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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Höchste Kraft, wie du weißt,
Auch Gefahren verheißt --
Ist es das, was du willst -- ja?
Jak

Das norwegische Volksleben ist in dein Roman mit großer Liebe geschildert.
Wo Vjörnsvn das Treiben der Seeleute im Hafen, die Thätigkeit der Fischer
an Strande, das Leben der Bauern ans ihren Höfen und in ihren ver¬
räucherten Stuben darstellt, liefert er mit seiner realistischen Kleinmalerei
wahre Kabinetsstücke nach Art der Holländer. Der unruhige, zerfahrene Christen
Larssen, der an der Erfindnngsmanie leidet, Sören Petersen und seine Fran,
die der Arzt beide durch Hypnose von der Trunksucht heilt, Ole Tufts fromme
Mutter, das alles sind Typen, wie wir sie nur bei Adrian Vronwer oder
Ostade wiederfinden.

Björnsons Sprache ist lebendig, anschaulich und bilderreich, zuweilen wird
der Ausdruck aber gesucht, und das Bild erhält etwas Übertriebenes, Ver¬
wischtes oder unfreiwillig Komisches. Manche Mißgriffe mögen allerdings
dem Übersetzer zur Last fallen, so z. V. wenn es an einer Stelle heißt: "Der
grelle, dünne Glvclentlnng humpelte durch die Luft." Oder: "Der Gesaug
und der Kreter vereinigten sich zu einem leichten Bund dort auf dem
schwarzen Gewässer, das überschattet und eingeklemmt war von kahlen Bergen,
hinter denen noch höhere emporragten." Oft geraten die Bilder und Vergleiche
in abenteuerlicher Verwirrung durch einander, so in der Wendung: "Sie sah
ihn an, mis(?) wenn mau ein Kind zudeckt" -- oder: "Den Fall gesetzt,
daß eine Saite über die Landschaft gespannt wäre, und daß ein Bogen dar¬
über hinstrich(e?), dann würde es ungefähr so klingen, wie das Getöse des
Dampfers." Ebenso seltsam ist es, wenn Rendalen Nagnis Angen mit den
Worten beschreibt: "Gewöhnlich wickeln sie sich um Tischfüße, bohren Löcher
in die Ecken oder zünden Feuer im Ofen um. Zuweilen hüpfen sie so hoch
an den Wänden hinauf, wie eine Ratte, die nicht ins Freie hinaus kann."
Dn aber die Übersetzung "autorisire" ist, so kann auch dem Dichter ein Vor-
wurf wegen dieser Ungereimtheiten nicht erspart bleiben.





Höchste Kraft, wie du weißt,
Auch Gefahren verheißt —
Ist es das, was du willst — ja?
Jak

Das norwegische Volksleben ist in dein Roman mit großer Liebe geschildert.
Wo Vjörnsvn das Treiben der Seeleute im Hafen, die Thätigkeit der Fischer
an Strande, das Leben der Bauern ans ihren Höfen und in ihren ver¬
räucherten Stuben darstellt, liefert er mit seiner realistischen Kleinmalerei
wahre Kabinetsstücke nach Art der Holländer. Der unruhige, zerfahrene Christen
Larssen, der an der Erfindnngsmanie leidet, Sören Petersen und seine Fran,
die der Arzt beide durch Hypnose von der Trunksucht heilt, Ole Tufts fromme
Mutter, das alles sind Typen, wie wir sie nur bei Adrian Vronwer oder
Ostade wiederfinden.

Björnsons Sprache ist lebendig, anschaulich und bilderreich, zuweilen wird
der Ausdruck aber gesucht, und das Bild erhält etwas Übertriebenes, Ver¬
wischtes oder unfreiwillig Komisches. Manche Mißgriffe mögen allerdings
dem Übersetzer zur Last fallen, so z. V. wenn es an einer Stelle heißt: „Der
grelle, dünne Glvclentlnng humpelte durch die Luft." Oder: „Der Gesaug
und der Kreter vereinigten sich zu einem leichten Bund dort auf dem
schwarzen Gewässer, das überschattet und eingeklemmt war von kahlen Bergen,
hinter denen noch höhere emporragten." Oft geraten die Bilder und Vergleiche
in abenteuerlicher Verwirrung durch einander, so in der Wendung: „Sie sah
ihn an, mis(?) wenn mau ein Kind zudeckt" — oder: „Den Fall gesetzt,
daß eine Saite über die Landschaft gespannt wäre, und daß ein Bogen dar¬
über hinstrich(e?), dann würde es ungefähr so klingen, wie das Getöse des
Dampfers." Ebenso seltsam ist es, wenn Rendalen Nagnis Angen mit den
Worten beschreibt: „Gewöhnlich wickeln sie sich um Tischfüße, bohren Löcher
in die Ecken oder zünden Feuer im Ofen um. Zuweilen hüpfen sie so hoch
an den Wänden hinauf, wie eine Ratte, die nicht ins Freie hinaus kann."
Dn aber die Übersetzung „autorisire" ist, so kann auch dem Dichter ein Vor-
wurf wegen dieser Ungereimtheiten nicht erspart bleiben.




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[0563] Höchste Kraft, wie du weißt, Auch Gefahren verheißt — Ist es das, was du willst — ja? Jak Das norwegische Volksleben ist in dein Roman mit großer Liebe geschildert. Wo Vjörnsvn das Treiben der Seeleute im Hafen, die Thätigkeit der Fischer an Strande, das Leben der Bauern ans ihren Höfen und in ihren ver¬ räucherten Stuben darstellt, liefert er mit seiner realistischen Kleinmalerei wahre Kabinetsstücke nach Art der Holländer. Der unruhige, zerfahrene Christen Larssen, der an der Erfindnngsmanie leidet, Sören Petersen und seine Fran, die der Arzt beide durch Hypnose von der Trunksucht heilt, Ole Tufts fromme Mutter, das alles sind Typen, wie wir sie nur bei Adrian Vronwer oder Ostade wiederfinden. Björnsons Sprache ist lebendig, anschaulich und bilderreich, zuweilen wird der Ausdruck aber gesucht, und das Bild erhält etwas Übertriebenes, Ver¬ wischtes oder unfreiwillig Komisches. Manche Mißgriffe mögen allerdings dem Übersetzer zur Last fallen, so z. V. wenn es an einer Stelle heißt: „Der grelle, dünne Glvclentlnng humpelte durch die Luft." Oder: „Der Gesaug und der Kreter vereinigten sich zu einem leichten Bund dort auf dem schwarzen Gewässer, das überschattet und eingeklemmt war von kahlen Bergen, hinter denen noch höhere emporragten." Oft geraten die Bilder und Vergleiche in abenteuerlicher Verwirrung durch einander, so in der Wendung: „Sie sah ihn an, mis(?) wenn mau ein Kind zudeckt" — oder: „Den Fall gesetzt, daß eine Saite über die Landschaft gespannt wäre, und daß ein Bogen dar¬ über hinstrich(e?), dann würde es ungefähr so klingen, wie das Getöse des Dampfers." Ebenso seltsam ist es, wenn Rendalen Nagnis Angen mit den Worten beschreibt: „Gewöhnlich wickeln sie sich um Tischfüße, bohren Löcher in die Ecken oder zünden Feuer im Ofen um. Zuweilen hüpfen sie so hoch an den Wänden hinauf, wie eine Ratte, die nicht ins Freie hinaus kann." Dn aber die Übersetzung „autorisire" ist, so kann auch dem Dichter ein Vor- wurf wegen dieser Ungereimtheiten nicht erspart bleiben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/563>, abgerufen am 23.07.2024.