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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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!vie ist der deutschen Landivirtschaft 511 helfe"?

Gefahr würde freilich am gründlichsten vorgebeugt, wenn der Ansfnhrhandel
nach wie vor nnr Privatpersonen verstattet würde. Man könnte aber auch
die Getreidemengc bestimmen, die dem inländischen Markte für den Ausfuhr¬
handel entzogen werde" darf. Die Vcantwortnng solcher Fragen wäre eine
spätere Sorge. Hier nnr noch ein Wort über die Anwendung des ge¬
machten Porschlages auf den beabsichtigten deutsch-österreichischen Handels¬
vertrag.

Die Gegner schrien im Anfang bekanntlich am lautesten über das zu er¬
wartende Sinken der Getreidepreise. Nun haben sie sich besonnen, daß Öster¬
reich-Ungarn überwiegend Weizen ausführt, während das deutsche Volk als
Hauptnahrungsmittel den Roggen vorzieht. Nun, so kaufe man nach wie vor
den Roggen aus Rußland!

Halt, heißt es um, daS geht nicht, Rußland wird die Ausfuhr seines
Roggens nach Deutschland verbieten, wen" Osterreich eine" niedriger" Ein-
gangszvll erhält! A"f diesen Unsinn sollte ma" eige"euch gar uicht antworten.
Wenn die russische Regierung ihren Bauern den letzten Abnehmer verjagen
wollte, so könnte sie dann sehen, wo sie bleibt. Außerdem ist Rußland nicht
das einzige ^and, das neben Deutschland Rogge" baut. Da"" aber verspotte"
n"s andre Völker, die Franzosen z. B. längst wegen unsers Roggenbrotes.
Man preist alle Tage die Wunder der Technik, vo" denen freilich die Hälfte
Spielereien sind. Sollte denn die Technik der Bäckereien nicht imstande sein,
ein schmackhaftes Vvllsbrot ans Weizen herzustelle", obwohl wir i" Deutsch¬
land bisher gewöhnt sind, den Weizen nnr zur Feinbäckerei zu verwenden?
Was fangen wir denn an, wenn uns Rußland mit Krieg überzieht, wozu es
seit Jahren vor "usem A"gen seine Anstalten trifft? Dann hört die Nvggen-
z"f"hr doch von selbst auf. Wollen wir dann verhnnger" oder wieder die
Hussite" vor Naumburg aufführe" und unsre Kinder zu Ziska-Gurko senden,
damit sie für uns um Brot betteln?

Je aufmerksamer man den heutigen Zustand Deutschlands und Europas
betrachtet, desto mehr erscheint der deutsch-österreichische Handelsvertrag als die
Rettung der wirtschaftlichen Zukunft für Österreich-Ungarn, aber auch für uns.

Nun kommt ma" "och mit dem Einwände, daß infolge des deutsch-
österreichischen Handelsvertrages, wenn er nämlich niedrigere Zölle für das
österreichische als für das russische Getreide im Gefolge habe, zum Schade"
unsrer Ostseeplätze Königsberg, Danzig, Stettin n. s. w. die Wege des Ge¬
treidehandels sich ändern müßte". Jetzt wird vo" deutsche" Getreidehäuser"
das russische Getreide nach den westlichen Märkten verkauft. Da behauptet
man nun, Österreich werde infolge des Handelsvertrages nicht nnr sein Ge¬
treide ans den deutschen Markt werfen, sondern auch deu russischen Getreide-
Handel, d. h. den billigen Einkauf und deu vorteilhaften Verkauf des russischen
Getreides an sich reißen.


!vie ist der deutschen Landivirtschaft 511 helfe»?

Gefahr würde freilich am gründlichsten vorgebeugt, wenn der Ansfnhrhandel
nach wie vor nnr Privatpersonen verstattet würde. Man könnte aber auch
die Getreidemengc bestimmen, die dem inländischen Markte für den Ausfuhr¬
handel entzogen werde» darf. Die Vcantwortnng solcher Fragen wäre eine
spätere Sorge. Hier nnr noch ein Wort über die Anwendung des ge¬
machten Porschlages auf den beabsichtigten deutsch-österreichischen Handels¬
vertrag.

Die Gegner schrien im Anfang bekanntlich am lautesten über das zu er¬
wartende Sinken der Getreidepreise. Nun haben sie sich besonnen, daß Öster¬
reich-Ungarn überwiegend Weizen ausführt, während das deutsche Volk als
Hauptnahrungsmittel den Roggen vorzieht. Nun, so kaufe man nach wie vor
den Roggen aus Rußland!

Halt, heißt es um, daS geht nicht, Rußland wird die Ausfuhr seines
Roggens nach Deutschland verbieten, wen» Osterreich eine» niedriger» Ein-
gangszvll erhält! A»f diesen Unsinn sollte ma» eige»euch gar uicht antworten.
Wenn die russische Regierung ihren Bauern den letzten Abnehmer verjagen
wollte, so könnte sie dann sehen, wo sie bleibt. Außerdem ist Rußland nicht
das einzige ^and, das neben Deutschland Rogge» baut. Da»» aber verspotte»
n»s andre Völker, die Franzosen z. B. längst wegen unsers Roggenbrotes.
Man preist alle Tage die Wunder der Technik, vo» denen freilich die Hälfte
Spielereien sind. Sollte denn die Technik der Bäckereien nicht imstande sein,
ein schmackhaftes Vvllsbrot ans Weizen herzustelle», obwohl wir i» Deutsch¬
land bisher gewöhnt sind, den Weizen nnr zur Feinbäckerei zu verwenden?
Was fangen wir denn an, wenn uns Rußland mit Krieg überzieht, wozu es
seit Jahren vor »usem A»gen seine Anstalten trifft? Dann hört die Nvggen-
z»f»hr doch von selbst auf. Wollen wir dann verhnnger» oder wieder die
Hussite» vor Naumburg aufführe» und unsre Kinder zu Ziska-Gurko senden,
damit sie für uns um Brot betteln?

Je aufmerksamer man den heutigen Zustand Deutschlands und Europas
betrachtet, desto mehr erscheint der deutsch-österreichische Handelsvertrag als die
Rettung der wirtschaftlichen Zukunft für Österreich-Ungarn, aber auch für uns.

Nun kommt ma» »och mit dem Einwände, daß infolge des deutsch-
österreichischen Handelsvertrages, wenn er nämlich niedrigere Zölle für das
österreichische als für das russische Getreide im Gefolge habe, zum Schade»
unsrer Ostseeplätze Königsberg, Danzig, Stettin n. s. w. die Wege des Ge¬
treidehandels sich ändern müßte». Jetzt wird vo» deutsche» Getreidehäuser»
das russische Getreide nach den westlichen Märkten verkauft. Da behauptet
man nun, Österreich werde infolge des Handelsvertrages nicht nnr sein Ge¬
treide ans den deutschen Markt werfen, sondern auch deu russischen Getreide-
Handel, d. h. den billigen Einkauf und deu vorteilhaften Verkauf des russischen
Getreides an sich reißen.


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[0543] !vie ist der deutschen Landivirtschaft 511 helfe»? Gefahr würde freilich am gründlichsten vorgebeugt, wenn der Ansfnhrhandel nach wie vor nnr Privatpersonen verstattet würde. Man könnte aber auch die Getreidemengc bestimmen, die dem inländischen Markte für den Ausfuhr¬ handel entzogen werde» darf. Die Vcantwortnng solcher Fragen wäre eine spätere Sorge. Hier nnr noch ein Wort über die Anwendung des ge¬ machten Porschlages auf den beabsichtigten deutsch-österreichischen Handels¬ vertrag. Die Gegner schrien im Anfang bekanntlich am lautesten über das zu er¬ wartende Sinken der Getreidepreise. Nun haben sie sich besonnen, daß Öster¬ reich-Ungarn überwiegend Weizen ausführt, während das deutsche Volk als Hauptnahrungsmittel den Roggen vorzieht. Nun, so kaufe man nach wie vor den Roggen aus Rußland! Halt, heißt es um, daS geht nicht, Rußland wird die Ausfuhr seines Roggens nach Deutschland verbieten, wen» Osterreich eine» niedriger» Ein- gangszvll erhält! A»f diesen Unsinn sollte ma» eige»euch gar uicht antworten. Wenn die russische Regierung ihren Bauern den letzten Abnehmer verjagen wollte, so könnte sie dann sehen, wo sie bleibt. Außerdem ist Rußland nicht das einzige ^and, das neben Deutschland Rogge» baut. Da»» aber verspotte» n»s andre Völker, die Franzosen z. B. längst wegen unsers Roggenbrotes. Man preist alle Tage die Wunder der Technik, vo» denen freilich die Hälfte Spielereien sind. Sollte denn die Technik der Bäckereien nicht imstande sein, ein schmackhaftes Vvllsbrot ans Weizen herzustelle», obwohl wir i» Deutsch¬ land bisher gewöhnt sind, den Weizen nnr zur Feinbäckerei zu verwenden? Was fangen wir denn an, wenn uns Rußland mit Krieg überzieht, wozu es seit Jahren vor »usem A»gen seine Anstalten trifft? Dann hört die Nvggen- z»f»hr doch von selbst auf. Wollen wir dann verhnnger» oder wieder die Hussite» vor Naumburg aufführe» und unsre Kinder zu Ziska-Gurko senden, damit sie für uns um Brot betteln? Je aufmerksamer man den heutigen Zustand Deutschlands und Europas betrachtet, desto mehr erscheint der deutsch-österreichische Handelsvertrag als die Rettung der wirtschaftlichen Zukunft für Österreich-Ungarn, aber auch für uns. Nun kommt ma» »och mit dem Einwände, daß infolge des deutsch- österreichischen Handelsvertrages, wenn er nämlich niedrigere Zölle für das österreichische als für das russische Getreide im Gefolge habe, zum Schade» unsrer Ostseeplätze Königsberg, Danzig, Stettin n. s. w. die Wege des Ge¬ treidehandels sich ändern müßte». Jetzt wird vo» deutsche» Getreidehäuser» das russische Getreide nach den westlichen Märkten verkauft. Da behauptet man nun, Österreich werde infolge des Handelsvertrages nicht nnr sein Ge¬ treide ans den deutschen Markt werfen, sondern auch deu russischen Getreide- Handel, d. h. den billigen Einkauf und deu vorteilhaften Verkauf des russischen Getreides an sich reißen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/543>, abgerufen am 23.07.2024.