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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Allerhand Sprachduminheiteii

ausmachen. Namentlich das obzwar ist in seiner ausschließlichen Verwen¬
dung geradezu unausstehlich. Welchen Reichtum haben wir im Deutschen für
Konzessivsätze: obgleich, obschon, wenngleich, wenn auch, trotzdem daß
-- der Wiener kommt überall mit seinem obzwar.

Unerträglich für deutsche Ohren ist auch der Mißbrauch, den der Öster¬
reicher mit dem Pronomen jener treibt. Im guten Deutsch wird jeuer
mir in die Ferne weisend gebraucht, mit einem bald stärkeren, bald schwächeren
rhetorischen Beigeschmack; der Österreicher ist mit seinem jener überall statt
des einfachen demonstrativen der bei der Hand, vor Relativsätzen (diese Vor¬
lesungen haben uur einen bedingten Wert für jenen (den!), der selber Ein¬
sicht genug hat, um Dichterwerke ohne Beihilfe zu lesen und zu verstehen)
namentlich aber vor einem davon abhängigen Genetiv: der Orden der Domi¬
nikaner und jener (der!) der Franziskaner -- wir hoffen daß die Ausstellung
sich ebenso folgenreich erweise" werde wie jene (die!) von 1873 -- obgleich
die Gesamtzahl ihrer Kräfte jenen (denen!) des Feindes bedeutend nach¬
stand - - ein lwmo trägt das Monogramm Ludwig Krugs, eine Ma¬
donna jenes (das!) des Mareantvnio Raimondi -- so auffallend erschien dem
Tacitus die Art des deutschen Anbaus gegenüber jener (der!) der romanischen
Völker -- größere Gebäude, wie Kirchen und Seminare, dürfen für die Ge¬
sellschaft Jesu nur mit Erlaubnis des Generals, kleinere mit jener (der!)
des Provinzials errichtet werden u. s. w. Die letztere Anwendung, die vor dem
Genetiv, kann einem geradezu den Magen umkehren.

Eine ganze Reihe von Eigenheiten hat der Österreicher im Gebrauch der
Adverbien. Er sagt da und dort statt hie und da, im vorhinein statt
von vornherein, beiläufig statt ungefähr (bis zur höchsten Spitze ist es
beiläufig sechstausend Fuß -- dies ist beiläufig der Inhalt des amüsanten
Buches), während im Deutschen beiläufig nnr bedeuten kam? nebenbei, im
Vorbeigehen (beiläufig will ich bemerken). Neuerdings, das im Deutschen
nichts andres heißen kann als in neuerer Zeit (neuerdings ist der Apparat
noch wesentlich vervollkommnet worden) wird vom Österreicher auch anders
gebraucht, er schreibt es in dem Sinne von wiederum, nochmals, aber¬
mals, von neuem, z. V. es kommt mir uicht drauf an, oft gesagtes nener-
dings zusammenzustellen -- er hat mich hierdurch nenerdings zu Danke
verpflichtet -- in diesem Vortrage wird neuerdings die Frage unter¬
sucht -- es kam eine Schrift zur Verlesung, in der V. neuerdings für seine
Überzeugung eintrat. Für nnr noch sagt der Österreicher nnr mehr, z. B.
leidenschaftliche Gedichte von nur mehr geschichtlichem Wert -- alle Be¬
mühungen sind jetzt nur mehr darauf gerichtet -- sie halten es mit den Ita¬
lienern, die, wenn eine Grundform geschaffen war, sich ein für allemal dabei
beruhigten und nnr mehr in der Ausführung des Einzelne" ihr Erfiudnugs-
talent zu zeigen pflegten.


Allerhand Sprachduminheiteii

ausmachen. Namentlich das obzwar ist in seiner ausschließlichen Verwen¬
dung geradezu unausstehlich. Welchen Reichtum haben wir im Deutschen für
Konzessivsätze: obgleich, obschon, wenngleich, wenn auch, trotzdem daß
— der Wiener kommt überall mit seinem obzwar.

Unerträglich für deutsche Ohren ist auch der Mißbrauch, den der Öster¬
reicher mit dem Pronomen jener treibt. Im guten Deutsch wird jeuer
mir in die Ferne weisend gebraucht, mit einem bald stärkeren, bald schwächeren
rhetorischen Beigeschmack; der Österreicher ist mit seinem jener überall statt
des einfachen demonstrativen der bei der Hand, vor Relativsätzen (diese Vor¬
lesungen haben uur einen bedingten Wert für jenen (den!), der selber Ein¬
sicht genug hat, um Dichterwerke ohne Beihilfe zu lesen und zu verstehen)
namentlich aber vor einem davon abhängigen Genetiv: der Orden der Domi¬
nikaner und jener (der!) der Franziskaner — wir hoffen daß die Ausstellung
sich ebenso folgenreich erweise» werde wie jene (die!) von 1873 — obgleich
die Gesamtzahl ihrer Kräfte jenen (denen!) des Feindes bedeutend nach¬
stand - - ein lwmo trägt das Monogramm Ludwig Krugs, eine Ma¬
donna jenes (das!) des Mareantvnio Raimondi — so auffallend erschien dem
Tacitus die Art des deutschen Anbaus gegenüber jener (der!) der romanischen
Völker — größere Gebäude, wie Kirchen und Seminare, dürfen für die Ge¬
sellschaft Jesu nur mit Erlaubnis des Generals, kleinere mit jener (der!)
des Provinzials errichtet werden u. s. w. Die letztere Anwendung, die vor dem
Genetiv, kann einem geradezu den Magen umkehren.

Eine ganze Reihe von Eigenheiten hat der Österreicher im Gebrauch der
Adverbien. Er sagt da und dort statt hie und da, im vorhinein statt
von vornherein, beiläufig statt ungefähr (bis zur höchsten Spitze ist es
beiläufig sechstausend Fuß — dies ist beiläufig der Inhalt des amüsanten
Buches), während im Deutschen beiläufig nnr bedeuten kam? nebenbei, im
Vorbeigehen (beiläufig will ich bemerken). Neuerdings, das im Deutschen
nichts andres heißen kann als in neuerer Zeit (neuerdings ist der Apparat
noch wesentlich vervollkommnet worden) wird vom Österreicher auch anders
gebraucht, er schreibt es in dem Sinne von wiederum, nochmals, aber¬
mals, von neuem, z. V. es kommt mir uicht drauf an, oft gesagtes nener-
dings zusammenzustellen — er hat mich hierdurch nenerdings zu Danke
verpflichtet — in diesem Vortrage wird neuerdings die Frage unter¬
sucht — es kam eine Schrift zur Verlesung, in der V. neuerdings für seine
Überzeugung eintrat. Für nnr noch sagt der Österreicher nnr mehr, z. B.
leidenschaftliche Gedichte von nur mehr geschichtlichem Wert — alle Be¬
mühungen sind jetzt nur mehr darauf gerichtet — sie halten es mit den Ita¬
lienern, die, wenn eine Grundform geschaffen war, sich ein für allemal dabei
beruhigten und nnr mehr in der Ausführung des Einzelne» ihr Erfiudnugs-
talent zu zeigen pflegten.


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[0623] Allerhand Sprachduminheiteii ausmachen. Namentlich das obzwar ist in seiner ausschließlichen Verwen¬ dung geradezu unausstehlich. Welchen Reichtum haben wir im Deutschen für Konzessivsätze: obgleich, obschon, wenngleich, wenn auch, trotzdem daß — der Wiener kommt überall mit seinem obzwar. Unerträglich für deutsche Ohren ist auch der Mißbrauch, den der Öster¬ reicher mit dem Pronomen jener treibt. Im guten Deutsch wird jeuer mir in die Ferne weisend gebraucht, mit einem bald stärkeren, bald schwächeren rhetorischen Beigeschmack; der Österreicher ist mit seinem jener überall statt des einfachen demonstrativen der bei der Hand, vor Relativsätzen (diese Vor¬ lesungen haben uur einen bedingten Wert für jenen (den!), der selber Ein¬ sicht genug hat, um Dichterwerke ohne Beihilfe zu lesen und zu verstehen) namentlich aber vor einem davon abhängigen Genetiv: der Orden der Domi¬ nikaner und jener (der!) der Franziskaner — wir hoffen daß die Ausstellung sich ebenso folgenreich erweise» werde wie jene (die!) von 1873 — obgleich die Gesamtzahl ihrer Kräfte jenen (denen!) des Feindes bedeutend nach¬ stand - - ein lwmo trägt das Monogramm Ludwig Krugs, eine Ma¬ donna jenes (das!) des Mareantvnio Raimondi — so auffallend erschien dem Tacitus die Art des deutschen Anbaus gegenüber jener (der!) der romanischen Völker — größere Gebäude, wie Kirchen und Seminare, dürfen für die Ge¬ sellschaft Jesu nur mit Erlaubnis des Generals, kleinere mit jener (der!) des Provinzials errichtet werden u. s. w. Die letztere Anwendung, die vor dem Genetiv, kann einem geradezu den Magen umkehren. Eine ganze Reihe von Eigenheiten hat der Österreicher im Gebrauch der Adverbien. Er sagt da und dort statt hie und da, im vorhinein statt von vornherein, beiläufig statt ungefähr (bis zur höchsten Spitze ist es beiläufig sechstausend Fuß — dies ist beiläufig der Inhalt des amüsanten Buches), während im Deutschen beiläufig nnr bedeuten kam? nebenbei, im Vorbeigehen (beiläufig will ich bemerken). Neuerdings, das im Deutschen nichts andres heißen kann als in neuerer Zeit (neuerdings ist der Apparat noch wesentlich vervollkommnet worden) wird vom Österreicher auch anders gebraucht, er schreibt es in dem Sinne von wiederum, nochmals, aber¬ mals, von neuem, z. V. es kommt mir uicht drauf an, oft gesagtes nener- dings zusammenzustellen — er hat mich hierdurch nenerdings zu Danke verpflichtet — in diesem Vortrage wird neuerdings die Frage unter¬ sucht — es kam eine Schrift zur Verlesung, in der V. neuerdings für seine Überzeugung eintrat. Für nnr noch sagt der Österreicher nnr mehr, z. B. leidenschaftliche Gedichte von nur mehr geschichtlichem Wert — alle Be¬ mühungen sind jetzt nur mehr darauf gerichtet — sie halten es mit den Ita¬ lienern, die, wenn eine Grundform geschaffen war, sich ein für allemal dabei beruhigten und nnr mehr in der Ausführung des Einzelne» ihr Erfiudnugs- talent zu zeigen pflegten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/623>, abgerufen am 25.08.2024.