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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Lin Stceifzug durch das Gestrüpp der Frauenfrage

daß sie auch in größerer Vervollkommnung im Privatleben Verwertung finden
würden. Die Praxis in den beiden andern Fächern führt mehr ins öffent¬
liche Leben, aber auch sie sind weniger gefährlich, als es den Anschein hat.
Beweist doch schon heute eine beträchtliche Anzahl sehr geschätzter und ge¬
suchter Frauen, daß sie tüchtige medizinische Kenntnisse auf verschiedene Weise
zu verwerten vermögen, ohne deshalb den Ärzten Konkurrenz zu machen.
Auch im Verwaltungsdienst würde sich manche Stellung finden, die eine Frau
vermöge der in ihrem natürlichen Wirkungskreise gesammelten Erfahrungen
und ihrer angeborenen, zunächst nur im Verwalter des Hauses verwerteten
Talente besser auszufüllen imstande ist, als ein Main?, der kaum die Studir-
stube verlassen hat. Die, denen die Unabhängigkeit erhalten bleibt, könnten
sich jener kleinen Schar von Privatgelehrten zugesellen, denen eine gesicherte
Lebensstellung die Muße gönnt, sich der Erforschung von Gebieten zu widmen,
denen der von seiner Arbeit lebende Gelehrte fern bleiben muß. Andre Be¬
strebungen würden dem Kampf, den die Frauen jetzt zu führen haben, nur
eine andre Richtung geben, da alle von ihnen erstrebten Verufsklasfen schon
jetzt ohne den Beitrag aus ihren Reihen überfüllt siud. Ich glaube, zur
Ehre des weiblichen Geschlechtes versichern zu dürfen, daß es den Guten dar¬
unter weniger um den Doktorhut, um Professoren- und andre Titel, als um
die ernste Sache selbst zu thun ist. Und diese würde unter der Ausführung
des jetzt von den Frauen aufgestellten Programms uur leiden, denn "der ge¬
steigerte Kampf innerhalb der einzelnen Bernfsformcn würde das wissenschaft¬
liche Niveau in den gelehrten Berufen nicht heben, sondern durch stärkere
Vermehrung des Gelehrtenproletariats Herabdrücken." Mögen immerhin einzelne,
durch besondre Begabung verlockt und berechtigt, darin eine Ausnahme machen --
zur Regel wird diese nicht werden. Die wenigen, die vergessen, daß es ihnen
zwar nicht schwer füllt, unweiblich zu sein, daß sie aber dadurch ebensowenig
männlich werden, wie ein unmännlicher Mann weiblich ist, brauchen uns nicht
zu kümmern. Man sagt wohl einmal: sie hat einen mämilicheu Geist, aber
dann meint man uur deu Geist und nicht darumgehängten Firlefanz. Der
Frau sollte ebenso gut wie dem Manne alles erlaubt sein, was sich mit ihrer
Pflicht verträgt; aber über ihre Pflicht darf sie sich nicht täuschen. Auf
geistigem Gebiete besteht sie im Kampf gegen den Pessimismus und die nimmer¬
müde, zersetzende Kritik, den sie umso siegreicher führen wird, je zufriedener
und glücklicher sie sich fühlt. Auch "Mutterwitz, schalkhafte Heiterkeit und
der individuelle Reiz des Frauengemüts," denen jetzt ein verfrühtes Grablied
erklingt, werden wieder so fröhlich blühn, wie in der guten, alten Zeit, wo
es sicher neben ruhigen, vernünftigen nicht weniger übergeschnappte Personen
beiderlei Geschlechts gegeben hat, wie es solche jetzt giebt und immer geben wird.

Zum Schluß bitte ich um Entschuldigung, daß ich in einer Zeit, wo
mau eigentlich nur vou den Rechten der Frau reden darf, so oft von ihren


Lin Stceifzug durch das Gestrüpp der Frauenfrage

daß sie auch in größerer Vervollkommnung im Privatleben Verwertung finden
würden. Die Praxis in den beiden andern Fächern führt mehr ins öffent¬
liche Leben, aber auch sie sind weniger gefährlich, als es den Anschein hat.
Beweist doch schon heute eine beträchtliche Anzahl sehr geschätzter und ge¬
suchter Frauen, daß sie tüchtige medizinische Kenntnisse auf verschiedene Weise
zu verwerten vermögen, ohne deshalb den Ärzten Konkurrenz zu machen.
Auch im Verwaltungsdienst würde sich manche Stellung finden, die eine Frau
vermöge der in ihrem natürlichen Wirkungskreise gesammelten Erfahrungen
und ihrer angeborenen, zunächst nur im Verwalter des Hauses verwerteten
Talente besser auszufüllen imstande ist, als ein Main?, der kaum die Studir-
stube verlassen hat. Die, denen die Unabhängigkeit erhalten bleibt, könnten
sich jener kleinen Schar von Privatgelehrten zugesellen, denen eine gesicherte
Lebensstellung die Muße gönnt, sich der Erforschung von Gebieten zu widmen,
denen der von seiner Arbeit lebende Gelehrte fern bleiben muß. Andre Be¬
strebungen würden dem Kampf, den die Frauen jetzt zu führen haben, nur
eine andre Richtung geben, da alle von ihnen erstrebten Verufsklasfen schon
jetzt ohne den Beitrag aus ihren Reihen überfüllt siud. Ich glaube, zur
Ehre des weiblichen Geschlechtes versichern zu dürfen, daß es den Guten dar¬
unter weniger um den Doktorhut, um Professoren- und andre Titel, als um
die ernste Sache selbst zu thun ist. Und diese würde unter der Ausführung
des jetzt von den Frauen aufgestellten Programms uur leiden, denn „der ge¬
steigerte Kampf innerhalb der einzelnen Bernfsformcn würde das wissenschaft¬
liche Niveau in den gelehrten Berufen nicht heben, sondern durch stärkere
Vermehrung des Gelehrtenproletariats Herabdrücken." Mögen immerhin einzelne,
durch besondre Begabung verlockt und berechtigt, darin eine Ausnahme machen —
zur Regel wird diese nicht werden. Die wenigen, die vergessen, daß es ihnen
zwar nicht schwer füllt, unweiblich zu sein, daß sie aber dadurch ebensowenig
männlich werden, wie ein unmännlicher Mann weiblich ist, brauchen uns nicht
zu kümmern. Man sagt wohl einmal: sie hat einen mämilicheu Geist, aber
dann meint man uur deu Geist und nicht darumgehängten Firlefanz. Der
Frau sollte ebenso gut wie dem Manne alles erlaubt sein, was sich mit ihrer
Pflicht verträgt; aber über ihre Pflicht darf sie sich nicht täuschen. Auf
geistigem Gebiete besteht sie im Kampf gegen den Pessimismus und die nimmer¬
müde, zersetzende Kritik, den sie umso siegreicher führen wird, je zufriedener
und glücklicher sie sich fühlt. Auch „Mutterwitz, schalkhafte Heiterkeit und
der individuelle Reiz des Frauengemüts," denen jetzt ein verfrühtes Grablied
erklingt, werden wieder so fröhlich blühn, wie in der guten, alten Zeit, wo
es sicher neben ruhigen, vernünftigen nicht weniger übergeschnappte Personen
beiderlei Geschlechts gegeben hat, wie es solche jetzt giebt und immer geben wird.

Zum Schluß bitte ich um Entschuldigung, daß ich in einer Zeit, wo
mau eigentlich nur vou den Rechten der Frau reden darf, so oft von ihren


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[0101] Lin Stceifzug durch das Gestrüpp der Frauenfrage daß sie auch in größerer Vervollkommnung im Privatleben Verwertung finden würden. Die Praxis in den beiden andern Fächern führt mehr ins öffent¬ liche Leben, aber auch sie sind weniger gefährlich, als es den Anschein hat. Beweist doch schon heute eine beträchtliche Anzahl sehr geschätzter und ge¬ suchter Frauen, daß sie tüchtige medizinische Kenntnisse auf verschiedene Weise zu verwerten vermögen, ohne deshalb den Ärzten Konkurrenz zu machen. Auch im Verwaltungsdienst würde sich manche Stellung finden, die eine Frau vermöge der in ihrem natürlichen Wirkungskreise gesammelten Erfahrungen und ihrer angeborenen, zunächst nur im Verwalter des Hauses verwerteten Talente besser auszufüllen imstande ist, als ein Main?, der kaum die Studir- stube verlassen hat. Die, denen die Unabhängigkeit erhalten bleibt, könnten sich jener kleinen Schar von Privatgelehrten zugesellen, denen eine gesicherte Lebensstellung die Muße gönnt, sich der Erforschung von Gebieten zu widmen, denen der von seiner Arbeit lebende Gelehrte fern bleiben muß. Andre Be¬ strebungen würden dem Kampf, den die Frauen jetzt zu führen haben, nur eine andre Richtung geben, da alle von ihnen erstrebten Verufsklasfen schon jetzt ohne den Beitrag aus ihren Reihen überfüllt siud. Ich glaube, zur Ehre des weiblichen Geschlechtes versichern zu dürfen, daß es den Guten dar¬ unter weniger um den Doktorhut, um Professoren- und andre Titel, als um die ernste Sache selbst zu thun ist. Und diese würde unter der Ausführung des jetzt von den Frauen aufgestellten Programms uur leiden, denn „der ge¬ steigerte Kampf innerhalb der einzelnen Bernfsformcn würde das wissenschaft¬ liche Niveau in den gelehrten Berufen nicht heben, sondern durch stärkere Vermehrung des Gelehrtenproletariats Herabdrücken." Mögen immerhin einzelne, durch besondre Begabung verlockt und berechtigt, darin eine Ausnahme machen — zur Regel wird diese nicht werden. Die wenigen, die vergessen, daß es ihnen zwar nicht schwer füllt, unweiblich zu sein, daß sie aber dadurch ebensowenig männlich werden, wie ein unmännlicher Mann weiblich ist, brauchen uns nicht zu kümmern. Man sagt wohl einmal: sie hat einen mämilicheu Geist, aber dann meint man uur deu Geist und nicht darumgehängten Firlefanz. Der Frau sollte ebenso gut wie dem Manne alles erlaubt sein, was sich mit ihrer Pflicht verträgt; aber über ihre Pflicht darf sie sich nicht täuschen. Auf geistigem Gebiete besteht sie im Kampf gegen den Pessimismus und die nimmer¬ müde, zersetzende Kritik, den sie umso siegreicher führen wird, je zufriedener und glücklicher sie sich fühlt. Auch „Mutterwitz, schalkhafte Heiterkeit und der individuelle Reiz des Frauengemüts," denen jetzt ein verfrühtes Grablied erklingt, werden wieder so fröhlich blühn, wie in der guten, alten Zeit, wo es sicher neben ruhigen, vernünftigen nicht weniger übergeschnappte Personen beiderlei Geschlechts gegeben hat, wie es solche jetzt giebt und immer geben wird. Zum Schluß bitte ich um Entschuldigung, daß ich in einer Zeit, wo mau eigentlich nur vou den Rechten der Frau reden darf, so oft von ihren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/101>, abgerufen am 04.07.2024.