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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Würde es jenseits des Ozeans nicht möglich sein, eine genügende Kontrolle
einzuführen, und zwar auch dann nicht, wenn man sie auf das zum Export
kommende Fleisch beschränken wollte. In den großen Etablissements werden
bei vollem Betriebe in der Minute 10 Schweine geschlachtet und zerteilt, so-
daß an einem Tage innerhalb vierundzwanzig Stunden bis zu 13000 Schweine
verarbeitet worden sind. Es leuchtet ein, daß bei einer derartigen Einrichtung
des Betriebes von irgend welcher genanen Untersuchung nicht entfernt die
Rede sein kann, denn ein angestellter Trichinenschauer kaun täglich höchstens
20 Schweine untersuchen, da von jedem Schweine bekanntlich mehrere Proben
genommen werden müssen. Sartorius berechnet, daß eine einzige Fabrik über
U00 Fleischbeschauer anzustellen genötigt sein würde. Einer Untersuchung im
Exporthafen, d. h. bei der Verschiffung, dürften sich technisch außerordentliche
Schwierigkeiten entgegenstellen, von denen es zweifelhaft ist, ob sie überhaupt
bewältigt werden können. Eine Untersuchung im deutschen Importhafen aber
dürfte ebenfalls sehr schwierig sein, wie unter anderen ein von der belgischen
Negierung abgegebenes Gutachten näher ausgeführt hat, da eben von wenig
Fleischbeschauern in kurzer Zeit zu große Massen untersucht werden müßten.
Wer Gelegenheit gehabt hat, die gewaltigen Mengen von Schweinefleisch zu
sehen, die in einer einzigen Schiffsladung enthalten sind, wird dem allerdings
beistimmen müssen, und daß der Handel selbstverständlich nicht Wochen- und
monatelang auf die Untersuchung der eingeführten Stücke warten kann, ist
ebenfalls klar. Es bleibt also nur übrig: die Untersuchung am Verkaufs¬
orte selbst.

Nicht unerwähnt mag bei dieser Gelegenheit bleiben, daß der Bedarf an
amerikanischem Speck und Schinken bedeutend überschätzt wird. Im Jahre
1881 wurde der gesamte Verbrauch an Schweinefleisch auf 4100000 Doppel¬
zentner angeschlagen, während thatsächlich an Fleischwaren im allgemeinen nur
133 800 Doppelzenter eingeführt wurden. Wenn von dieser Summe anch drei¬
viertel auf Schweinefleisch zu rechnen ist, so ergiebt sich doch, daß im ganzen
noch nicht drei Prozent des gesamten verbrauchten Schweinefleisches vom
Auslande bezogen worden sind, wobei auf dasjenige Schweinefleisch nicht einmal
besonders Rücksicht genommen ist, das noch aus den europäischen Ländern ein¬
geführt worden ist.

Professor Secring hat in seiner eingehenden Besprechung der Arbeit von
Sartorius im großen und ganzen ihre Angaben durchaus bestätigt. Auch
er hält die Untersuchung des amerikanischen Schweinefleisches am Wohnorte
des Einzelverkäufers für durchaus notwendig.

Von einem ander" Gesichtspunkt ist das amerikanische Schmalz zu be¬
trachten. Hier kann zwar von einer Trichinengefahr nnr bedingt gesprochen
werden, obwohl sie auch nicht ganz ausgeschlossen ist, da es die amerikanische
Technik versteht, Schmalz auch ohne Sieden zu gewinnen. Es werden aber


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Würde es jenseits des Ozeans nicht möglich sein, eine genügende Kontrolle
einzuführen, und zwar auch dann nicht, wenn man sie auf das zum Export
kommende Fleisch beschränken wollte. In den großen Etablissements werden
bei vollem Betriebe in der Minute 10 Schweine geschlachtet und zerteilt, so-
daß an einem Tage innerhalb vierundzwanzig Stunden bis zu 13000 Schweine
verarbeitet worden sind. Es leuchtet ein, daß bei einer derartigen Einrichtung
des Betriebes von irgend welcher genanen Untersuchung nicht entfernt die
Rede sein kann, denn ein angestellter Trichinenschauer kaun täglich höchstens
20 Schweine untersuchen, da von jedem Schweine bekanntlich mehrere Proben
genommen werden müssen. Sartorius berechnet, daß eine einzige Fabrik über
U00 Fleischbeschauer anzustellen genötigt sein würde. Einer Untersuchung im
Exporthafen, d. h. bei der Verschiffung, dürften sich technisch außerordentliche
Schwierigkeiten entgegenstellen, von denen es zweifelhaft ist, ob sie überhaupt
bewältigt werden können. Eine Untersuchung im deutschen Importhafen aber
dürfte ebenfalls sehr schwierig sein, wie unter anderen ein von der belgischen
Negierung abgegebenes Gutachten näher ausgeführt hat, da eben von wenig
Fleischbeschauern in kurzer Zeit zu große Massen untersucht werden müßten.
Wer Gelegenheit gehabt hat, die gewaltigen Mengen von Schweinefleisch zu
sehen, die in einer einzigen Schiffsladung enthalten sind, wird dem allerdings
beistimmen müssen, und daß der Handel selbstverständlich nicht Wochen- und
monatelang auf die Untersuchung der eingeführten Stücke warten kann, ist
ebenfalls klar. Es bleibt also nur übrig: die Untersuchung am Verkaufs¬
orte selbst.

Nicht unerwähnt mag bei dieser Gelegenheit bleiben, daß der Bedarf an
amerikanischem Speck und Schinken bedeutend überschätzt wird. Im Jahre
1881 wurde der gesamte Verbrauch an Schweinefleisch auf 4100000 Doppel¬
zentner angeschlagen, während thatsächlich an Fleischwaren im allgemeinen nur
133 800 Doppelzenter eingeführt wurden. Wenn von dieser Summe anch drei¬
viertel auf Schweinefleisch zu rechnen ist, so ergiebt sich doch, daß im ganzen
noch nicht drei Prozent des gesamten verbrauchten Schweinefleisches vom
Auslande bezogen worden sind, wobei auf dasjenige Schweinefleisch nicht einmal
besonders Rücksicht genommen ist, das noch aus den europäischen Ländern ein¬
geführt worden ist.

Professor Secring hat in seiner eingehenden Besprechung der Arbeit von
Sartorius im großen und ganzen ihre Angaben durchaus bestätigt. Auch
er hält die Untersuchung des amerikanischen Schweinefleisches am Wohnorte
des Einzelverkäufers für durchaus notwendig.

Von einem ander» Gesichtspunkt ist das amerikanische Schmalz zu be¬
trachten. Hier kann zwar von einer Trichinengefahr nnr bedingt gesprochen
werden, obwohl sie auch nicht ganz ausgeschlossen ist, da es die amerikanische
Technik versteht, Schmalz auch ohne Sieden zu gewinnen. Es werden aber


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[0593] Würde es jenseits des Ozeans nicht möglich sein, eine genügende Kontrolle einzuführen, und zwar auch dann nicht, wenn man sie auf das zum Export kommende Fleisch beschränken wollte. In den großen Etablissements werden bei vollem Betriebe in der Minute 10 Schweine geschlachtet und zerteilt, so- daß an einem Tage innerhalb vierundzwanzig Stunden bis zu 13000 Schweine verarbeitet worden sind. Es leuchtet ein, daß bei einer derartigen Einrichtung des Betriebes von irgend welcher genanen Untersuchung nicht entfernt die Rede sein kann, denn ein angestellter Trichinenschauer kaun täglich höchstens 20 Schweine untersuchen, da von jedem Schweine bekanntlich mehrere Proben genommen werden müssen. Sartorius berechnet, daß eine einzige Fabrik über U00 Fleischbeschauer anzustellen genötigt sein würde. Einer Untersuchung im Exporthafen, d. h. bei der Verschiffung, dürften sich technisch außerordentliche Schwierigkeiten entgegenstellen, von denen es zweifelhaft ist, ob sie überhaupt bewältigt werden können. Eine Untersuchung im deutschen Importhafen aber dürfte ebenfalls sehr schwierig sein, wie unter anderen ein von der belgischen Negierung abgegebenes Gutachten näher ausgeführt hat, da eben von wenig Fleischbeschauern in kurzer Zeit zu große Massen untersucht werden müßten. Wer Gelegenheit gehabt hat, die gewaltigen Mengen von Schweinefleisch zu sehen, die in einer einzigen Schiffsladung enthalten sind, wird dem allerdings beistimmen müssen, und daß der Handel selbstverständlich nicht Wochen- und monatelang auf die Untersuchung der eingeführten Stücke warten kann, ist ebenfalls klar. Es bleibt also nur übrig: die Untersuchung am Verkaufs¬ orte selbst. Nicht unerwähnt mag bei dieser Gelegenheit bleiben, daß der Bedarf an amerikanischem Speck und Schinken bedeutend überschätzt wird. Im Jahre 1881 wurde der gesamte Verbrauch an Schweinefleisch auf 4100000 Doppel¬ zentner angeschlagen, während thatsächlich an Fleischwaren im allgemeinen nur 133 800 Doppelzenter eingeführt wurden. Wenn von dieser Summe anch drei¬ viertel auf Schweinefleisch zu rechnen ist, so ergiebt sich doch, daß im ganzen noch nicht drei Prozent des gesamten verbrauchten Schweinefleisches vom Auslande bezogen worden sind, wobei auf dasjenige Schweinefleisch nicht einmal besonders Rücksicht genommen ist, das noch aus den europäischen Ländern ein¬ geführt worden ist. Professor Secring hat in seiner eingehenden Besprechung der Arbeit von Sartorius im großen und ganzen ihre Angaben durchaus bestätigt. Auch er hält die Untersuchung des amerikanischen Schweinefleisches am Wohnorte des Einzelverkäufers für durchaus notwendig. Von einem ander» Gesichtspunkt ist das amerikanische Schmalz zu be¬ trachten. Hier kann zwar von einer Trichinengefahr nnr bedingt gesprochen werden, obwohl sie auch nicht ganz ausgeschlossen ist, da es die amerikanische Technik versteht, Schmalz auch ohne Sieden zu gewinnen. Es werden aber Grenzlwten 1 1891 74

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/593>, abgerufen am 23.07.2024.