb/>
schrecken wollen: es müßte ein Ungeheuer von Lehrer sein, dem es gelänge,<lb/>
seinen Primanern die Ilias zu verleiden. Die genannte» Type» aber sind »och<lb/>
mannigfacher Abwandlung fähig. Wohl dem Gymnasium, das in einem Kolle-<lb/>
gium Material böte zu alleu vieren! Hier würde eine weise Regierung nichts<lb/>
besseres thun können, als Lehrer und Schüler gewähren zu lassen. Feststehen<lb/>
müßten nur gewisse Hauptförderungen; das Schlnßexamen ließe sich &#x2014; eine<lb/>
Zwischenprüfung in der Sekunda vorausgesetzt &#x2014; recht wohl auf Lateinisch,<lb/>
Griechisch, Mathematik und Physik") einschränken. Dann würden sich, nach<lb/>
tiefern Gesetzen, als sie ein noch so großer Organisator in seiner Gewalt hat,<lb/>
um den einzelnen Lehrer lernbegierige Gruppen bilden, denen das Gefühl der<lb/>
Überbürdung, richtiger ausgedrückt: der Schulekel fremd wäre. Nur eins wäre<lb/>
sorgsam zu verhüten: alle Übergriffe in die Universität, alles Eingehen ans<lb/>
lediglich hypothetische Dinge, alles Verfolgen rein gelehrter Einzelheiten. Dann<lb/>
wird später kein Arzt bedauern auf der Mommsenschule gesessen zu haben und<lb/>
die Helmholtzschule kein späterer Philologe verwünschen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_342"> Neben diesen Gymnasien stünden dann in ungleich größerer Anzahl<lb/>
Schulen mit ausgesprochner Vorliebe sür die modernem Bildungselemente,<lb/>
ganz überwiegend siebenjährigen Lehrganges; nnter den neunjährigen ließen<lb/>
sich vielleicht zwei Typen unterscheiden: die Stephanschnle, hier würden die<lb/>
internationalen und die überseeischen Interessen, vor allem die beiden großen<lb/>
Weltsprachen, Französisch und Englisch, einen breiten Raum einnehme», u»d<lb/>
die Siemensschule &#x2014; der Name spricht wohl für sich selber.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_343" next="#ID_344"> Mau wird, mit verschiednen Empfindungen fürcht ich, bemerkt haben:<lb/>
unter den aufgezählten Typen fehlt das Realgymnasium. Es ist ein geflügeltes</p><lb/>
          <note xml:id="FID_10" place="foot"> Dieser Gedanke unterscheidet sich von dem auf der Konferenz durch Geheimrat Klix<lb/>
(S. L73) empfohlenen, dnrch Paulsen, Uhlig, Volkmanu u. ni. (S. 677) unterstützten, leider<lb/>
dann uicht zum Beschluß echvbeuen nur durch den Zusatz &#x201E;Physik." Ich denke dabei weniger<lb/>
an einen besondern PrnfungSgegenstand, als an eine innigere Vevbindnng von Mathematik<lb/>
und Phhsik.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0132] Französisch fakultativ machen könne» — in den obern Klassen, versteht sich —, die fakultativen Stunden aber mit desto tüchtigem Lehrern besetzen müssen. Wir wollen das Gymnasium einmal Mvmmseuschnle nennen, der Kürze halber. Deal wenn wir weiterhin von einer Boeckh-, einer Grimm-, einer Hclmholtzschnle reden, so wird es nicht vieler Worte bedürfen, um zu sagen, was gemeint ist. Dies alles sind noch Gymnasien, das heißt Schulen, die auf heimatlichen Boden, unter deutschem Himmel, in der Luft des Jahrhunderts erwachsend, ihre Wurzel» doch weit und tief hineintreiben in das ewig unans- gesogne Erdreich antiken Geisteslebens, mit einem Worte: denen Homer ge¬ meinsam ist; aber sie fügen dein, die einen mit mehr, die andern mit weniger Nachdruck römische, ätherische, deutsche und endlich naturwissenschaftliche Vil- dnngselemente hinzu. Mit dein „Zwaugskurs des Homer" darf man uns nicht schrecken wollen: es müßte ein Ungeheuer von Lehrer sein, dem es gelänge, seinen Primanern die Ilias zu verleiden. Die genannte» Type» aber sind »och mannigfacher Abwandlung fähig. Wohl dem Gymnasium, das in einem Kolle- gium Material böte zu alleu vieren! Hier würde eine weise Regierung nichts besseres thun können, als Lehrer und Schüler gewähren zu lassen. Feststehen müßten nur gewisse Hauptförderungen; das Schlnßexamen ließe sich — eine Zwischenprüfung in der Sekunda vorausgesetzt — recht wohl auf Lateinisch, Griechisch, Mathematik und Physik") einschränken. Dann würden sich, nach tiefern Gesetzen, als sie ein noch so großer Organisator in seiner Gewalt hat, um den einzelnen Lehrer lernbegierige Gruppen bilden, denen das Gefühl der Überbürdung, richtiger ausgedrückt: der Schulekel fremd wäre. Nur eins wäre sorgsam zu verhüten: alle Übergriffe in die Universität, alles Eingehen ans lediglich hypothetische Dinge, alles Verfolgen rein gelehrter Einzelheiten. Dann wird später kein Arzt bedauern auf der Mommsenschule gesessen zu haben und die Helmholtzschule kein späterer Philologe verwünschen. Neben diesen Gymnasien stünden dann in ungleich größerer Anzahl Schulen mit ausgesprochner Vorliebe sür die modernem Bildungselemente, ganz überwiegend siebenjährigen Lehrganges; nnter den neunjährigen ließen sich vielleicht zwei Typen unterscheiden: die Stephanschnle, hier würden die internationalen und die überseeischen Interessen, vor allem die beiden großen Weltsprachen, Französisch und Englisch, einen breiten Raum einnehme», u»d die Siemensschule — der Name spricht wohl für sich selber. Mau wird, mit verschiednen Empfindungen fürcht ich, bemerkt haben: unter den aufgezählten Typen fehlt das Realgymnasium. Es ist ein geflügeltes Dieser Gedanke unterscheidet sich von dem auf der Konferenz durch Geheimrat Klix (S. L73) empfohlenen, dnrch Paulsen, Uhlig, Volkmanu u. ni. (S. 677) unterstützten, leider dann uicht zum Beschluß echvbeuen nur durch den Zusatz „Physik." Ich denke dabei weniger an einen besondern PrnfungSgegenstand, als an eine innigere Vevbindnng von Mathematik und Phhsik.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/132
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/132>, abgerufen am 24.07.2024.