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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Das Buch des I>, Karl Peters

selben mit Bedauern empfinden muß. Nur zum Teil erklärt sich dieses Be¬
streben ans dem an Handlung armen, in Beobachtung und Betrachtung sich
erschöpfenden Leben so vieler Reisenden; doch ist sicherlich anch der Bann
eines Herkommens mit wirksam, das sich im Gegensatz zu der Seichtigkeit der
Neisememvirenlitteratur ausgebildet hat. Dr. Karl Peters ist in solchem Maße
Mann der Handlung, hat so viel Bewegung geschaffen, daß für ihn beide
Motive nicht bestehen. Es wäre ein historischer und litterarischer Fehler,
wenn er in seinem Buche anderswo stünde als im Mittelpunkt, in den er
gehört; wenn er uns darüber im Unklaren ließe, daß die wichtigen Entschlüsse
in diesem die höchsten Forderungen stellenden Unternehmen nur in der Sonne
seines hellen, klaren Willens gereift sind. Wenn wir das Buch mit dankbarem
Gefühl ans der Hand legen, so ist das nicht die Erkenntlichkeit für Unter-
haltung und Spannung oder auch Belehrung; wir halten das Buch weit
darüber hinaus wert, weil es uns diesen Manu zeichnet, or. Peters wird
uns erst aus dieser seiner eignen Erzählung wie aus einem autobiographischen
Memoirenwerk recht bekannt. Von Kapitel zu Kapitel freuen wir uns dieser
Bekanntschaft mehr, der Mann wächst, er wächst über seine Umgebung hinaus,
wir schauen bewundernd auf ihn und fühlen den Stolz auf einen hervorragenden
Volksgenossen. Wir teilen seine anfänglichen Hoffnungen, machen mit ihm
die Enttäuschungen durch und freuen uns, wie unter deren Schlägen Eisen
zu Stahl wird, bis sich endlich von dem Höhepunkt der Gefahren und der
Errungenschaften, den ohne Frage Uganda bildet, die Spannung langsam bis
zur Küste und bis zum Schlüsse senkt, wo jene paar Worte eines Gespräches
mit Admiral Freemantle in Sansibar den Abschluß der Erzählung bilden, wie
ihn ein großer Schriftsteller nicht besser und wirksamer hätte sinden können.

Der Wert des Buches liegt in dem Werte seines Erzählers und Helden,
dem niemand und nichts mehr den Stempel der geschichtlichen Persönlichkeit
nehmen kann. Damit ist dem Buche auch der geschichtliche Wert zugesprochen.
Die Zukunft wird es als einen der wichtigsten Beiträge zur Geschichte des
deutscheu Geistes um Ende des Jahrhunderts anerkennen, denn es läßt in die
Tiefe blicken, ans der die Entschlüsse zur Ausbreitung der deutscheu Macht
über einen der wichtigsten Abschnitte Afrikas hervorgegangen sind. Es zeigt
den Patriotismus von 1870/71 in der neuen Form der Prüfung und Be¬
währung auf außereuropäischen Boden, das in der siegreichen Wettbewerbung
mit dem weltbcherrschenden England sich kräftigende nationale Selbstgefühl,
die unerschütterliche Überzeugung, daß die Weltgeschichte dem Starken keine
dauernden Grenzen und Schranken ziehe, und daß mau uur arbeiten müsse,
um die Geschichte nicht bloß zu machen, sondern auch nachholend neu zu
machen. Es geht ein sieghafter Zug von Wirkens- und Schaffenslust durch
diesen Bericht. Und dabei ist dieser waffenfrvhe Expeditionsführer ein philo¬
sophischer Kopf, der in stillen Stunden am Lagerfeuer über die Rätsel des


Grenzlwten 1 1891 7g
Das Buch des I>, Karl Peters

selben mit Bedauern empfinden muß. Nur zum Teil erklärt sich dieses Be¬
streben ans dem an Handlung armen, in Beobachtung und Betrachtung sich
erschöpfenden Leben so vieler Reisenden; doch ist sicherlich anch der Bann
eines Herkommens mit wirksam, das sich im Gegensatz zu der Seichtigkeit der
Neisememvirenlitteratur ausgebildet hat. Dr. Karl Peters ist in solchem Maße
Mann der Handlung, hat so viel Bewegung geschaffen, daß für ihn beide
Motive nicht bestehen. Es wäre ein historischer und litterarischer Fehler,
wenn er in seinem Buche anderswo stünde als im Mittelpunkt, in den er
gehört; wenn er uns darüber im Unklaren ließe, daß die wichtigen Entschlüsse
in diesem die höchsten Forderungen stellenden Unternehmen nur in der Sonne
seines hellen, klaren Willens gereift sind. Wenn wir das Buch mit dankbarem
Gefühl ans der Hand legen, so ist das nicht die Erkenntlichkeit für Unter-
haltung und Spannung oder auch Belehrung; wir halten das Buch weit
darüber hinaus wert, weil es uns diesen Manu zeichnet, or. Peters wird
uns erst aus dieser seiner eignen Erzählung wie aus einem autobiographischen
Memoirenwerk recht bekannt. Von Kapitel zu Kapitel freuen wir uns dieser
Bekanntschaft mehr, der Mann wächst, er wächst über seine Umgebung hinaus,
wir schauen bewundernd auf ihn und fühlen den Stolz auf einen hervorragenden
Volksgenossen. Wir teilen seine anfänglichen Hoffnungen, machen mit ihm
die Enttäuschungen durch und freuen uns, wie unter deren Schlägen Eisen
zu Stahl wird, bis sich endlich von dem Höhepunkt der Gefahren und der
Errungenschaften, den ohne Frage Uganda bildet, die Spannung langsam bis
zur Küste und bis zum Schlüsse senkt, wo jene paar Worte eines Gespräches
mit Admiral Freemantle in Sansibar den Abschluß der Erzählung bilden, wie
ihn ein großer Schriftsteller nicht besser und wirksamer hätte sinden können.

Der Wert des Buches liegt in dem Werte seines Erzählers und Helden,
dem niemand und nichts mehr den Stempel der geschichtlichen Persönlichkeit
nehmen kann. Damit ist dem Buche auch der geschichtliche Wert zugesprochen.
Die Zukunft wird es als einen der wichtigsten Beiträge zur Geschichte des
deutscheu Geistes um Ende des Jahrhunderts anerkennen, denn es läßt in die
Tiefe blicken, ans der die Entschlüsse zur Ausbreitung der deutscheu Macht
über einen der wichtigsten Abschnitte Afrikas hervorgegangen sind. Es zeigt
den Patriotismus von 1870/71 in der neuen Form der Prüfung und Be¬
währung auf außereuropäischen Boden, das in der siegreichen Wettbewerbung
mit dem weltbcherrschenden England sich kräftigende nationale Selbstgefühl,
die unerschütterliche Überzeugung, daß die Weltgeschichte dem Starken keine
dauernden Grenzen und Schranken ziehe, und daß mau uur arbeiten müsse,
um die Geschichte nicht bloß zu machen, sondern auch nachholend neu zu
machen. Es geht ein sieghafter Zug von Wirkens- und Schaffenslust durch
diesen Bericht. Und dabei ist dieser waffenfrvhe Expeditionsführer ein philo¬
sophischer Kopf, der in stillen Stunden am Lagerfeuer über die Rätsel des


Grenzlwten 1 1891 7g
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[0609] Das Buch des I>, Karl Peters selben mit Bedauern empfinden muß. Nur zum Teil erklärt sich dieses Be¬ streben ans dem an Handlung armen, in Beobachtung und Betrachtung sich erschöpfenden Leben so vieler Reisenden; doch ist sicherlich anch der Bann eines Herkommens mit wirksam, das sich im Gegensatz zu der Seichtigkeit der Neisememvirenlitteratur ausgebildet hat. Dr. Karl Peters ist in solchem Maße Mann der Handlung, hat so viel Bewegung geschaffen, daß für ihn beide Motive nicht bestehen. Es wäre ein historischer und litterarischer Fehler, wenn er in seinem Buche anderswo stünde als im Mittelpunkt, in den er gehört; wenn er uns darüber im Unklaren ließe, daß die wichtigen Entschlüsse in diesem die höchsten Forderungen stellenden Unternehmen nur in der Sonne seines hellen, klaren Willens gereift sind. Wenn wir das Buch mit dankbarem Gefühl ans der Hand legen, so ist das nicht die Erkenntlichkeit für Unter- haltung und Spannung oder auch Belehrung; wir halten das Buch weit darüber hinaus wert, weil es uns diesen Manu zeichnet, or. Peters wird uns erst aus dieser seiner eignen Erzählung wie aus einem autobiographischen Memoirenwerk recht bekannt. Von Kapitel zu Kapitel freuen wir uns dieser Bekanntschaft mehr, der Mann wächst, er wächst über seine Umgebung hinaus, wir schauen bewundernd auf ihn und fühlen den Stolz auf einen hervorragenden Volksgenossen. Wir teilen seine anfänglichen Hoffnungen, machen mit ihm die Enttäuschungen durch und freuen uns, wie unter deren Schlägen Eisen zu Stahl wird, bis sich endlich von dem Höhepunkt der Gefahren und der Errungenschaften, den ohne Frage Uganda bildet, die Spannung langsam bis zur Küste und bis zum Schlüsse senkt, wo jene paar Worte eines Gespräches mit Admiral Freemantle in Sansibar den Abschluß der Erzählung bilden, wie ihn ein großer Schriftsteller nicht besser und wirksamer hätte sinden können. Der Wert des Buches liegt in dem Werte seines Erzählers und Helden, dem niemand und nichts mehr den Stempel der geschichtlichen Persönlichkeit nehmen kann. Damit ist dem Buche auch der geschichtliche Wert zugesprochen. Die Zukunft wird es als einen der wichtigsten Beiträge zur Geschichte des deutscheu Geistes um Ende des Jahrhunderts anerkennen, denn es läßt in die Tiefe blicken, ans der die Entschlüsse zur Ausbreitung der deutscheu Macht über einen der wichtigsten Abschnitte Afrikas hervorgegangen sind. Es zeigt den Patriotismus von 1870/71 in der neuen Form der Prüfung und Be¬ währung auf außereuropäischen Boden, das in der siegreichen Wettbewerbung mit dem weltbcherrschenden England sich kräftigende nationale Selbstgefühl, die unerschütterliche Überzeugung, daß die Weltgeschichte dem Starken keine dauernden Grenzen und Schranken ziehe, und daß mau uur arbeiten müsse, um die Geschichte nicht bloß zu machen, sondern auch nachholend neu zu machen. Es geht ein sieghafter Zug von Wirkens- und Schaffenslust durch diesen Bericht. Und dabei ist dieser waffenfrvhe Expeditionsführer ein philo¬ sophischer Kopf, der in stillen Stunden am Lagerfeuer über die Rätsel des Grenzlwten 1 1891 7g

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/609>, abgerufen am 25.08.2024.