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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Wie ist der deutschen Landwirtschaft zu helfen?

Wie sollte denn das zugehen? Erstens wird man doch keinen Handels¬
vertrag schließen, der nicht Österreich zu dem Zollsatz auf ausländisches Getreide
verpflichtet, deu es mit Deutschland zur gleichmäßigen Anwendung verein¬
baren wird. Österreich könnte also dem deutschen Handel nur den Durchfuhr¬
handel mit russischem Getreide entziehen, wenn zu begreifen wäre, wie es das
machen sollte. Sich zollfrei mit Getrcidemengeu zu Versehen, um sie dann
auf beliebige Märkte zu werfen, würde doch selbstverständlich jeder Handels¬
vertrag verbieten. Dann redet man vom Schmuggel. Bis jetzt ist aber doch
russisches Getreide etwa zur Ausfuhr uach England nicht über die österreichische
Grenze geschmuggelt worden.

Unsre Freihändler, in der einseitigen Verbissenheit ihrer Lehre, wollen na¬
türlich nichts von dem deutsch-österreichischen Handelsvertrage, wollen überhaupt
nichts von Handelsverträgen hören, weil nach ihrer Meinung die Grenzen an
einem Tage für die Einfuhr aller Welt zu gleichen Bedingungen geöffnet werdeu
müssen. Diese Menschen hören und sehen nicht.

Eine Hauptwirkung der vorgeschlagenen Bank würde die sein, daß anch
das österreichische Getreide nicht über den Bedarf hinaus zu bloßen Spekn-
latiouszweckeu auf den deutschen Markt geworfen werden könnte. Dafür würde
sie dem österreichischem Getreide in einem bestimmten Umfang ein regelmäßiger
und zuverlässiger Abnehmer heilt.

Gewisse Magnaten der Landwirtschaft haben mit den Führern in Gro߬
betrieben einzelner Zweige des Kunstfleißes ein Bündnis zur Bekämpfung des
in Aussicht stehenden deittsch-österreichischen Handelsvertrages geschlossen. Diese
industriellen Freunde der Agrarier sind zum Teil solche Geschäftsmänner, die
aus den Schutzzöllen für die Industrie großen Gewinn gezogen haben und
jetzt nichts sehen, als die Möglichkeit, daß die ihnen erwünschten Zölle ent¬
weder Österreich gegenüber oder, zufolge der sinkenden schutzzöllnerischen Be¬
wegung, gegenüber der ganzen Welt erniedrigt werden. Wo die Herren mit
ihrem Gewinn bleiben werden, wenn der Zollkrieg aller gegen alle weiter geht
und endlich auf die höchste Spitze getrieben wird, sind sie zu kurzsichtig,
sich zu berechnen. Sie denken: Heute geht es ja noch gut. Dann haben sie
vielleicht zu oft mit den Magnaten auf die Erhaltung aller Schutzzölle an¬
gestoßen, dabei aber vergessen, daß es nicht möglich ist, gleichzeitig die Negierung
anzugehen um Hilfe bei dem Widerstande gegen die Forderung höheren
Arbeitslohnes und um Hilfe zur Erhaltung hoher Preise für die unentbehr-
lichen Bestandteile aller Nahrung.




Wie ist der deutschen Landwirtschaft zu helfen?

Wie sollte denn das zugehen? Erstens wird man doch keinen Handels¬
vertrag schließen, der nicht Österreich zu dem Zollsatz auf ausländisches Getreide
verpflichtet, deu es mit Deutschland zur gleichmäßigen Anwendung verein¬
baren wird. Österreich könnte also dem deutschen Handel nur den Durchfuhr¬
handel mit russischem Getreide entziehen, wenn zu begreifen wäre, wie es das
machen sollte. Sich zollfrei mit Getrcidemengeu zu Versehen, um sie dann
auf beliebige Märkte zu werfen, würde doch selbstverständlich jeder Handels¬
vertrag verbieten. Dann redet man vom Schmuggel. Bis jetzt ist aber doch
russisches Getreide etwa zur Ausfuhr uach England nicht über die österreichische
Grenze geschmuggelt worden.

Unsre Freihändler, in der einseitigen Verbissenheit ihrer Lehre, wollen na¬
türlich nichts von dem deutsch-österreichischen Handelsvertrage, wollen überhaupt
nichts von Handelsverträgen hören, weil nach ihrer Meinung die Grenzen an
einem Tage für die Einfuhr aller Welt zu gleichen Bedingungen geöffnet werdeu
müssen. Diese Menschen hören und sehen nicht.

Eine Hauptwirkung der vorgeschlagenen Bank würde die sein, daß anch
das österreichische Getreide nicht über den Bedarf hinaus zu bloßen Spekn-
latiouszweckeu auf den deutschen Markt geworfen werden könnte. Dafür würde
sie dem österreichischem Getreide in einem bestimmten Umfang ein regelmäßiger
und zuverlässiger Abnehmer heilt.

Gewisse Magnaten der Landwirtschaft haben mit den Führern in Gro߬
betrieben einzelner Zweige des Kunstfleißes ein Bündnis zur Bekämpfung des
in Aussicht stehenden deittsch-österreichischen Handelsvertrages geschlossen. Diese
industriellen Freunde der Agrarier sind zum Teil solche Geschäftsmänner, die
aus den Schutzzöllen für die Industrie großen Gewinn gezogen haben und
jetzt nichts sehen, als die Möglichkeit, daß die ihnen erwünschten Zölle ent¬
weder Österreich gegenüber oder, zufolge der sinkenden schutzzöllnerischen Be¬
wegung, gegenüber der ganzen Welt erniedrigt werden. Wo die Herren mit
ihrem Gewinn bleiben werden, wenn der Zollkrieg aller gegen alle weiter geht
und endlich auf die höchste Spitze getrieben wird, sind sie zu kurzsichtig,
sich zu berechnen. Sie denken: Heute geht es ja noch gut. Dann haben sie
vielleicht zu oft mit den Magnaten auf die Erhaltung aller Schutzzölle an¬
gestoßen, dabei aber vergessen, daß es nicht möglich ist, gleichzeitig die Negierung
anzugehen um Hilfe bei dem Widerstande gegen die Forderung höheren
Arbeitslohnes und um Hilfe zur Erhaltung hoher Preise für die unentbehr-
lichen Bestandteile aller Nahrung.




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[0544] Wie ist der deutschen Landwirtschaft zu helfen? Wie sollte denn das zugehen? Erstens wird man doch keinen Handels¬ vertrag schließen, der nicht Österreich zu dem Zollsatz auf ausländisches Getreide verpflichtet, deu es mit Deutschland zur gleichmäßigen Anwendung verein¬ baren wird. Österreich könnte also dem deutschen Handel nur den Durchfuhr¬ handel mit russischem Getreide entziehen, wenn zu begreifen wäre, wie es das machen sollte. Sich zollfrei mit Getrcidemengeu zu Versehen, um sie dann auf beliebige Märkte zu werfen, würde doch selbstverständlich jeder Handels¬ vertrag verbieten. Dann redet man vom Schmuggel. Bis jetzt ist aber doch russisches Getreide etwa zur Ausfuhr uach England nicht über die österreichische Grenze geschmuggelt worden. Unsre Freihändler, in der einseitigen Verbissenheit ihrer Lehre, wollen na¬ türlich nichts von dem deutsch-österreichischen Handelsvertrage, wollen überhaupt nichts von Handelsverträgen hören, weil nach ihrer Meinung die Grenzen an einem Tage für die Einfuhr aller Welt zu gleichen Bedingungen geöffnet werdeu müssen. Diese Menschen hören und sehen nicht. Eine Hauptwirkung der vorgeschlagenen Bank würde die sein, daß anch das österreichische Getreide nicht über den Bedarf hinaus zu bloßen Spekn- latiouszweckeu auf den deutschen Markt geworfen werden könnte. Dafür würde sie dem österreichischem Getreide in einem bestimmten Umfang ein regelmäßiger und zuverlässiger Abnehmer heilt. Gewisse Magnaten der Landwirtschaft haben mit den Führern in Gro߬ betrieben einzelner Zweige des Kunstfleißes ein Bündnis zur Bekämpfung des in Aussicht stehenden deittsch-österreichischen Handelsvertrages geschlossen. Diese industriellen Freunde der Agrarier sind zum Teil solche Geschäftsmänner, die aus den Schutzzöllen für die Industrie großen Gewinn gezogen haben und jetzt nichts sehen, als die Möglichkeit, daß die ihnen erwünschten Zölle ent¬ weder Österreich gegenüber oder, zufolge der sinkenden schutzzöllnerischen Be¬ wegung, gegenüber der ganzen Welt erniedrigt werden. Wo die Herren mit ihrem Gewinn bleiben werden, wenn der Zollkrieg aller gegen alle weiter geht und endlich auf die höchste Spitze getrieben wird, sind sie zu kurzsichtig, sich zu berechnen. Sie denken: Heute geht es ja noch gut. Dann haben sie vielleicht zu oft mit den Magnaten auf die Erhaltung aller Schutzzölle an¬ gestoßen, dabei aber vergessen, daß es nicht möglich ist, gleichzeitig die Negierung anzugehen um Hilfe bei dem Widerstande gegen die Forderung höheren Arbeitslohnes und um Hilfe zur Erhaltung hoher Preise für die unentbehr- lichen Bestandteile aller Nahrung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/544>, abgerufen am 23.07.2024.