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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Buch hörten, gehört das eines höhern Offiziers, der sagte: Das ist genau
derselbe Geist, der uns 1870 zum Siege über Frankreich verhalf. or. Peters
ist sich ganz klar gewesen, daß er verpflichtet war, wenn einmal ein Kampf
unvermeidlich war, die Vorteile des Angriffes auf seine Seite zu bringen.
"Ich war viel zu schwach, um Nachgiebigkeit gegenüber den kriegerischen Ge¬
lüsten der stolzen Stämme des nördlichen Ostafrikas üben zu können, und ich
bin überzeugt, daß wir alle verloren gewesen wären, falls ich versucht haben
würde, durch solche Nachgiebigkeit die Kampflust der Gegner zu stärken und
den Mut meiner eignen Leute herabzuschwächen." Aus dieser Überlegung
ergab sich zugleich die Notwendigkeit der Stärkung des moralischen Elements
in seiner Truppe, zunächst durch die strengste Marsch- und Lagerordnung,
wobei in der letztern von der herkömmlichen UmWallung abgesehen und an
deren Stelle ein sehr aufmerksamer anspannender Wachtdienst eingerichtet wurde,
dann durch die Gewinnung eines fast unerschütterlichen Vertrauens der Mann¬
schaften in den Führer. Sogar die Fürsten fremder Völker nahmen mit fester
Hoffnung auf gewaltige Kriegsthaten die kleine, aber weithin gefürchtete Schar
auf. "Sakwa liebt die tüchtigen Leute, welche den Krieg verstehen. Wir
wissen, daß du, v Herr, die Massai geschlagen hast, und deshalb will Sakwa
dein Freund sein," ließ ihm der Fürst von Kawirondo sagen; und der Häupt¬
ling von Kwa Telessa an der Grenze des eigentlichen Uganda sagte: "Deine
Flagge nehme ich gern, denn ich weiß, daß du die Massai geschlagen hast."
Der König von Uganda und die Missionare suchten und fanden bei ihm die
Hilfe, welche die am See lagernden Engländer nicht zu leisten wagten.

Das ethnographische Bild der Massai, des kriegerischsten aller afrikanischen
Völker, bleibt wesentlich dasselbe, wie es zuletzt am ausführlichsten Dr. Fischer
gezeichnet hat, aber ich möchte sagen, es habe sich der Ton geändert, der
darüber liegt, während die Linien ähnlich verlaufen wie früher. Das ist
natürlich, denn die Peterssche Expedition ist die erste Kraftprobe, die auf die
interessanteste aller Eigentümlichkeiten dieser Völker, ans ihre Stammes- und
Kriegsorganisation gemacht worden ist, und da diese gegenüber zwei Euro¬
päern und ein Paar Dutzenden Somali und Suaheli die Probe uicht bestanden
hat, schwindet auch der Nimbus, der sie in den Augen jeuer frühern umgab.
Es rückt alles näher und schrumpft zusammen. Die Größe der Macht, die
Stärke des innern Zusammenhanges, selbst die Volkszahl der Stämme ver¬
mindert sich. Das ist natürlich in erster Linie eine politisch-geographische
Thatsache von Bedeutung. Die Sicherung des Bodens und der ruhigen Arbeit
erscheinen als eine leichtere Aufgabe in dein ganzen viel gefürchteten ostafri¬
kanischen Hochlandsstriche. Leider fällt auch von dieser Erkenntnis der Vorteil
wesentlich nicht den deutscheu Kolonisten der Zukunft, sondern den Engländern
und möglicherweise den Italienern zu. Für den Geographen ist es ganz be¬
sonders interessant, daß auch hier die Vvlkszahlen geringer gefunden worden


Buch hörten, gehört das eines höhern Offiziers, der sagte: Das ist genau
derselbe Geist, der uns 1870 zum Siege über Frankreich verhalf. or. Peters
ist sich ganz klar gewesen, daß er verpflichtet war, wenn einmal ein Kampf
unvermeidlich war, die Vorteile des Angriffes auf seine Seite zu bringen.
„Ich war viel zu schwach, um Nachgiebigkeit gegenüber den kriegerischen Ge¬
lüsten der stolzen Stämme des nördlichen Ostafrikas üben zu können, und ich
bin überzeugt, daß wir alle verloren gewesen wären, falls ich versucht haben
würde, durch solche Nachgiebigkeit die Kampflust der Gegner zu stärken und
den Mut meiner eignen Leute herabzuschwächen." Aus dieser Überlegung
ergab sich zugleich die Notwendigkeit der Stärkung des moralischen Elements
in seiner Truppe, zunächst durch die strengste Marsch- und Lagerordnung,
wobei in der letztern von der herkömmlichen UmWallung abgesehen und an
deren Stelle ein sehr aufmerksamer anspannender Wachtdienst eingerichtet wurde,
dann durch die Gewinnung eines fast unerschütterlichen Vertrauens der Mann¬
schaften in den Führer. Sogar die Fürsten fremder Völker nahmen mit fester
Hoffnung auf gewaltige Kriegsthaten die kleine, aber weithin gefürchtete Schar
auf. „Sakwa liebt die tüchtigen Leute, welche den Krieg verstehen. Wir
wissen, daß du, v Herr, die Massai geschlagen hast, und deshalb will Sakwa
dein Freund sein," ließ ihm der Fürst von Kawirondo sagen; und der Häupt¬
ling von Kwa Telessa an der Grenze des eigentlichen Uganda sagte: „Deine
Flagge nehme ich gern, denn ich weiß, daß du die Massai geschlagen hast."
Der König von Uganda und die Missionare suchten und fanden bei ihm die
Hilfe, welche die am See lagernden Engländer nicht zu leisten wagten.

Das ethnographische Bild der Massai, des kriegerischsten aller afrikanischen
Völker, bleibt wesentlich dasselbe, wie es zuletzt am ausführlichsten Dr. Fischer
gezeichnet hat, aber ich möchte sagen, es habe sich der Ton geändert, der
darüber liegt, während die Linien ähnlich verlaufen wie früher. Das ist
natürlich, denn die Peterssche Expedition ist die erste Kraftprobe, die auf die
interessanteste aller Eigentümlichkeiten dieser Völker, ans ihre Stammes- und
Kriegsorganisation gemacht worden ist, und da diese gegenüber zwei Euro¬
päern und ein Paar Dutzenden Somali und Suaheli die Probe uicht bestanden
hat, schwindet auch der Nimbus, der sie in den Augen jeuer frühern umgab.
Es rückt alles näher und schrumpft zusammen. Die Größe der Macht, die
Stärke des innern Zusammenhanges, selbst die Volkszahl der Stämme ver¬
mindert sich. Das ist natürlich in erster Linie eine politisch-geographische
Thatsache von Bedeutung. Die Sicherung des Bodens und der ruhigen Arbeit
erscheinen als eine leichtere Aufgabe in dein ganzen viel gefürchteten ostafri¬
kanischen Hochlandsstriche. Leider fällt auch von dieser Erkenntnis der Vorteil
wesentlich nicht den deutscheu Kolonisten der Zukunft, sondern den Engländern
und möglicherweise den Italienern zu. Für den Geographen ist es ganz be¬
sonders interessant, daß auch hier die Vvlkszahlen geringer gefunden worden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/612>, abgerufen am 23.07.2024.